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Internationales Steuerrecht – Teil 22 – EU/EWR–Gesellschaft


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


4.5.3.2.3 EU/EWR-Gesellschaft (§ 8 Abs. 2 AStG)

Die Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG setzt voraus, dass die Zwischengesellschaft, an der ein unbeschränkt Steuerpflichtiger beteiligt ist, Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Europäischen-Wirtschaftsraums-Abkommens hat.
Darüber hinaus muss die Zwischengesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in dem EU/EWR-Staat nachgehen. Der Gesetzgeber sieht eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit als gegeben an, wenn eine Zwischengesellschaft am Wirtschaftsverkehr des EU/EWR-Staats teilnimmt. Indiz für eine solche Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ist eine unbefristete wirtschaftliche Tätigkeit in einer festen Einrichtung.

Daher sind nur solche Einkünfte der Zwischengesellschaft durch die Ausnahmeregelung begünstigt, die aufgrund einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit erzielt wurden (§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG).
Weitere Voraussetzung von § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG ist, dass zwischen der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats der Zwischengesellschaft und den deutschen Finanzbehörden aufgrund der Amtshilferichtlinie (Richtlinie 77/799/EWG) oder eines zwei- bzw. mehrseitigen Abkommens besteuerungsrelevante Informationen ausgetauscht werden.

Beispiel
Die A-AG aus Remscheid ist zu 90 % an der B-Ltd. aus Dublin (Ansässigkeit in einem EU-Staat) beteiligt. Die A-AG hat sich auf die Fertigung von Maschinen spezialisiert. Die B-Ltd. erzielt Zinseinkünfte und übernimmt darüber hinaus den Vertrieb der Maschinen in Irland (Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen beider Länder aufgrund der Amtshilferichtlinie). Zur Wahrnehmung ihrer Vertriebstätigkeit unterhält die B-Ltd. in Dublin ein repräsentatives Büro und hat 20 Mitarbeiter angestellt (tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit).

  • Die B-Ltd. fällt somit unter § 8 Abs. 2 AStG, da sie eine tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

4.5.3.3 Überschreiten der Freigrenze (§ 9 AStG)

Für Gesellschaften, die sowohl Einkünfte aus aktiver als auch aus passiver Tätigkeit erzielen, sieht § 9 AStG eine Bagatellgrenze vor.
Die Hinzurechnungsbesteuerung unterbleibt, wenn die passiven Erträge höchstens 10 % der gesamten Bruttoerträge der Gesellschaft betragen und die passiven Einkünfte einer Gesellschaft oder eines Steuerpflichtigen den Betrag von 80.000 EUR nicht übersteigen.
Ist ein Steuerpflichtiger an mehreren ausländischen Gesellschaften beteiligt, darf die Summe aller ihm zurechenbaren Hinzurechnungsbeträge die Grenze von 80.000 EUR ebenfalls nicht übersteigen.


Beispiel
Die unbeschränkt steuerpflichtigen A und B sind an der ausländischen C-GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. B hält außerdem eine Beteiligung in Höhe von 60 % an der ausländischen D-AG. Im Jahr 2011 erzielten die C-GmbH und die D-AG jeweils Zwischeneinkünfte in Höhe von 78.000 EUR. Die Zwischeneinkünfte betragen in beiden Gesellschaften jeweils weniger als 10 % der gesamten Bruttoerträge.

  • Gesellschaftsbezogen kommt die Hinzurechnungsbesteuerung nicht zur Anwendung, da die Zwischeneinkünfte in beiden Gesellschaften unter der absoluten Freigrenze von 80.000 EUR liegen und diese weniger als 10 % der Bruttoerträge ausmachen.
  • Gesellschafterbezogen müssen die Zwischeneinkünfte aller Beteiligungen beachtet werden.
  • A ist nur an der C-GmbH beteiligt. Auf ihn entfallen Zwischeneinkünfte in Höhe von 39.000 EUR. Demnach kommt die Hinzurechnungsbesteuerung bei ihm nicht zur Anwendung.
  • Auf B entfallen Zwischeneinkünfte der C-GmbH in Höhe von 39.000 EUR und Zwischeneinkünfte der D-AG in Höhe von 46.800 EUR. Demnach betragen die Zwischeneinkünfte, die auf seine Anteile entfallen, insgesamt 85.800 EUR. Die Freigrenze des § 9 AStG ist somit überschritten und die Hinzurechnungsbesteuerung kommt bei B zur Anwendung.

4.5.4 Rechtsfolgen

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 bis 9 AStG erfüllt, sind nach § 7 Abs. 1 AStG jedem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner die Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft entsprechend seiner Hinzurechnungsquote zuzurechnen.
Die Hinzurechnungsquote entspricht der unmittelbaren Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft, die auf den unbeschränkt Steuerpflichtigen entfällt.
Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen alle betroffenen unbeschränkt Steuerpflichtigen unabhängig von der Beteiligungshöhe.
Dem unbeschränkt Steuerpflichtigen können im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nur die Zwischeneinkünfte zugerechnet werden, die der ausländischen Gesellschaft nach Abzug der bereits von der Zwischengesellschaft entrichteten Steuer auf die Zwischeneinkünfte und auf das damit in Zusammenhang stehende Vermögen noch verbleiben. Dieser Betrag nennt sich Hinzurechnungsbetrag.
§ 10 Abs. 1 AStG regelt die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags. Der Hinzurechnungsbetrag wird dem inländischen Anteilseigner erst nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft zugerechnet. Dabei wird der Anteilseigner so gestellt, als hätte die ausländische Gesellschaft eine Gewinnausschüttung in Höhe des Hinzurechnungsbetrages vorgenommen.

4.5.5 Steueranrechnung (§ 12 AStG)

Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung sollen Steuervorteile, die durch Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften erzielt werden können, verhindert werden.
Durch eine Ausschüttungsfiktion muss der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner die auf ihn zurechenbaren Einkünfte der Zwischengesellschaft nach deutschem Steuerrecht versteuern.
Allerdings soll dem inländischen Beteiligten durch diese Regelung keine Mehrbelastung auferlegt werden. Deshalb werden bei der Hinzurechnungsbesteuerung die Steuern, die die ausländische Zwischengesellschaft bereits entrichtet hat, berücksichtigt.
Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner hat die Wahl, diese Steuern durch den in § 10 Abs. 1 AStG vorgesehenen Abzug bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages oder alternativ nach § 12 AStG durch die Anrechnung dieser Steuern auf seine Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Sind mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Zwischengesellschaft beteiligt, kann jeder von ihnen für sich entscheiden, ob er vom Steuerabzug oder der Steueranrechnung Gebrauch macht. Beim Steuerabzug wird der Hinzurechnungsbetrag um die Steuern gemindert, die zu Lasten der Zwischengesellschaft von ihren Einkünften und von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben wurden und bereits gezahlt wurden. Im Rahmen der Steueranrechnung wird der Hinzurechnungsbetrag durch die abziehbaren Steuern nicht gemindert. Es muss daher der Hinzurechnungsbetrag nach § 12 Abs. 1 Satz 2
AStG um die bereits abgezogenen Steuern erhöht werden. Die Steuern werden dann auf die Steuerschuld des Anteilseigners angerechnet.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Internationales Steuerrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-004-5.



Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de

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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung  des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.

Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema

  • Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
  • Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
  • Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
  • Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz


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