Internationales Steuerrecht – Teil 18 – Einkommenssteuerpflicht
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.3.2 Erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 2 AStG)
Bei der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht wird nach persönlichen und sachlichen Voraussetzungen unterschieden.
4.3.2.1 Persönliche Voraussetzungen
Von der erweitert beschränkten Steuerpflicht sind nur natürliche Personen betroffen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und in einem ausländischen Gebiet ansässig sind, in dem sie nur einer geringen Besteuerung unterliegen, aber noch wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben.
Beispiel
Der deutsche Staatsangehörige A lebt seit seiner Geburt (2.1.1965) in Deutschland. Da seine Mutter Schweizerin ist, besitzt er auch die schweizerische Staatsangehörigkeit. Am 1.6.2003 verlegt er erstmals seinen Wohnsitz nach Monaco. Da es ihm dort nicht sonderlich gefällt, kehrt er am 1.3.2005 wieder nach Deutschland zurück. Am 1.9.2007 beschließt er, seine deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben, und verlegt am 1.2.2011 seinen Wohnsitz endgültig in die Schweiz. Die anderen Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht liegen vor.
- Bei seinem ersten Wegzug nach Monaco tritt für A die erweitert beschränkte Steuerpflicht ein, da er in den zehn Jahren vor dem Wegzug mehr als fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
- Nach seinem endgültigen Wegzug in die Schweiz wird A nicht erweitert beschränkt steuerpflichtig, da er im letzten Zehn-Jahres-Zeitraum vor Wegzug (1.2.2001 bis 1.2.2011) weniger als fünf Jahre als Deutscher unbeschränkt steuerpflichtig war (1.2.2001 bis 1.6.2003 und 1.3.2005 bis 1.9.2007; insgesamt also nur 4 Jahre und 10 Monate).
Beispiel
Der deutsche A lebt seit seiner Geburt in Deutschland. 2009 gewinnt er in einer Quizsendung einen Geldbetrag in Höhe von 500.000 EUR, den er bei einer deutschen Bank anlegt und hiermit Zinseinnahmen erzielt. Am 1.1.2010 verlegt A seinen Wohnsitz nach Großbritannien, und am 1.6.2011 zieht A nach Andorra, wo er keinerlei Einkommensteuer zahlen muss.
- A ist vom 1.1.2010 bis zum 1.6.2011 in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, da Großbritannien kein Niedrigsteuerland ist.
- Nach seinem Umzug nach Andorra wird er erweitert beschränkt steuerpflichtig. Bleibt A in Andorra ansässig, besteht die erweitert beschränkte Steuerpflicht bis zum 31.12.2020.
4.3.2.2 Sachliche Voraussetzungen
Zusätzlich zu den persönlichen Voraussetzungen müssen noch wirtschaftliche Verbindungen, sogenannte wesentliche wirtschaftliche Interessen, zum Inland bestehen.
Es kann sich hierbei um unmittelbare (§ 2 Abs. 3 AStG) oder mittelbare (§ 2 Abs. 4 AStG) wesentliche wirtschaftliche Interessen handeln.
Unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen bestehen nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AStG dann, wenn nach:
- Nr. 1: Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden
- Nr. 2: nichtausländische Einkünfte im Sinne des § 32d EStG die zu mehr als 30 % ihrer sämtlichen Einkünfte oder 62.000 EUR übersteigen
- Nr. 3: das Vermögen einer Person zu mehr als 30 % ihres Gesamtvermögens oder 154.000 EUR übersteigt
Mittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen bestehen nach § 2 Abs. 4 AStG dann, wenn eine Person unter den Voraussetzungen des § 5 AStG an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat.
Überdies gelangt die erweitert beschränkte Steuerpflicht nicht zur Anwendung, wenn die hiernach steuerpflichtigen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum insgesamt weniger als 16.500 EUR betragen, selbst wenn sonst alle anderen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen gegeben sind (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AStG).
Diese Freigrenze wurde eingeführt, damit die Regelungen der erweitert beschränkten Steuerpflicht bei Fällen von geringfügiger Bedeutung nicht angewandt werden müssen.
4.3.2.3 Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht
Sind die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfüllt, ist der Steuerpflichtige nach § 2 Abs. 1 AStG bis zu zehn Jahre nach Ende des Jahres, in dem seine unbeschränkte Steuerpflicht endet mit allen Einkünften, die nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d EStG sind, erweitert beschränkt steuerpflichtig.
Innerhalb dieses Zeitraums muss jedes Jahr erneut geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfüllt sind.
4.3.3 Erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht (§ 4 AStG)
Die erweitert beschränkte Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuerpflicht erfasst Erblasser beziehungsweise Schenker, die im Todes- beziehungsweise Schenkungszeitpunkt der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG unterliegen.
Sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld gegeben, unterliegt nicht nur das Inlandsvermögen der Erbschaftsteuer, sondern das sogenannte erweiterte Inlandsvermögen.
Darunter fallen alle Vermögenswerte, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d EStG wären, z.B. Bankguthaben bei Kreditinstituten im Inland oder Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland.
Bezüglich der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es eine erweitert unbeschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b ErbStG).
Diese bezieht sich auf deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre im Ausland aufgehalten haben und sieht vor, dass diese Personen unbeschränkt erbschaft- und schenkungssteuerpflichtig sind.
Die erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht findet nach § 4 Abs. 2 AStG keine Anwendung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass für die Teile des Erwerbs, die nach § 4 Abs. 1 AStG zusätzlich in die Steuerpflicht einbezogen sind, im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuergesetz entsprechende Steuer zu entrichten ist, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer beträgt.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Internationales Steuerrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-004-5.
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Carola Ritterbach
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
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