Gemeinnützigkeitsrecht - Teil 18 - Ausnahmen der Mittelverwendung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
5.4.2 Ausnahmen der Mittelverwendung
Zu bestimmten Zwecken dürfen Vereine, abweichend von der zeitnahen Mittelverwendung, zulässige
Rücklagen bilden.
Dazu gehören unter anderem die
- zweckgebundene Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO (Zweckerfüllungs- oder Projektrücklage): Diese Rücklage dient der nachhaltigen Erfüllung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke, insbesondere bestimmter Vorhaben, für die bereits eine konkrete Zeitvorstellung besteht, beziehungsweise bei denen die Durchführung des Vorhabens glaubhaft und finanziell in einer angemessenen Zeit möglich ist.
- Wiederbeschaffungsrücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO: Die Bildung einer Rücklage ist demnach für die tatsächlich beabsichtigte Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern möglich, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind und für deren Wiederbeschaffung die laufenden Einnahmen nicht ausreichen.
- Die freie Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO: Der freien Rücklage können höchstens 1/3 des Überschusses aus der Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens 10 % der sonstigen zeitnah für satzungsmäßige Zwecke zu verwendenden Mittel zugeführt werden.
Zur Gewährung der Steuervergünstigungen verlangt § 51 AO außerdem, dass die Körperschaft den
- gemeinnützigen,
- mildtätigen beziehungsweise
- kirchlichen
Zweck
- ausschließlich und
- unmittelbar
- verfolgt.
5.5 Ausschließlichkeit
Gemäß § 56 AO liegt Ausschließlichkeit vor, wenn die Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass einem gemeinnützigen Verein jede wirtschaftliche Betätigung versagt wäre.
Die Werbung, der Verkauf von Artikeln oder der Betrieb einer Vereinsgaststätte stehen der Gemeinnützigkeit nicht entgegen, soweit die wirtschaftliche Betätigung nicht Selbstzweck wird.
5.6 Unmittelbarkeit
Verwirklicht die Körperschaft diese Zwecke selbst, ist nach § 57 AO Unmittelbarkeit gegeben.
Das Gebot der Unmittelbarkeit ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 AO erfüllt, wenn sich die steuerbegünstigte Körperschaft z.B. einer Hilfsperson bedient.
Ausnahmen von den Geboten der Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit, die einer Steuerbegünstigung nicht entgegenstehen, sind in § 58 AO erfasst.
Für kleine Vereine hat beispielsweise § 58 Nr. 7 AO große Bedeutung. Danach kann ein Verein neben seinen satzungsmäßigen Zwecken gesellige Zusammenkünfte, z.B. Weihnachtsfeiern oder Sommerfeste veranstalten, wenn sie im Vergleich zu ihren steuerbegünstigten Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung sind.
5.7 Mindestanforderungen an die Satzung
Weitere Voraussetzung für die Steuervergünstigungen ist die Einhaltung der Mindestanforderungen
an die Satzung des Vereins gemäß §§ 59 ff. AO.
Aus der Satzung muss sich demzufolge ergeben:
- der Zweck der Körperschaft,
- die Erfüllung sowie
- die Versicherung der Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit.
Dabei müssen gemäß § 60 Abs. 1 AO der Satzungszweck und die Art der Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass allein aufgrund der Satzung überprüft werden kann, ob steuerbegünstigte Zwecke vorliegen und somit die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind.
Die Satzung des Vereins muss gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO aus steuerlichen Gründen die in der Mustersatzung vorgesehenen Festlegungen enthalten.
Die bloße Bezugnahme auf Satzungen oder andere Regelungen Dritter genügt nicht (BFH vom 19.4.1989 - I R 3/88, BStBl. 1989 II S. 595).
5.8 Anerkennung des steuerbegünstigten Zwecks
Die Entscheidung über die Anerkennung des steuerbegünstigten Zwecks trifft die örtlich zuständige Finanzverwaltung
- entweder auf Antrag bei Gründung des Vereins beziehungsweise bei Satzungsänderungen oder
- von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgte, durch einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen.
Diese Feststellung der Satzungsmäßigkeit ist bindend für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen.
Im Rahmen der regelmäßigen Körperschaftsteuerveranlagung wird das Vorliegen steuerbegünstigter
Zwecke ebenfalls überprüft.
Dabei wird neben der Satzung die tatsächliche Geschäftsführung überprüft.
Hierzu muss anhand der Buchführung und sonstiger Aufzeichnungen nachgewiesen werden, dass die tatsächliche Geschäftsführung
- ausschließlich und
- unmittelbar
auf die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist.
Liegen die Voraussetzungen vor, wird ein Freistellungsbescheid zur Körperschaft- und Gewerbesteuer erteilt, mit dem der Verein Dritten gegenüber seine Gemeinnützigkeit nachweisen kann.
Allerdings wird ein Freistellungsbescheid nur erteilt, wenn der Verein in vollem Umfang von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit ist. Dies ist der Fall, wenn kein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, oder ein solcher unterhalten wird, es aber unter Berücksichtigung der Besteuerungsgrenzen und der Freibeträge zu keiner Steuerfestsetzung kommt.
Diese Bescheide zur Feststellung der Gemeinnützigkeit binden die Finanzverwaltungen jedoch nicht, wenn später bei der Überprüfung des Vereins Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht festgestellt werden.
Treten bei den Verhältnissen, die für die Feststellung erheblich waren, Änderungen ein, ist diese Feststellung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
Ändert eine Körperschaft gemeinnützigkeitsrechtlich relevante Bestimmungen ihrer Satzung, ist die
bisherige Feststellung mit Datum des Inkrafttretens der Satzungsänderung aufzuheben.
Beispiel
Die Körperschaft A trifft im Jahr 2015 die Entscheidung, sich in Zukunft nur noch um die Belange von hilfsbedürftigen Personen zu kümmern. Sie ändert daher ihre Satzung und beantragt, als gemeinnützig anerkannt zu werden.
- Eine Anerkennung als gemeinnützig kann nur die Finanzverwaltung treffen.
- Hierzu ergeht ein Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen. Damit ist die Körperschaft A als gemeinnützig anerkannt.
Beispiel
Der Verein A hat in naher Zukunft vor, eine Sportplatzanlage für seine Mitglieder zu bauen. Sein Steuerberater B schlägt ihm daher vor, eine Rücklage für diesen Bau vorzunehmen.
- Da es sich um eine zweckgebundene Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt, kann der Verein eine solche Rücklage durchaus bilden.
Beispiel
Der Verein A, Essen auf Rädern, sitzt zur Jahresabschlussbesprechung bei seinem Steuerberater B. Dieser stellt fest, dass die Abschreibung eines Fahrzeugs von A im nächsten Jahr ausläuft. B fragt seinen Mandanten, wie es mit einer Anschaffung eines neuen Fahrzeuges aussieht. A erwidert, dass der Kaufpreis nur realisiert werden kann, wenn das Vermögen des Vereins im laufenden Jahr nicht weiter strapaziert wird. B rät ihm zu einer Rücklage.
- Da es sich um eine Wiederbeschaffungsrücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt, ist A durchaus berechtigt eine solche Rücklage zu schaffen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerrechtliches Gemeinnützigkeitsrechts“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-93-9.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2019
Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
Mail: dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0421-2241987-0
Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:
Rechtsinfos/ SteuerrechtRechtsinfos/ Steuerrecht