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Aufhebungsvertrag - Teil 37 - Sozialpläne

12.1.2 Sozialpläne

In Unternehmen mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat beraten, § 111 BetrVG. Dabei sollen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen treffen - diese Einigung nennt man Sozialplan, vgl. § 112 I 2 BetrVG.

Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, wobei § 77 III BetrVG (Fußnote) keine Anwendung findet, § 112 I 3 BetrVG. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus sind Sozialpläne Betriebsvereinbarungen besonderer Art (Fußnote). Bei Einigungsschwierigkeiten kann die Bundesagentur für Arbeit vom Unternehmer oder Betriebsrat um Vermittlungshilfe gebeten werden. Falls sie nicht angerufen wird oder ein Vermittlungsversuch scheitert, kann die Einigungsstelle zur Vermittlung eingeschaltet werden, § 112 II BetrVG. Eine Einigungsstelle setzt sich zusammen aus Beisitzern, die zu gleichen Anteilen vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden sowie einem unparteiischen Vorsitzenden, den beide Seiten gemeinsam bestimmen müssen, § 76 II 1 BetrVG. Die Einigungsstelle wird eingerichtet, um Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beizulegen, § 76 I 1 BetrVG. Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Sozialplan einigen können, arbeitet die Einigungsstelle stattdessen einen solchen aus, § 112 IV BetrVG. Der Sozialplan ist mithin erzwingbar.

Falls der Arbeitgeber den Betriebsrat übergeht und den Betrieb stilllegt, ohne zuvor den Betriebsrat gem. § 111 BetrVG zu unterrichten, stellt sich die Frage, ob die entlassene Arbeitnehmerschaft sich noch wehren kann. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Betriebsrat auch nach Betriebsstillegung noch solange ein sog. Restmandat hat, wie Regelungsbedarf besteht, um die Rechte der Arbeitnehmer wahren zu können (Fußnote).

12.1.3 Sozialplan und Abfindung

Wenn ein Sozialplan anlässlich einer Betriebsänderung, die mit einer Vielzahl von Entlassungen verbunden ist, ausgearbeitet wird, kann er Regelungen zu Aufstockungsleistungen für Arbeitslosengeld oder Überbrückungsleistungen bis zum Rentenbezug sowie Wiedereinstellungszusagen und Leistungen für Outplacement-Beratungen enthalten. Eines der Kernelemente wird jedoch die Zahlung einer Abfindung sein. Dadurch kann es dazu kommen, dass Arbeitnehmern sowohl eine Abfindung aus dem Aufhebungsvertrag als auch aus dem Sozialplan zusteht.Es liegt dann eine sog. Dopplung vor.

Arbeitgeber und Betriebsrat haben bei der Festlegung von Berechnungsmethoden für Abfindungen im Sozialplan grundsätzlich freie Hand. Sie sind nur an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden und müssen Differenzierungen zwischen bestimmten Gruppen sachlich begründen können. Dabei ist es in der Regel zulässig, im Sozialplan eine nach Alter und/oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung festzulegen. Nichts einzuwenden ist grundsätzlich auch gegen die Praxis, Arbeitnehmer von der Zahlung von Sozialplanleistungen auszuschließen, die ihr Arbeitsverhältnis durch einen von ihnen selbst veranlassten Aufhebungsvertrag beendet haben.

Für das Verhältnis zwischen Sozialplan und Aufhebungsvertrag gilt bezüglich einer Abfindung Folgendes: Wenn der Sozialplan keine Aussage dazu trifft, wie Arbeitnehmer zu behandeln sind, deren Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag beendet wird, dann haben auch diese Arbeitnehmer Anspruch auf die im Sozialplan festgelegte Abfindung, wenn der Abschluss des Aufhebungsvertrags vom Arbeitgeber veranlasst war. Bei einer unterschiedlichen Behandlung läge ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Fußnote) vor (Fußnote).

Die Rechtsprechung hält einen Aufhebungsvertrag für vom Arbeitgeber veranlasst, wenn er den Arbeitnehmer "im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht (Fußnote). Die Unterscheidung zwischen einem vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag und einem Aufhebungsvertrag, bei dem eine unterschiedliche Behandlung im Sozialplan gerechtfertigt ist, kann nicht immer trennscharf gezogen werden. Ohne Veranlassung des Arbeitgebers wird ein Aufhebungsvertrag beispielsweise geschlossen, wenn der Arbeitgeber zuvor darauf hingewiesen hat, dass er bis zu einem bestimmten Termin alle Arbeitskräfte braucht, weil er die Produktion bis dahin aufrechterhalten will und der Aufhebungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor diesem Termin vorsieht.

Ein Aufhebungsvertrag kann nur dann vom Arbeitgeber veranlasst sein, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages weiß, dass sein konkreter Arbeitsplatz durch die geplante Betriebsänderung in Gefahr ist. Dieses Wissen kann er beispielsweise aufgrund einer Bekanntgabe des Arbeitgebers bei einer Betriebsversammlung, in einem Rundschreiben oder durch einen Aushang gewonnen haben. Zudem setzt die "Veranlassung" ein kausales Element zwischen dem Wissen um die Gefährdung des eigenen Arbeitsplatzes und dem Entschluss, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, voraus. Je länger der Zeitraum zwischen der Kenntniserlangung über einen drohenden Arbeitsplatzverlust und dem Entschluss, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, ist, desto ferner liegt ein kausaler Zusammenhang (Fußnote).

Beispiel (Fußnote)

Arbeitnehmerin K ist seit mehreren Jahren im Technikbetrieb der F beschäftigt. Anlässlich einer Betriebsversammlung verkündet F am 8.10.1990, dass aus wirtschaftlichen Gründen ein Personalabbau in dem Betrieb geplant ist, in dem K tätig ist. Es wird ein Sozialplan verabschiedet, der unter anderem folgende Regelungen vorsieht:

"Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung oder durch nach dem 20.12.1990 abgeschlossene Beendigungsvereinbarung endet beziehungsweise geendet hat, erhalten eine volle Abfindung

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine nach dem 8.10.1990, aber vor dem 20.12.1990 geschlossene Beendigungsvereinbarung endet beziehungsweise geendet hat, erhalten 50 % der im folgenden angesetzten Abfindung.

Auf diese Abfindungen werden bereits in den Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindungen angerechnet.

Wird auf Wunsch eines Arbeitnehmers dessen Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist beendet, so erhält er einen Zuschlag zur Abfindung in Höhe von 50 % des Bruttomonatsverdienstes für die nicht verbrauchte Zeit der Kündigungsfrist."

K vereinbart am 1.12.1990 auf eigenen Wunsch hin einen Aufhebungsvertrag mit F, der das Arbeitsverhältnis zum 30.5.1991 beenden soll, weil sie eine neue Arbeitsstelle zum 1.6.1991 gefunden hat. K verlangt nach ihrem Ausscheiden die volle Abfindung aus dem Sozialplan. Sie führt aus, F habe ihr am 15.12.1990 deutlich gemacht, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 31.12.1992 hinaus keinen Bestand haben könnte, weshalb sie sich nach einer neuen Arbeitsstelle umgesehen habe. F meint, bis dahin habe sie ja noch bei ihm arbeiten können.

      • Laut dem Sozialplan hat K aufgrund des am 1.12.1990 (Fußnote) abgeschlossenen Aufhebungsvertrags Anspruch auf 50% der im Sozialplan vorgesehenen Abfindung, wobei diese mit einer im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung zu verrechnen ist.
      • Die unterschiedliche Behandlung von vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitnehmern und solchen, die zwischen dem 8.10. und 20.12.1990 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, könnte gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 75 I BetrVG verstoßen.
      • Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt wird und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beenden, ist grundsätzlich zulässig. Bei der zweiten Gruppe kann davon ausgegangen werden, dass sie bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, weshalb sie geringere wirtschaftliche Nachteile durch die Betriebsänderung erleiden.
      • Ausnahmsweise ist eine unterschiedliche Behandlung jedoch nicht gerechtfertigt, wenn der Aufhebungsvertrag oder die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst ist. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden.
      • Hier hat K erst am 15.12.1990 von F erfahren, dass ihre Stelle zukünftig wegfallen wird - weil K bereits vorher einen Aufhebungsvertrag anbot, kann die Aussage des F nicht kausal dafür gewesen sein. Zudem sollte ihre Stelle auch erst zum 31.12.1991 wegfallen, sodass sie noch sieben weitere Monate bei F hätte arbeiten können. Der Aufhebungsvertrag war nicht vom Arbeitgeber F veranlasst. Die unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt.
      • oK hat keinen Anspruch auf die volle Abfindung aus dem Sozialplan.

12.1.4 Sozialplan und Ausgleichsklausel

Regelmäßiger Bestandteil von Aufhebungsverträgen ist die sog. "Ausgleichsklausel", die dafür sorgt, dass nach Abschluss des Aufhebungsvertrags kein Streit darüber entsteht, wem noch welche Ansprüche zustehen. Sie kann zum Beispiel so aussehen:

"Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt."

Bezüglich eventueller Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Sozialplan stößt die Ausgleichsklausel jedoch an ihre Grenzen: Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, § 112 S. 3 BetrVG. Das bedeutet, dass er unmittelbar und zwingend gilt und ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die Rechte aus dem Sozialplan nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig ist, § 77 IV BetrVG. Infolgedessen kann ein Arbeitnehmer durch eine Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung des Betriebsrats nicht wirksam auf seine Rechte aus dem Sozialplan verzichten. An der Zustimmung des Betriebsrats fehlt es regelmäßig, weil die Parteien des Aufhebungsvertrags nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind und der Betriebsrat anders als bei einer Kündigung (Fußnote) nicht angehört werden muss.

Beispiel:

Arbeitgeber G steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Er entschließt sich zu einer Betriebsstillegung. Davon ist auch Arbeitnehmer A betroffen. G und A einigen sich auf einen Aufhebungsvertrag. Darin ist eine Abfindung von 5.000,- Euro vorgesehen. Zudem enthält der Aufhebungsvertrag eine Ausgleichsklausel, die alle übrigen Ansprüche der Vertragsparteien ausschließt. Mit dem Betriebsrat vereinbart G kurz darauf einen Sozialplan, bei dem der Betriebsrat für Arbeitnehmer wie A eine Abfindung von 8.000,- Euro aushandelt. A verlangt von G den Differenzbetrag von 3.000,- Euro. G meint, der Anspruch sei durch die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag ausgeschlossen.

      • Laut Sozialplan hat A Anspruch auf 8.000,- Euro Abfindung.
      • Die Ausgleichsklausel aus dem Aufhebungsvertrag greift nicht. A konnte nicht wirksam auf seine Rechte aus dem Sozialplan verzichten, weil der Betriebsrat nicht zugestimmt hat, vgl. §§ 112 I 3, 77 IV 2 BetrVG.
      • A hat einen Anspruch gegen G auf Zahlung der restlichen 3.000,- Euro.

Für den Fall, dass die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung höher ist als die im Sozialplan festgelegte Abfindung, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber die Rückzahlung der Differenz vom Arbeitnehmer verlangen kann. Ein solcher Anspruch scheitert daran, dass es keine Anspruchsgrundlage gibt, auf die der Arbeitgeber sich berufen könnte. Der Sozialplan gewährt nur dem Arbeitnehmer, nicht dem Arbeitgeber, Ansprüche.

Zulässig ist es, im Aufhebungsvertrag eine Bedingung zu vereinbaren, die dessen Wirksamkeit von der Zustimmung des Betriebsrats zu einem (Fußnote) Verzicht auf die Rechte des Arbeitnehmers aus dem Sozialplan abhängig macht. Eine solche Vereinbarung kann für Arbeitnehmer sinnvoll sein, wenn die Vereinbarungen im Sozialplan für ihn ungünstiger sind.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Janaur 2019


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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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