Aufhebungsvertrag - Teil 13 - Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
4.3.5.2 Auflösend bedingte Aufhebungsverträge
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter einer Bedingung ist zulässig. Dies gilt insbesondere, wenn ein Aufhebungsvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen wird und so das Arbeitsverhältnis nach Eintritt eines Ereignisses fortgesetzt wird. Beispielsweise bei sog. Monte-Carlo-Modellen (Der Begriff ist angelehnt an den „Glücksspielcharakter“ solcher Vereinbarungen, Hümmerich, Neues zum Abwicklungsvertrag, NZA 2001, 1280, 1282):
Beispiel
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren einen Aufhebungsvertrag. Dabei wird die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses unter die auflösende Bedingung (§ 158 II BGB) der Zahlung einer Abfindung in einer bestimmten Höhe an den Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt gestellt.
- Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bis zum verabredeten Zeitpunkt die Abfindung, so endet das Arbeitsverhältnis zum vereinbarten Zeitraum. Die auflösende Bedingung ist eingetreten.
- Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht pünktlich die vereinbarte Abfindung zahlt, mangelt es am Eintritt der auflösenden Bedingung. Das Arbeitsverhältnis besteht fort.
- Für den Arbeitnehmer bietet eine solche Vereinbarung den Vorteil, dass eine Verzögerung der Abfindungszahlung weniger wahrscheinlich ist. Der Arbeitgeber steht unter einem gewissen Druck, pünktlich zu zahlen, weil er sonst das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortsetzen muss.
- Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung in der Verhandlung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitnehmer nutzen, um die Summe der Abfindung herunterzuhandeln: Sie ist so eventuell niedriger, aber dafür ist ihre pünktliche Zahlung wahrscheinlicher.
Schwierigkeiten bereiten auflösend bedingte Aufhebungsverträge, bei denen nicht binnen einer kurzen Zeit nach Vertragsschluss klar ist, ob der Bedingungseintritt erfolgt oder nicht. Sie führen zu Rechtsunsicherheit und werden deshalb möglicherweise von der Rechtsprechung gekippt (LAG Bremen, Urteil vom 25.02.1994, LAGE § 74 HGB Nr. 9).
4.3.5.3 Unbedingter Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungsgarantie
Es können unbedingte Aufhebungsverträge mit bedingter Wiedereinstellungsgarantie vereinbart werden.
Beispiel:
Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen vor dem Beginn des Urlaubs des Arbeitnehmers einen Aufhebungsvertrag mit dem das Arbeitsverhältnis endet. Zusätzlich treffen sie die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, wenn er dies am ersten Tag nach Ende des Urlaubs wünscht (vgl. Preis, Individualarbeitsrecht, 5. Auflage 2017, Rz. 3401).
- Der Aufhebungsvertrag ist unwirksam. Die Konstellation ist inhaltlich vergleichbar mit einem entsprechend bedingten Aufhebungsvertrag, denn es geht eigentlich um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und nur bei unpünktlichem Wiederantritt des Arbeitnehmers zur Arbeit um eine endgültige Trennung. In beiden Fällen werden die Kündigungsschutzvorschriften umgangen: Der Normalfall wäre es, abzuwarten, ob der Arbeitnehmer nach dem Urlaub rechtzeitig wieder zur Arbeit antritt und falls er das nicht tut, eine Kündigung auszusprechen (BAG, Urteil vom 25.06.1987 - 2 AZR 541/86, NZA 1988, 391).
Anders zu beurteilen ist ein unbedingter Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungsgarantie während der Probezeit. Ein solcher Aufhebungsvertrag kann zulässig sein, wenn die kurze Kündigungsfrist, die in der Probezeit gilt, durch den Beendigungszeitpunkt nur in einem angemessenen Umfang überschritten wird (Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, 6. Auflage 2017, Kap. 23 Rz. 21)
4.3.6 Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bezeichnet ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Grundprinzip im Arbeitsrecht, welches dem Arbeitgeber vorschreibt, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage, gleich zu behandeln. Von gruppenbezogenen Regelungen darf nicht ohne sachlichen Grund zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen abgewichen werden. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gilt dabei innerhalb eines Unternehmens betriebsübergreifend, wenn die Entscheidung des Arbeitgebers, etwas zu verteilen, mehrere Betriebe betrifft (BAG, Urteil vom 03.12.2008 - 5 AZR 74/08, NZA 2009, 367). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch im Rahmen von Aufhebungsverträgen zu beachten, wenn eine gewisse betriebliche Ordnung besteht, das heißt, wenn durch den Arbeitgeber überindividuelle Regelungen für bestimmte Sachverhalte getroffen werden.
Beispiel:
Arbeitgeber A muss seinen Betrieb schließen. Mit seinen Arbeitnehmern will A Aufhebungsverträge schließen und dabei der Mehrzahl der Arbeitnehmer freiwillig Abfindungen zahlen.
- A muss grundsätzlich den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten: Arbeitnehmer für die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergleichbare rechtliche und ökonomische Folgen hat, müssen vergleichbare Abfindungen erhalten.
- Es kann aber zulässig sein, solchen Arbeitnehmern keine Abfindung zu zahlen, die vorzeitig eine neue Beschäftigung gefunden haben, wenn der dem Arbeitgeber für die Abfindungszahlung zur Verfügung stehende Gesamtbetrag gering ist und die Arbeitnehmer schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben (1 BAG, Urteil vom 25.11.1993 - 2 AZR 324/93, NZA 1994, 788).
Nicht beachtet werden muss der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Aufhebungsvertrag rein individuell ausgehandelt wird und ein Bezug zum Kollektiv der Arbeitnehmer fehlt.
Beispiel:
Der Betrieb von Arbeitgeber X ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. In Zukunft könnten betriebliche Kündigungen nötig werden. Arbeitnehmer Y möchte ohnehin nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten, sondern vorher aufhören. Y und X schließen deshalb einen Aufhebungsvertrag, in dem ein frühzeitiges Ausscheiden des X gegen eine Abfindung vereinbart wird.
- Die Vereinbarung des Aufhebungsvertrags geschieht individuell. Arbeitnehmer Y ist beim Aushandeln der Höhe der Abfindung "seines eigenen Glückes Schmied" (Vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 252).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
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Monika Dibbelt
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Tilo Schindele
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Stand: Januar 2019
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
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