Gewerbesteuer - Teil 20 - Steuerbemessung und Steuererhebung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
6.6 Steuerbemessung und Steuererhebung
Steuerbemessung und Steuererhebung erfolgen im Gewerbesteuerrecht nach einem mehrstufigen Verfahren, wobei sich das Finanzamt und die Gemeinden die jeweiligen Kompetenzen teilen.
6.6.1 Begriff des Steuermessbetrags (§ 11 GewStG)
Der Steuermessbetrag i.S.d. § 11 GewStG ist der Betrag, der sich aus der Multiplikation des Gewerbeertrags (ggf. nach Abzug eines Fehlbetrags gem. § 10a GewStG und etwaiger Freibeträge) mit einer Steuermesszahl von 3,5 ergibt (vgl. § 11 Abs. 2 GewStG). Dabei ist es unerheblich, ob Steuerschuldner eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft ist. Auch sind die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen (z.B. Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, vgl. auch § 3 Abs. 4 AO) nach § 4 Abs. 5b EStG keine Betriebsausgaben und mindern weder den gewerblichen Gewinn noch die Größe des Ausgangsbetrags, sodass seit der Unternehmenssteuerreform 2008 stets die Steuermesszahl von 3,5 maßgeblich ist.
Beispiel
Der einzelkaufmännische Gewerbebetrieb des A erwirtschaftet einen Gewerbeertrag von 390.710 €.
- Die Abrundung auf volle 100 € führt zu 390.700 €. Hiervon ist gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG der Freibetrag i.H.v. 24.500 € abzuziehen, sodass 366.200 € verbleiben. Der Steuermessbetrag beträgt 366.200 € x 0,035 = 12.817 €.
6.6.2 Gewerbesteuer-Messbescheid (§ 14 GewStG)
Auf Grundlage der von dem Steuerpflichtigen erstellten und beim örtlich zuständigen Finanzamt eingereichten Gewerbesteuererklärung gem. § 14a GewStG erlässt dieses sogenannte Betriebsfinanzamt (§§ 18 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 AO) den Gewerbesteuer-Messbescheid, mit dem der Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wird. Dieser ist dem Steuerschuldner bekanntzugeben und der hebeberechtigen Gemeinde mitzuteilen (§ 184 Abs. 3 AO).
Zahlungsverpflichtungen ergeben sich aus diesem noch nicht, sondern sie werden erst durch den Gewerbesteuerbescheid des Gemeindesteueramts ausgelöst (§§ 182 Abs. 1, 184 AO). Insofern stellt der Gewerbesteuer-Messbescheid nur eine Vorstufe dar. Der Steuerpflichtige kann dennoch bereits berechnen, wie viel Gewerbesteuer er zu zahlen hat. Man könnte daher sagen, dass das für die Gewerbesteuer wesentliche (insbesondere die Feststellung des Gewerbeertrags mit allen Hinzurechnungen und Kürzungen) schon auf Ebene des Betriebsfinanzamts geschieht, während auf Ebene der Gemeinde nur noch „der letzte Feinschliff“ stattfindet, der letztlich zur Zahlungsverpflichtung gegenüber der Gemeinde führt.
6.6.3 Hebesatz und Steuerbescheid (§ 16 GewStG)
§ 16 GewStG verpflichtet die Gemeinden, die Gewerbesteuer mit einem Hebesatz festzusetzen, wobei diese an den als Grundlagenbescheid (§§ 171 Abs. 10, 175 AO) festzusetzenden Gewerbesteuermessbescheid des Betriebsfinanzamts gebunden sind und der Hebesatz nach § 16 Abs. 4 S. 1 GewStG für alle Unternehmen in gleicher Höhe festgesetzt werden muss. Um "Steueroasen" mit besonders niedriger Gewerbesteuer zu vermeiden, verpflichtet § 16 Abs. 4 S. 2 GewStG die Gemeinden zu einem Mindesthebesatz von 200 %. Der Mindesthebesatz wird zumeist etwa in Luftkurorten erhoben, in denen sich keine oder nur wenig Gewerbebetriebe ansiedeln sollen. Vor allem Großstädte haben hingegen deutlich höhere Hebesätze. Der höchste Hebesatz in Deutschland beträgt derzeit 900 % (in der Gemeinde Dierfeld in Rheinland-Pfalz), der bundesweite Durschnitt liegt bei 361 %. Dabei ist auffällig, dass die im Durchschnitt höchsten Hebesätze bei den Kommunen in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen sind, während gerade ostdeutsche Kommunen zumeist eher moderate Hebesätze um 300 – 400 % haben. Damit zeigt sich hinsichtlich der Hebesätze ein West-Ost-Gefälle. Dieses Gefälle führt zu sehr unterschiedlichen Gewerbesteuerbelastungen, sodass über das Umlageverfahren unter Zwischenschaltung von Bund und Ländern ein Ausgleich zwischen den Gemeinden hergestellt werden soll.
Beispiel
Der Steuermessbetrag des einzelkaufmännischen Gewerbebetriebs des A beträgt im Jahr 2015 12.817 €. Er hat seinen ausschließlichen Geschäftssitz in der Gemeinde. Der aktuelle Hebesatz in H liegt bei 460 %.
- Multipliziert man den Steuermessbetrag von 12.817 € mit dem Hebesatz von 460 % (x 4,6) ergibt sich eine zu zahlende Gewerbesteuer i.H.v. 58.958,2 €.
Die Gewerbesteuer ist aufgrund der Ertragshoheit der Gemeinden nicht an die Finanzkasse des Betriebsfinanzamts zu entrichten. Gläubiger der Gewerbesteuer sind vielmehr die Gemeinden, in denen sich die Betriebsstätten des Gewerbebetriebs befinden.
6.6.4 Zerlegung des Steuermessbetrags (§§ 28 - 34 GewStG; Abschnitt 75 GewStR)
Unterhält der Betrieb in mehreren Gemeinden Betriebsstätten, erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden (§ 30 GewStG; Abschnitt 78 GewStR) oder verlegt eine Betriebsstätte innerhalb eines Erhebungszeitraums ihren Sitz von der einen in die andere Gemeinde, so erfolgt eine Zerlegung des Steuermessbetrags. Sinn und Zweck dahinter ist es, jeder Gemeinde den Anteil zuzurechnen, der der wirtschaftlichen Bedeutung des in der betreffenden Gemeinde liegenden Betriebsteils entspricht (Grefe, Unternehmenssteuern, S. 336). Das Zerlegungsverfahren selbst ist in den §§ 185 – 189 AO geregelt. Das Ergebnis der Zerlegung wird durch das zuständige Finanzamt im Wege eines sog. Zerlegungsbescheid (§ 188 AO) festgestellt. Der Zerlegungsbescheid ist ein Folgebescheid des Messbetragsbescheids des Betriebsfinanzamtes. Er dient der jeweiligen Gemeinde als Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid und dieser ergeht gemeinsam mit dem Gewerbesteuermessbescheid. Maßstab zur Berechnung der Zerlegung ist aus Praktikabilitätsgründen regelmäßig der Arbeitslohn als pauschale Schlüsselgröße (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG; zu den Details siehe auch Abschnitte 77 und 79 GewStR). Die Aufteilung erfolgt dabei in dem Verhältnis, in dem die an die Arbeitnehmer bei den Betriebsstätten einer Gemeinde gezahlten Arbeitslöhne zum Gesamtbetrag der Arbeitslöhne bei allen Betriebsstätten Beschäftigen stehen. Arbeitslöhne sind dabei grundsätzlich die Vergütungen iSd § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, soweit sie nicht nach anderen Rechtsvorschriften von der Einkommensteuer befreit sind (§ 31 Abs. 1 S. 1 GewStG).
Beispiel
Die A-GmbH hat jeweils eine Betriebsstätte in den Gemeinden H, HH und B. Der Gesamtbetrag der Arbeitslöhne beträgt 10 Mio. €, wobei auf H 3 Mio. €, auf HH 2 Mio. € und auf B 5 Mio. € entfallen.
- Die jeweils örtlich zuständigen Betriebsfinanzämter werden den Gewerbesteueranteil für H auf 30 %, für HH auf 20 % und für B auf 50 % der insgesamt zu zahlenden Gewerbesteuer der A-GmbH durch Zerlegungsbescheid festsetzen.
Eine Ausnahme vom alleinigen Kriterium des Arbeitslohns macht § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG bei Betrieben, die zur Erzeugung von Windenergie betrieben werden. Hierbei richtet sich die Zerlegung nur zu 30 % nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne. Dem Verhältnis des Sacheinlagevermögens wird mit 70 % als Zerlegungsmaßstab eine größere Bedeutung beigemessen. Ist der Arbeitslohn hingegen überhaupt nicht ermittelbar, so ist nach § 31 Abs. 5 GewStG bei Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person (GmbH, AG, KGaA etc.) betrieben werden, für die im Betrieb tätigten Unternehmer (Mitunternehmer) insgesamt 25.000 € jährlich anzusetzen. Bei einem unterjährigen Wegzug ist dieser Betrag zeitanteilig zu reduzieren.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gewerbesteuer“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, und Patrick Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-90-8.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2019
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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