Aufhebungsvertrag - Teil 33 - Androhung einer Strafanzeige
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
11.3.2.2.2 Androhung einer Strafanzeige
Die Androhung eines Arbeitgebers, er werde Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer stellen, wenn dieser den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, ist nicht widerrechtlich i.S.d. § 123 I Alt. 2 BGB, wenn schwerwiegende Verdachtsmomente gegen den Arbeitnehmer bestehen und die vorgeworfene Straftat in einem inneren Zusammenhang mit dem Beendigungswunsch des Arbeitgebers steht.
11.3.2.2.3 Gutes Zeugnis und Abfindung
Ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer gegenüber äußert, dieser könne nur für den Fall der Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag ein gutes Zeugnis und eine Abfindung erwarten, spricht grundsätzlich keine widerrechtliche Drohung i.S.d. § 123 I Alt. 2 BGB aus. Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein "gutes" Arbeitszeugnis, sondern nur ein Anspruch auf ein den Leistungen entsprechendes Arbeitszeugnis. Auch ein Anspruch auf eine Abfindung besteht nur in den besonderen Fällen der §§ 9, 10 KSchG beziehungsweise § 112 BetrVG.
11.3.2.2.4 Einräumung einer Bedenkzeit
Ein Aufhebungsvertrag kann nicht nur deshalb angefochten werden, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit oder eine Widerrufsfrist eingeräumt beziehungsweise ihm das Thema des Gesprächs (Fußnote), in dem er den Aufhebungsvertrag vorschlägt, nicht angekündigt hat. Das gilt insbesondere, wenn das Gespräch über einen Aufhebungsvertrag sachlich und ruhig geführt wird und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweist, den Vertragsvorschlag vor dem Unterzeichnen in Ruhe und genau durchzulesen (Fußnote). Das Bundesarbeitsgericht argumentiert damit, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nicht strukturell unterlegen ist, weil ein einfaches "Nein" seinerseits genügt, um einen Aufhebungsvertrag abzuwenden und das "Ob", "Wie" sowie "Wann" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Zustimmung abhängt (Fußnote).
Wenn ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach dessen Vorschlag, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, um eine Bedenkzeit bittet und der Arbeitgeber eine Bedenkzeit ablehnt, ist darin keine widerrechtliche Drohung i.S.d. § 123 I Alt. 2 BGB zu sehen. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrags durch die Verweigerung der Einräumung einer Bedenkzeit kein konkretes Übel in Aussicht gestellt. Vielmehr steht es dem Arbeitnehmer frei, das Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags abzulehnen, wenn er sich nicht sicher ist.
Die Nichteinräumung einer Bedenkzeit für somit nicht zu einem Anfechtungsrecht. Umgekehrt führt allerdings nicht die Einräumung einer Bedenkzeit zu einer Beseitigung der Widerrechtlichkeit einer Drohung (Fußnote). Die Widerrechtlichkeit der Drohung mit einer (Fußnote) Kündigung kann nicht dadurch vermieden werden, dass dem Arbeitnehmer nach dem Angebot eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit oder Widerrufsfrist eingeräumt wird. Die widerrechtliche Drohung wird nicht dadurch "wirksamer", dass Zeit verstreicht (Fußnote). Eine Bedenkzeit führt grundsätzlich auch nicht zu einer fehlenden Kausalität zwischen Drohung und Abgabe der Willenserklärung des Arbeitnehmers. Das Fehlen der Kausalität kann jedoch angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer die Bedenkzeit zur Einholung von qualifiziertem Rechtsrat oder zum Vorschlag neuer Vertragselemente genutzt hat (Fußnote).
Beispiel (Fußnote)
R arbeitet als angestellter Rechtsanwalt für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts B. Durch einen Presseartikel, den er keinem der Partner der B zur Freigabe vorlegt, gefährdet R die Arbeit einer anderen Abteilung der B. B möchte sich vertreten durch Gesellschafter und Rechtsanwalt H durch Aufhebungsvertrag von R trennen. R weigert sich zunächst. H droht daraufhin mit einer fristlosen Kündigung. Einige Tage später unterbreitet er R per E-Mail einen konkreten Vorschlag für einen Aufhebungsvertrag. R antwortet zwei Stunden später auf die E-Mail und macht einen Gegenvorschlag, der eine höhere Abfindung sowie eine spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht. Bereits am nächsten Tag einigen sich H und R auf einen Aufhebungsvertrag zu den von R geforderten Bedingungen. Kurz vor dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Beendigungszeitpunkt ficht R den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung gem. §§ 142 I, 123 I Alt. 2 BGB an.
- Eine Drohung (Fußote) mit einer Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Drohung mit einer Kündigung ist widerrechtlich, wenn der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist. Es ist unklar, ob R wusste, dass der Presseartikel vor der Veröffentlichung einem Partner zur Freigabe vorgelegt werden muss. Wenn er dies nicht wusste, wäre eine außerordentliche Kündigung nicht von einem verständigen Arbeitgeber in Betracht gezogen worden. Die Drohung wäre dann widerrechtlich.
- Für die Frage, ob die Drohung widerrechtlich ist, spielt es keine Rolle, dass zwischen der Drohung mit der außerordentlichen Kündigung und dem konkreten Vorschlag für einen Aufhebungsvertrag einige Tage vergangen sind. Die dem R so eingeräumte Bedenkzeit kann eine Widerrechtlichkeit der Drohung nicht heilen.
- § 123 I Alt. 2 BGB verlangt, dass der Erklärende zur Abgabe der Willenserklärung durch die widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist - die Norm setzt also eine Kausalität zwischen Drohung und Abgabe der Willenserklärung voraus. Die Drohung muss zumindest mitursächlich geworden sein. Erforderlich ist, dass der Erklärende noch im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung (Fußnote) unter dem Eindruck der Drohung stand und keine unabhängige eigenständige Entscheidung gefällt hat. Eine Bedenkzeit unterbricht diesen kausalen Zusammenhang nicht automatisch. Für eine eigenständige Entscheidung spricht, dass R als Rechtsanwalt rechtskundig ist und aktiv mit H verhandelt hat, indem er die Bedingungen des Aufhebungsvertrags verbesserte. Unklar bleibt allerdings, ob er dies nur tat, weil er sich dazu gezwungen sah, einen solchen abzuschließen und es für ihn gegenüber einer Kündigung das "kleinere Übel" darstellte oder ob es seine freie Entscheidung war und er den Aufhebungsvertrag als Neuanfang nutzen wollte.
- Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück ans Landesarbeitsgericht verwiesen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
Stand: Januar 2019
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
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