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Gewerbesteuer - Teil 12 - Sachlich selbstständige Betriebe, Ausnahmen

6.1.4 Mehrheit von sachlich selbstständigen Betrieben

Natürliche Personen können in der Praxis mehrere sachlich selbständige Betriebe unterhalten.

Beispiel
Der Unternehmer A betreibt einerseits ein Fitnessstudio in B und hat andererseits eine Modeboutique für Damenunterwäsche in C. Alle Unternehmen werden jeweils als eigenständige GmbHs betrieben.

  • Das Fitnessstudio in B und die Modeboutique in C werden jeweils als Betriebe für sich besteuert. Steuergegenstand der Gewerbesteuer kann grundsätzlich nur der einzelne Gewerbebetrieb sein (vgl. Abschnitt 16 Abs. 1 GewStR).

Nur in Ausnahmefällen können beide Gewerbebetriebe einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden. Dies ist dann der Fall, wenn die verschiedenen Tätigkeiten nach der Verkehrsanschauung und den Betriebsverhältnissen als Teil eines Gewerbebetriebs (Gesamtbetriebs) anzusehen sind. Dies gilt zwar auch für mehrere Unternehmen von Einzelunternehmern und von eingetragenen Kaufleuten (e.K.), nicht dagegen für die Unternehmen mehrerer Personengesellschaften, wenn an allen Gesellschaften die gleichen Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt sind. Die Rechtsprechung betont hierbei die Selbstständigkeit der Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern (BFH BStBl. II 1995, 589).

Beispiel
Unternehmer A ist die Pendelei zwischen den Orten B und C satt. Nebenbei ist seine Damenunterwäsche auch aufgrund starker Konkurrenz in C nicht allzu gefragt. Er entschließt sich daher, direkt neben seinem Fitnessstudio in B ein "Modezentrum für Fitnessbekleidung" zu errichten. Um neue Kunden für das Fitnessstudio zu locken, erhält jeder Neukunde kostenlos ein Funktionsshirt aus dem Modezentrum. Alle Unternehmen werden dabei als GmbH betrieben.

  • Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Fitnessstudio und dem Modezentrum für Sportbekleidung in B. Sowohl nach der Verkehrsanschauung als auch nach den Betriebsverhältnissen erscheinen beide Gewerbebetriebe als selbstständige Teile eines Gesamtbetriebs, der sich auf Fitness und Fitnessbekleidung spezialisiert hat. Es erfolgt eine Besteuerung als einheitlicher Gewerbebetrieb.

Eine natürliche Person kann mehrere Betriebe der gleichen Art haben. Betriebe der gleichen Art sind nach Abschnitt 16 Abs. 2 S. 4 GewStR solche, die wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch innerlich zusammenhängen. Kriterien für den innerlichen Zusammenhang sind nach Abschnitt 16 Abs. 2 S. 5 GewStR die Art der gewerblichen Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Geschäftsleitung, die Arbeitnehmerschaft sowie die Betriebsstätte.

Beispiel
Unternehmer A betreibt als Franchise-Nehmer in Gemeinde G zwei Filialen einer großen Fast-Food-Kette. Jede Filiale wurde als selbstständiger Gewerbebetrieb angemeldet. Des Weiteren wurde jede Filiale einzeln in das Handelsregister eingetragen, sodass die Buchhaltung beider Filialien getrennt erfolgt.

  • Es handelt sich um Betriebe der gleichen Art. Beide Betriebe haben dieselbe Art der gewerblichen Betätigung (Verkauf von Fast-Food), bedienen denselben Kundenkreis, lassen sich von denselben Lieferanten beliefern und weisen auch sonst eine standardisierte Ladeneinrichtung auf.

Liegt demnach eine Gleichartigkeit mehrerer Betriebe vor, ist nach Abschnitt 16 Abs. 2 S. 2 GewStR grundsätzlich davon auszugehen, dass beide Betriebe eine wirtschaftliche Einheit bilden und es sich um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handelt, soweit sie sich in der gleichen Gemeinde befinden. Befinden sie sich in verschiedenen Gemeinden, so handelt es sich nach Abschnitt 16 Abs. 2 S. 3 GewStR um einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen sich über die politischen Grenzen der Gemeinden hinaus erstrecken.

Beispiel
Unternehmer A betreibt in der Gemeinde H einen Laden für Sportbekleidung und in der Gemeinde B einen Laden für Abendgarderobe. Beide werden in der Rechtsform einer OHG betrieben und es findet ein regelmäßiger Warenaustausch zu Stoßzeiten statt, damit A dann, aber auch nur dann, beides an beiden Orten anbieten kann.

  • Bei den Betrieben des Unternehmers A handelt es sich jeweils um Betriebe der gleichen Art, da beide aus der Bekleidungsindustrie stammen. Die Unterhaltung beider Betriebe an unterschiedlichen Orten (Gemeinden H und B), schadet nicht, da sie wirtschaftliche Beziehungen zueinander unterhalten. Somit liegt ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor.

Unabhängig vom Geschäftszweig und der Verschiedenartigkeit der jeweiligen Tätigkeiten liegt bei Kapitalgesellschaften stets ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor (vgl. Abschnitt 16 Abs. 4 S. 1 GewStR). Das gilt auch dann, wenn von ihnen mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten werden (Abschnitt 16 Abs. 4 S. 3 GewStR).

6.1.5 Ausnahmen vom Erfordernis des gewerblichen Unternehmens iSd EStG

Hinsichtlich des Erfordernisses eines gewerblichen Unternehmens iSd EStG gibt es im Gewerbesteuerrecht zwei Ausnahmen:

  • die Verpachtung eines Gewerbetriebs
  • sowie sogenannte Arbeitsgemeinschaften.

6.1.5.1 Verpachtung eines Gewerbebetriebs

Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs als Teilbetrieb oder im Ganzen ist nach R 2.2 GewStR regelmäßig nicht als Gewerbebetrieb anzusehen und unterliegt folglich nicht der Gewerbesteuer. Dies erklärt sich daraus, dass die eigentlich werbende Tätigkeit vom Pächter ausgeübt wird und beim Pächter Gewerbesteuer erhoben wird. Eine zweite Besteuerung beim Verpächter wegen desselben Gewerbes würde eine verbotene Doppelbesteuerung darstellen. Im Gewerbesteuerrecht wird der Gewerbebetrieb des Verpächters als (passiver) ruhender Gewerbetrieb bezeichnet, während der Gewerbebetrieb des Pächters aktiver Gewerbebetrieb ist.

6.1.5.2 Arbeitsgemeinschaften

Besonderheiten bestehen auch bei sogenannten Arbeitsgemeinschaften. Arbeitsgemeinschaften sind in der Praxis häufig erkennbar an der Firmierung ARGE. Juristisch handelt es sich um Gesellschaften in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft. Insbesondere in der Bauwirtschaft werden sie im Rahmen größerer Projekte von mehreren Unternehmen gemeinsam gebildet. Ihr alleiniger Zweck besteht in der Erfüllung eines Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags. Ein weiterer beliebter Anwendungsfall sind Banken, die gemeinsam Aktien und Anleihen am Markt platzieren. Die Gewerbesteuerpflichtigkeit von Arbeitsgemeinschaften richtet sich nach § 2a GewStG. Danach werden die Betriebsstätten der Arbeitsgemeinschaften anteilig als Betriebsstätten der Beteiligten angesehen. Die Gewerbebetriebseigenschaft der Arbeitsgemeinschaft als solcher wird dabei wegen fehlender Nachhaltigkeit verneint, so dass die Gewerbesteuerpflichtigkeit nur auf die einzelnen Mitglieder der ARGE entfällt. Nicht unter § 2a GewStG fallen dagegen solche (Arbeits-)Gemeinschaften, die einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Ein- und Verkauf betreiben und sich dieser somit nicht auf die Erfüllung eines (einzigen) Werk- oder Werklieferungsvertrags beschränkt. Diese unterliegen vielmehr in vollem Umfang der Gewerbesteuer.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gewerbesteuer“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, und Patrick Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-90-8.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung  des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.

Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 2a GewStG

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