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Aufhebungsvertrag - Teil 24 - Inhaltskontrolle durch Gerichte

8. Inhaltskontrolle durch Gerichte

Wie jeder andere Vertrag unterfällt auch ein Aufhebungsvertrag den §§ 305 ff. BGB (nur), wenn der Anwendungsbereich der Allgemeinen Geschäftsbedingen eröffnet ist.

8.1 Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB

Regelungsgrund der §§ 305 ff. ist das strukturelle Ungleichgewicht beim Aushandeln eines Vertrages. Laut Bundesarbeitsgericht besteht bei einem Aufhebungsvertrag keine solche strukturell ungleiche Verhandlungsstärke zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, weil ein bloßes "Nein" des Arbeitnehmers genügt, um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zu verhindern. Eine AGB-Kontrolle ist daher nur eingeschränkt möglich (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.1996 - 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811).

Gem. § 310 IV BGB sind bei Arbeitsverträgen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Das gilt auch für Aufhebungsverträge, weil diese den Arbeitsvertrag auflösen (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Auflage 2018, § 620 BGB Rn. 15). Sie sind als arbeitsrechtliche Verträge Arbeitsverträge im weiteren Sinne (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 246).

Zunächst müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen. Erforderlich für eine Inhaltskontrolle durch die Gerichte ist deshalb, dass der Aufhebungsvertrag beziehungsweise die streitentscheidende Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist und vom Verwender (i.d.R. der Arbeitgeber) gestellt ist, § 305 I 1 BGB. Da Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Unternehmer und Verbraucher i.S.d. §§ 312, 13, 14 BGB zu qualifizieren sind, findet die Vorschrift § 310 III BGB Anwendung (BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762).

Gem. § 310 III Nr. 1 BGB wird vermutet, dass die Klausel vom Unternehmer gestellt wird, ein Nachweis durch den Arbeitnehmer ist deshalb nicht erforderlich. § 310 III Nr. 2 BGB setzt die Voraussetzung "für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt" aus § 305 I 1 BGB herab und lässt es genügen, wenn die Klausel nur einmalig verwendet werden sollte, der Arbeitnehmer aber aufgrund der Vorformulierung keinen Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Eine solche Einflussnahme liegt nur vor, wenn es der Arbeitnehmer ist, der die Klausel in den Vertrag einbringt oder aber der Arbeitgeber den Inhalt der Klausel ernsthaft zur Disposition stellt. Dazu muss er sich deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der Klausel bereiterklären. Dem Arbeitnehmer muss das bewusst gewesen sein. Die Beweislast im Prozess trägt der Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762). Wenn der Arbeitgeber vermeiden will, dass § 310 III Nr. 2 BGB greift, sollte er dem Arbeitnehmer vor den Vertragsverhandlungen zum Aufhebungsvertrag ein Schriftstück zukommen lassen, in dem er den Arbeitnehmer auffordert den Vertragsentwurf zu prüfen und in dem er sich bereit erklärt, über jede einzelne Klausel mit dem Arbeitnehmer zu verhandeln (Hoß in Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Auflage 2018, Kap. 6 Rn. 316).

Für die Vorformulierung genügt es, wenn die Klausel vor Vertragsschluss fertig formuliert ist, sei es auch nur "im Kopf" des Verwenders. Der Verwender muss die Klausel nicht selbst vorformuliert haben.

Zudem darf die Klausel nicht im Einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt worden sein, § 305 I 3 BGB. Für die Voraussetzung "im Einzelnen ausgehandelt" gilt der gleiche Maßstab wie für die Einflussnahme i.S.d. § 310 III Nr. 2 BGB. Aushandeln geht über bloßes Verhandeln hinaus. Der Arbeitgeber muss den gesetzesfremden Kern der Klausel deutlich und ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers gestellt und diesem die Möglichkeit eingeräumt haben, den Inhalt der diskutierten Klausel zu beeinflussen.

Beispiel (Preis, in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Auflage 2018, §§ 305 – 310 Rn. 24):

Arbeitnehmerin A bekommt von ihrem Arbeitgeber G einen Aufhebungsvertrag vorgelegt. G macht A deutlich, dass der Inhalt des Vertrages verhandelbar ist. A liest sich den Inhalt des Vertrages in Ruhe durch, stellt nichts Außergewöhnliches fest und unterschreibt. Der Aufhebungsvertrag enthält folgende Ausgleichsklausel:

"Alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, gelten als erledigt". Die Klausel war vorformuliert und G hat sie für eine Vielzahl von Verträgen verwendet.Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erinnert A, dass sie noch Entgeltfortzahlungsansprüche gegen G hat und macht diese geltend. Zu Recht?

  • Ein Anspruch der A auf Entgeltfortzahlung ist entstanden. Er könnte aber durch die Ausgleichsklausel erloschen sein.
  • Dann muss die Ausgleichsklausel wirksam sein. Zu prüfen ist, ob sie gegen die §§ 305 ff. BGB verstößt.
  • Die §§ 305 ff. BGB sind nicht anwendbar, wenn keine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliegt, weil die Ausgleichsklausel "im Einzelnen ausgehandelt" wurde, § 305 I 3 BGB.
  • Dadurch, dass G deutlich gemacht hat, dass der Inhalt des Aufhebungsvertrags verhandelbar ist, hat er die Klausel deutlich und ernsthaft zur Disposition der A gestellt und dieser die Möglichkeit gegeben, ihren Inhalt zu beeinflussen.
  • Die Ausgleichsklausel wurde daher im Einzelnen ausgehandelt i.S.d. § 305 I 3 BGB. Eine AGB liegt nicht vor. Die §§ 305 ff. sind nicht anwendbar.
  • Die Ausgleichsklausel ist wirksam. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist erloschen. A kann ihn nicht erfolgreich geltend machen.

8.2 Einbeziehung der Klausel in den Aufhebungsvertrag

Wie bei allen Verträgen ist auch bei einem Aufhebungsvertrag vor der Inhaltskontrolle zu prüfen, ob die entscheidende Klausel Vertragsbestandteil geworden ist. Eine überraschende Klausel (§ 305c I BGB) wird nicht in den Vertrag einbezogen. Überraschend ist eine Klausel, die an einer "versteckten" Stelle des Aufhebungsvertrages eingefügt wurde, sodass für den Arbeitnehmer die Gefahr besteht, sie zu übersehen. Zudem findet ein Vergleich mit dem üblichen Inhalt von Aufhebungsverträgen allgemein statt (Hoß in Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Auflage 2018, Kap. 6 Rn. 319). Auch eine Klausel, über die eine vorrangige Individualabrede getroffen wurde, wird nicht in den Vertrag einbezogen, § 305b BGB. Das ist der Fall, wenn sie vom Arbeitnehmer vorgeschlagen wurde (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 248).

8.3 Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB

Für eine gerichtliche Kontrolle der Klausel ist erforderlich, dass diese von Rechtsvorschriften abweicht oder solche ergänzt, § 307 III BGB. Die Einigung auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solche sowie eine eventuelle Gegenleistung unterliegen keiner gerichtlichen Kontrolle (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Auflage 2018, § 620 BGB Rn. 15). Ob eine Abfindung gezahlt wird und wie hoch diese ist, kann nicht anhand der §§ 305 ff. BGB beurteilt werden. Gleiches gilt für die Vereinbarung der Restlaufzeit des Arbeitsvertrages (Bengelsdorf in Münchener Anwalts Handbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, § 49 Rn 351). Im Gesetz finden sich keine Regelungen zu diesen Vertragsinhalten, sodass eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften ausscheidet. Bei kontrollfähigen Vertragsgegenständen prüft das Gericht, ob ein Klauselverbot ohne (§ 309 BGB) oder mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) vorliegt oder ob die AGB gegen § 307 I 1 beziehungsweise §307 I 2 BGB verstößt. Das kann Nebenbestimmungen wie beispielsweise Freistellung, Abgeltung von Urlaubsansprüchen oder Ausgleichsklauseln betreffen (Bengelsdorf in Münchener Anwalts Handbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, § 49 Rn 351). Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber sich als Verwender nicht auf die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln berufen kann (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 250).

Denkbar ist eine Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 I 2 BGB. Voraussetzung dafür ist eine Intransparenz der Klausel. Diese kann sich aus der Art und Weise der Formulierung ergeben, wenn durch diese ungerechtfertigten Spielräume für den Arbeitgeber entstehen. Der Verwender muss sich bemühen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners klar und durchschaubar darzustellen. Eine benachteiligende Wirkung muss ohne Ersuchen von Rechtsrat erkennbar sein.

8.4 Rechtsfolge bei Unwirksamkeit einer Klausel nach §§ 305 ff. BGB

Wenn eine Klausel des Aufhebungsvertrags sich als unwirksam i.S.d. §§ 305 ff. BGB herausstellt, bleibt der Rest des Vertrages grundsätzlich bestehen, § 306 I BGB. Die durch die unwirksame Klausel entstandene Regelungslücke wird von den gesetzlichen Vorschriften geschlossen, § 306 II BGB.

8.5 Fazit

Die wichtigsten Regelungen des Aufhebungsvertrags (Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung) unterliegen keiner inhaltlichen Kontrolle, vgl. § 307 III BGB. Auch auf Klauseln, über deren Inhalt Arbeitgeber und Arbeitnehmer ernsthaft diskutiert haben oder die vom Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt wurden, finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung. Im Übrigen sollte darauf geachtet werden, den Vertrag transparent und verständlich zu gestalten, um eine Unwirksamkeit nach § 307 I 2 BGB beziehungsweise eine Nichteinbeziehung gem. § 305c BGB zu vermeiden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
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  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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