Gemeinnützigkeitsrecht - Teil 12 - Grundsatz der Unmittelbarkeit
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
3.7 Grundsatz der Unmittelbarkeit § 57 AO
§ 57 Abs. 1 AO nennt als weiteren Grundsatz für die Anerkennung der Steuerbegünstigung die Unmittelbarkeit.
Eine Steuerbegünstigung wegen Verfolgung
- gemeinnütziger,
- mildtätiger oder
- kirchlicher Zwecke
kann also nur dann erfolgen, wenn die Zwecke unmittelbar durch die Körperschaft verfolgt werden (BFH vom 23.10.1991, BStBl. 1992 II, S. 62; vom 26.4.1990, BStBl. 1991 II, S. 268).
Das Erfordernis der Unmittelbarkeit gilt grundsätzlich bei allen Steuern und Abgaben, wenn für die in der Satzung festgelegten Zwecke eine Steuerbegünstigung in Anspruch genommen werden soll (BFH vom 11.11.1970, BStBl. 1971 II, S. 372).
Vorausgesetzt wird, dass nach den Bindungen, die zwischen Körperschaft und der für sie tätigen Personen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestehen, deren Wirken sich als eigenes Wirken der Körperschaft darstellt.
Die Leistungen, die von den steuerbegünstigten Zwecken dienenden Körperschaften erbracht werden, müssen die direkte Umsetzung der eigenen steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke bewirken.
Es reicht folglich nicht aus, dass die Leistung in eine von einer anderen Person zu erbringende steuerbegünstigte Leistung eingeht (BFH vom 16.12.2009, BStBl. 2011 II, S. 398; vom 17.2.2010, BStBl. 2010 II, S. 1006).
Die Unmittelbarkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 AO ist aber dann nicht gegeben, wenn sie die
- finanzielle,
- sachliche oder
- personelle
Unterstützung einer anderen Körperschaft zum Ziel hat.
3.7.1 Tätigwerden von Hilfspersonen
Die Körperschaft darf sich bei ihrer Betätigung natürlicher und juristischer Personen (Hilfspersonen) bedienen, weil das Wirken von Hilfspersonen wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist.
Hierfür ist erforderlich, dass die gemeinnützige Körperschaft jederzeit rechtlich und tatsächlich auf die ausgeübten Tätigkeiten der Hilfsperson Einfluss nehmen kann.
Der Hilfsperson sind klare Auflagen hinsichtlich der Durchführung der entsprechenden Maßnahmen und der dabei zu verwendenden Mittel zu erteilen, verbunden mit der Verpflichtung, zu bestimmten Zeiten Rechenschaft über die einzelnen Aktivitäten und die hierfür verwendeten Mittel abzulegen.
Dabei kommen als Vertragsformen und Nachweise z.B. Arbeits-, Dienst- oder Werkverträge in Betracht.
Hilfspersonen im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 AO sind also nicht nur die Angestellten und Mitglieder der gemeinnützigen Körperschaft, sondern ebenfalls selbstständige und von der Körperschaft unabhängige Personen, wenn sie nach den Weisungen der Körperschaft einen entsprechenden Auftrag ausführen.
Es kann z.B. eine andere begünstigte Körperschaft oder eine öffentliche Dienststelle in Betracht kommen, wenn sie in ihrem Handeln durch die steuerbegünstigte Körperschaft gebunden ist, § 58 Nr. 1 und 2 AO.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann die gemeinnützige Körperschaft diesen Personen die Mittel zur freien Disposition überlassen.
Eine Hilfsperson kann eine
- natürliche Person,
- Personenvereinigung,
- juristische Person,
sein. Die Hilfsperson hat nach den Weisungen der Körperschaft einen konkreten Auftrag auszuführen. Die Körperschaft hat die Nachweispflicht, dass sie den Inhalt und den Umfang der Tätigkeit im Innenverhältnis bestimmen kann. Der Nachweis hat durch entsprechende Vereinbarungen zu erfolgen.
Vertragsformen können
- Arbeitsverträge,
- Dienstverträge oder
- Werkverträge
sein.
Im Innenverhältnis muss die Hilfsperson an die Weisungen der Körperschaft gebunden sein. Die Tätigkeit der Hilfsperson muss den Satzungsbestimmungen der Körperschaft entsprechen. Diese hat nachzuweisen, dass sie die Hilfsperson entsprechend überwacht. Die weisungsgemäße Verwendung der Mittel ist von ihr sicherzustellen.
Die Steuerbegünstigung einer Körperschaft, die nur über eine Hilfsperson das Merkmal der Unmittelbarkeit erfüllt, ist unabhängig davon zu gewähren, wie die Hilfsperson im Sinne des Rechts der Steuerbegünstigung behandelt wird. Ein Handeln der Hilfsperson nach § 57 Abs. 1 Satz 2 AO begründet keine eigene steuerbegünstigte Tätigkeit.
Die Steuerbegünstigung einer Hilfsperson ist nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft mit ihrer Hilfspersonentätigkeit nicht nur die steuerbegünstigte Tätigkeit einer anderen Körperschaft unterstützt, sondern zugleich eigene steuerbegünstigte Satzungszwecke verfolgt.
Keine Hilfspersonentätigkeit, sondern eine eigene unmittelbare Tätigkeit liegt dann vor, wenn der auftraggebenden Person dadurch nicht nach § 57 Abs. 1 Satz 2 AO die Gemeinnützigkeit vermittelt wird, z.B. bei Tätigkeiten im Auftrag von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Hoheitsbereich), voll steuerpflichtigen Körperschaften oder natürlichen Personen.
Beispiel
Ein öffentlicher Auftraggeber AG erteilt einer gemeinnützigen Organisation A 1 einen Auftrag. Diese überträgt Teilaktivitäten im Rahmen eines weiteren Auftrags an eine weitere gemeinnützige Organisation A 2. Die Aktivitäten beider Organisationen kommen unstreitig derselben Personengruppe P unmittelbar zugute.
- A 2 handelt als Hilfsperson für A 1, so dass die Tätigkeiten steuerbegünstigt sind.
- A 1 verwirklicht hinsichtlich der aktiven Tätigkeiten unzweifelhaft eigene Satzungszwecke und wird somit unmittelbar tätig.
- Hinsichtlich der an A 2 weitergereichten Aufträge wird A 1 die Gemeinnützigkeit über § 57 Satz 1 AO vermittelt.
3.7.2 Dachverbände/Dachorganisationen, Spitzenverbände
Schließen sich mehrere steuerbegünstigte Körperschaften mit dem Ziel zusammen, einen Dachverband/Dachorganisation oder einen Spitzenverband zu gründen, so verfolgt diese nicht selbst steuerbegünstigte Zwecke.
Im Regelfall beschränken sie sich darauf, die Belange der ihnen angeschlossenen Einrichtungen (insbesondere von Vereinen und Stiftungen) zu vertreten.
Der Gesetzgeber hat aber in § 57 Abs. 2 AO verankert, dass eine Körperschaft, in der steuerbegünstigte Körperschaften zusammengefasst sind, einer Körperschaft gleichgestellt wird, die unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.
Zwingende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung beim Dachverband ist, dass alle ihnen angeschlossenen Einrichtungen selbst sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung als steuerbegünstigten Zwecken dienende Körperschaft erfüllen. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, können den Dachorganisationen keinerlei steuerliche Vergünstigungen gewährt werden. Verfolgen die Dachverbände selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke, kommt § 57 Abs. 2 AO nicht in Betracht. Das bedeutet, dass die bloße Mitgliedschaft einer nicht steuerbegünstigten Organisation für die Steuerbegünstigung des Dachverbandes unschädlich ist. Der Dachverband darf aber die nicht steuerbegünstigten Organisationen keinesfalls fördern (z.B. Zuweisung von Mitteln, Rechtsberatung etc.).
Wird rückwirkend die Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit bei Mitgliedsvereinen widerrufen, kommen für den Dachverband keine negativen Folgen in Betracht. Der Mangel sollte aber unverzüglich korrigiert werden.
Damit dem Dachverband die Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit erhalten bleibt, sollte er die Mitgliedereinrichtungen überwachen. Dies sollte durch regelmäßige Vorlage des aktuellen Freistellungsbescheides beziehungsweise die positive Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen geschehen. Wird diesen Erfordernissen nicht Rechnung getragen, sollte den nicht mehr gemeinnützigen Einrichtungen die Mitgliedschaft entzogen werden.
Beispiel
Die gemeinnützigen Körperschaften A und B wollen in der Zukunft weitreichend ihre Interessen gemeinsam verfolgen. Hierzu überlegen sie, ob und wie eine Gründung einer Organisation möglich ist, die weiterhin steuerbegünstigt behandelt wird.
- Die Gründung einer solchen Organisation kann in Form eines Dachverbandes gegründet werden.
- Um eine Steuerbegünstigung im Dachverband erreichen zu können, müssen die Körperschaften A und B weiterhin steuerbegünstigten Zwecken nachgehen.
- Erst dann kann der Dachverband eine solche Steuerbegünstigung erreichen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerrechtliches Gemeinnützigkeitsrechts“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-93-9.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2019
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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