Internationales Steuerrecht – Teil 08 – Unternehmensgewinne


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


3.6.1.1 Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA)

Das OECD-MA kennt den Begriff des Gewerbebetriebs nicht, sondern erfasst diese Einkünfte im Wesentlichen unter den Unternehmensgewinnen, unter anderem nach Art. 7 OECD-MA.

Für den Bereich der Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA ist das Vorliegen einer Betriebsstätte maßgebend. Durch ihn wird entschieden, ob Unternehmensgewinne im Sitzstaat des Unternehmens oder auch im Quellenstaat besteuert werden (Betriebsstättenprinzip). Der Betriebsstättentatbestand entscheidet darüber, welchem Steuerniveau die Gewinne eines Unternehmens unterliegen.

Nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA wird eine Betriebsstätte als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ definiert.

Der Betriebsstättenbegriff setzt demnach voraus:

    • Das Bestehen einer Geschäftseinrichtung, d.h. einer Einrichtung wie Räumlichkeiten oder in gewissen Fällen maschineller Anlagen oder Ausrüstungen
    • Die Geschäftseinrichtung muss fest sein, d.h. sie muss sich an einem bestimmten Ort für eine gewisse Dauer befinden
    • Das Unternehmen muss seine Tätigkeit durch die feste Geschäftseinrichtung ausüben

Liegt eine Betriebsstätte des Unternehmens im Quellenstaat vor, so darf einerseits der Quellenstaat Unternehmensgewinne besteuern, andererseits darf auch der Wohnsitzstaatbesteuern. Eine Doppelbesteuerung vermeidet der Wohnsitzstaat durch die Anwendung des Art. 23 OECD-MA. Danach stellt Deutschland die Betriebsstättengewinne grundsätzlich von der Besteuerung frei. Mit der Folge der Freistellungsmethode bzw. der Anrechnungsmethode. Um der Betriebsstätte den Anteil am Unternehmensgewinn zuzurechnen, den sie durch Wahrnehmung ihrer betrieblichen Funktionen erwirtschaftet hat, wird sie im Verhältnis zum Stammhaus als wirtschaftlich selbstständig fingiert. Die Gewinnermittlung erfolgt nach den jeweiligen nationalen Gewinnermittlungsvorschriften (nach denen im Betriebsstättenstaat und denen im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens).

Beispiel

Das irische Stammhaus liefert seiner deutschen Betriebsstätte Fertigfabrikate, für die Herstellungskosten von 100 EUR angefallen sind, zu einem Preis von 130 EUR pro Stück. Gegenüber externen Abnehmern kann das Stammhaus die Fertigfabrikate üblicherweise nur zu 120 EUR pro Stück absetzen. Die Betriebsstätte vertreibt die Produkte zu einem Preis von 150 EUR pro Stück.

    • Der Gesamterfolg des Unternehmens bei Veräußerung durch die Betriebsstätte beläuft sich auf 50 EUR (150 EUR ./. 100 EUR), wenn weitere Kosten bei der Betriebsstätte nicht betrachtet werden.
    • Unter Missachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes teilt sich der Gesamterfolg auf in einen Produktionsgewinn von 30 EUR (130 EUR ./. 100 EUR) für das Stammhaus und einen Vertriebsgewinn von 20 EUR (150 EUR ./. 130 EUR) für die Betriebsstätte.
    • Unter Anwendung des durch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA aufgestellten Fremdvergleichsgrundsatzes hätte die Betriebsstätte als selbständiges, unabhängiges Unternehmen den Preis von 130 EUR nicht akzeptiert, wenn die Produkte zu einem Marktpreis (= Fremdvergleichspreis) von 120 EUR erhältlich sind.
    • Daher wird der Betriebsstätte ein Vertriebsgewinn von 30 EUR (150 EUR ./. 120 EUR) und dem Stammhaus ein Produktionsgewinn von 20 EUR (120 EUR ./. 100 EUR) zugerechnet.
    • Der Gesamtgewinn von 50 EUR verändert sich durch die Gewinnzurechnung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht.

3.6.3.1.2 Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (Art. 8 OECD-MA)

Art. 8 OECD-MA gehört systematisch gesehen zu den Unternehmensgewinnen. Er steht zu Art. 7 OECD-MA in einem Verhältnis der Spezialität. Das bedeutet, dass er vor Art. 7 OECD-MA zu prüfen ist.

Nach dem Zweck der Vorschrift sollen Gewinne der international tätigen Schifffahrtsunternehmen und Luftverkehrsunternehmen, die in vielen Staaten Einnahmen erzielen, nur in einem Staat versteuert werden, damit es nicht zu einer Zersplitterung der Besteuerung kommt. Art. 8 OECD-MA ist daher als Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge („können nur“ dort besteuert werden) ausgestaltet, die das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Staat zuteilt, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Unter Art. 8 Abs. 1 OECD-MA fallen nur Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Dieser Ausdruck ist näher in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e OECD-MA definiert. Internationaler Verkehr ist danach jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug, mit der Ausnahme von innerstaatlichen Beförderungen im Vertragsstaat, der nicht der Geschäftsleitungsstaat ist.

3.6.3.1.3 Verbundene Unternehmen (Art. 9 OECD-MA)

Art. 9 OECD-MA regelt die Besteuerung zweier verbundener Unternehmen in ihren Sitzstaaten.

Unter verbundenen Unternehmen sind Unternehmensverbindungen von rechtlich selbständigen Unternehmen (z.B. Kapitalgesellschaften) unter gemeinsamer Kontrolle zu verstehen. Schuldrechtliche Verträge zwischen den einzelnen verbundenen Unternehmen werden zivilrechtlich und steuerrechtlich immer anerkannt. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA erlaubt es den Steuerbehörden, Gewinnberichtigungen vorzunehmen, wenn Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen unter anderen Bedingungen als denen des freien Marktes abgewickelt worden sind. Die Steuerbehörden eines Vertragsstaates dürfen Gewinnberichtigungen vornehmen, wenn aufgrund von „(...) Bedingungen (...), die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden (...)“ Gewinne nicht ausgewiesen werden. Nimmt nur ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur vor, so entsteht für das verbundene Unternehmen eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung, da die Gewinne in Höhe des unangemessenen Teils wurden bereits beim Unternehmen im anderen Vertragsstaat versteuert.

Beispiel

Die Muttergesellschaft A in Kanada stellt der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft B für eine Werkzeuglieferung einen im Vergleich zu unabhängigen Unternehmen zu hohen Konzernverrechnungspreis in Rechnung.

    • In Kanada entsteht so ein vergleichsweise höherer Gewinn, der dort zu einem höheren Steueraufkommen führt.
    • Nimmt nun Deutschland eine Gewinnkorrektur in Höhe des unangemessenen Teils des Verrechnungspreises vor, so wird der bereits in Kanada der Besteuerung unterlegene Gewinnanteil in Deutschland bei der B besteuert.
    • Als Folge tritt eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung ein, da dasselbe Steuergut „Gewinn“ in Höhe des korrigierten Betrages bei zwei eigenständig Steuerpflichtigen – A und B – besteuert wird.

Aus diesem Grund verpflichtet Art. 9 Abs. 2 OECD-MA den anderen Vertragsstaat, eine Gegenberichtigung in Höhe des unangemessenen Teils vorzunehmen, um die eingetretene wirtschaftliche Doppelbesteuerung auszugleichen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Steuerrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-004-5.



Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei allen Fragen zum Handel am Kapitalmarkt. Dies umfasst nicht nur die Handelsobjekte des Kapitalmarktes im engeren Sinne, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Aktienzertifikate, Genussscheine und Optionsscheine sondern auch die Handelsobjekte des grauen Kapitalmarktes, wie Anteile an Publikumspersonengesellschaften. Rechtsanwältin Ritterbach bietet ihre Beratung und Prozessvertretung im Kapitalmarktrecht Anlegern von Kapitalanlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Prospekthaftung oder fehlerhafter Anlageberatung sowie Unternehmern an. Diese unterstützt sie beispielsweise bei der kapitalmarktrechtlichen Compliance, denn nicht nur bei der erstmaligen Emission von Wertpapieren hat der Emittent Informations- und Berichtspflichten einzuhalten. Finanzanlagenvermittlern bietet Rechtsanwältin Ritterbach Beratung und Vertretung vor allem im Bereich der Berufsausübungspflichten, der Gewerbeerlaubnis sowie der Dokumentation ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Sie bietet im Bereich des Kapitalmarktrechts folgende Vorträge an:

  • Bilanzoptimierung und Ratingverbesserung durch Finanzierung
  • Unternehmerische Beteiligungen - Das Für und Wieder
  • Freie Finanzanlagenberater und -vermittler: Was ist gegenüber den Kunden zu beachten?


Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-0

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung  des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.

Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema

  • Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
  • Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
  • Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
  • Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz


Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
Mail: dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0421-2241987-0

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosSonstiges
RechtsinfosSteuerrecht