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Gewerbesteuer - Teil 07 - Rechtfertigungsgründe

4.3 Die Neutralität der Gewerbesteuer

Ein prägendes Merkmal der Gewerbesteuer ist ihre Neutralität. Der Neutralitätswahrung tragen die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften Rechnung, welche dafür sorgen, dass das Unternehmen „neutral“ abgebildet wird.

Es wird hierbei zwischen drei verschiedenen Neutralitäten differenziert:

  • Rechtsformneutralität: Die Gewerbesteuerbelastung erfolgt unabhängig davon, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird.
  • Finanzierungsneutralität: Die Gewerbesteuerbelastung erfolgt unabhängig davon, ob das Unternehmensvermögen mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert wird oder ob im Betrieb eigene oder gemietete Wirtschaftsgüter eingesetzt werden.
  • Gewinnverwendungsneutralität: Die Gewerbesteuerbelastung erfolgt unabhängig davon, ob Gewinne ausgeschüttet oder thesauriert werden.

5 Rechtfertigungsgründe für die Gewerbesteuer

Der Staat greift mit der Erhebung der Gewerbesteuer in die Grundrechte des Steuerpflichtigen ein. Ein Eingriff in die Grundrechte ist dann vom Steuerpflichten hinzunehmen, wenn dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigung für die Gewerbesteuer ergibt sich einerseits aus dem Äquivalenzprinzip und andererseits aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip.

5.1 Äquivalenzprinzip

Nach dem Äquivalenzprinzip sollen die Gemeinden für die aus der Existenz gewerblicher Betriebe resultierenden Belastungen einen monetären Ausgleich erhalten. So entstehen den Gemeinden durch die Ansiedlung eines Gewerbebetriebs Kosten ua. für die Erhaltung der Infrastruktur. Diese Kosten sollen durch eine Steuer gegenüber den Gewerbetreibenden aufgefangen werden. Problematisch ist hierbei, dass sich diese Kosten pro Gewerbebetrieb nicht exakt beziffern lassen. Durch die Gemeinden wird in der Konsequenz eine vermutete Kostenverursachung besteuert. Die Gewerbesteuer stellt ein Entgelt für die Nutzung der öffentlichen Güter dar, denn Betriebe wählen einen Standort stets nach Maßgabe der Differenz zwischen den Gewinnen aus der Nutzung lokaler öffentlicher Güter und den dafür zu leistenden Abgaben und Steuern aus. Das Äquivalenzprinzip geht davon aus, dass die der Gemeinde entstehenden Kosten stets über den durchschnittlichen Kosten liegen, sodass die Gesamtkosten der öffentlichen Leistung über die Gewerbesteuer zu decken sind.

Beispiel
Das Unternehmen A verlegt seinen neuen Geschäfts- und Produktionssitz von Gemeinde H nach Gemeinde I. In der Folge wird das Straßennetz täglich viel häufiger durch die Arbeitnehmer und die betriebseigenen Fahrzeuge des Unternehmens genutzt und bedarf regelmäßiger Erneuerung.

  • Durch die Ansiedlung des Unternehmens A und die damit zusammenhängende erhöhte Erneuerungsbedürftigkeit der Straßen entstehen der Gemeinde I zusätzliche Kosten. Um diese Kosten zu decken, darf I von A Gewerbesteuer erheben.

Klassische weitere Kosten für Infrastrukturmaßnahmen sind z.B. der Bau und die Unterhaltung von Schulen, Krankenhäusern etc. Nach dem Äquivalenzprinzip stellt die Gewerbesteuer entgegen der Definition der Steuer als solche in § 3 Abs. 1 AO eine Gegenleistung für diese kommunalen Leistungen dar. Die Gewerbesteuer kommt in dieser Hinsicht der Gebühr sehr nahe, die eine Kommunalabgabe darstellt, und bei der direkt für eine Gegenleistung der Kommune gezahlt wird.

Das Äquivalenzprinzip ist grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund anerkannt, jedoch auch stetiger Kritik durch Verbände und Hochschulen ausgesetzt. Ein Kritikpunkt ist, dass die Nutzungsmöglichkeit öffentlicher Güter auch dem Bürger zugutekomme, die Gewerbesteuer allerdings allein die Unternehmen belaste. Zudem sei nicht klar zuzuordnen, welche Kosten tatsächlich ausschließlich durch die Unternehmen verursacht werden, sodass der Zusammenhang zwischen der Leistung der Gemeinde in Form der Bereitstellung öffentlicher Güter und der Gegenleistung der Unternehmen in Form der Zahlung von Gewerbesteuer schwerlich herzustellen sei. Vollends in Frage gestellt werde der Leistungs- und Gegenleistungsgedanke dadurch, dass die Gewerbesteuer nach § 35 EStG die Einkommensteuer pauschal ermäßigt.

5.2 Leistungsfähigkeitsprinzip

Das Leistungsfähigkeitsprinzip basiert auf der Grundidee, dass das von einem Steuerpflichtigen am Markt erwirtschaftete Einkommen besteuert wird, wobei die Höhe der Steuer nach dessen Zahlungsfähigkeit bemessen werden soll. Damit möchte der Staat am Erfolg des Einzelnen partizipieren und kann dementsprechend im Fall des unternehmerischen Misserfolgs Steuern in geriger Höhe oder gar keine Steuern erheben und geht insoweit „leer aus“.

Auch das Leistungsfähigkeitsprinzip wird vielfach öffentlich von Verbänden und Hochschulen kritisiert. Hierzu wird insbesondere als Kritikpunkt vorgetragen, dass die Gewerbesteuer nur gewerbliche Betriebe, nicht dagegen Betriebe der Land- und Fortwirtschaft und die Freiberufler belastet und damit eine kaum zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliege. Das Leistungsfähigkeitsprinzip missachte zudem das steuerliche Nettoprinzip, da der Abzug bestimmter betrieblicher Aufwendungen, wie bspw. Schuldzinsen oder Mietaufwendungen, aufgrund der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 GewStG nur eingeschränkt möglich ist und insofern mehr Leistungsfähigkeit besteuert werde als eigentlich vorhanden ist. Letztlich liege durch die Hebesätze auch eine standortabhängige Unternehmensbelastung vor, da der Hebesatz von jeder einzelnen Gemeinde eigenständig festgelegt wird, wodurch Ungleichheiten gefördert würden. Die lokalen Gewerbesteuerbelastungen schwankten zwischen 200 % und 900 %. Bei einem Unternehmen mit einem sechsstelligen Gewinn kann der Gewerbesteuerunterschied mehrere 10.000 € betragen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gewerbesteuer“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, und Patrick Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-90-8.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 3 Abs. 1 AO

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