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Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht – Teil 18 – Vorweggenommene Erbfolge, Pflichtteilsergänzungsanspruch

3.6.2 Vorweggenommene Erbfolge

Zu Lebzeiten bietet sich bereits die Möglichkeit an, die Nachfolge in das Unternehmen oder in die unternehmerische Beteiligung zu regeln. Es bietet sich an, das Unternehmen oder die unternehmerische Beteiligung zu verkaufen oder schenkweise auf einen Nachfolger zu übertragen.

Ein solches Vorgehen hat zum Vorteil, dass Schwierigkeiten bei der Testamentsauslegung und das erbrechtliche Anfechtungsrisiko entfallen, da der Unternehmer seinen Willen bei Unstimmigkeiten nachträglich konkretisieren kann. Zudem kann der Unternehmer einen konkreten Nachfolger bestimmen, diesen Stück für Stück in das Unternehmen einführen und dessen unternehmerische Fähigkeiten und Entscheidungen beobachten.

3.6.2.1 Pflichtteilsergänzungsanspruch

Allerdings besteht die Gefahr, dass durch Verfügungen zu Lebzeiten der Nachlass gemindert und im Ergebnis ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgelöst wird. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird dann ausgelöst, wenn es sich um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handelt, das den Nachlass des Erblassers mindert (§ 2325 Abs. 1 BGB). Wird das Erbe durch eine solche lebzeitige Schenkung geschmälert, kann der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erben den Betrag verlangen, um den sein Pflichtteil erhöht worden wäre, wenn die lebzeitige Schenkung nicht vorgenommen worden wäre.

Damit schränkt das Pflichtteilsrecht nicht nur die Testierfreiheit des Erblassers, sondern auch die zu Lebzeiten bestehende Freiheit, Verträge zu schließen (Privatautonomie), ein.

Beispiel
Der unverheiratete Unternehmer U möchte sein Einzelunternehmen mit einem Wert von 1.000.000 EUR an seinen Sohn S übertragen. Seine Tochter T soll nicht an dem Unternehmen und an dem übrigen Erbe beteiligt werden. U schließt mit S einen notariellen Schenkungsvertrag und übereignet ihm das Einzelunternehmen. Kurz darauf verstirbt U. Sein Alleinerbe ist S, T ist enterbt. Der Nachlass besteht aus einer Immobilie im Wert von 500.000 EUR.

  • S und T würden nach gesetzlicher Erbfolge jeweils 1/2, also 250.000 EUR erben. Der Pflichtteil der T beträgt 1/4, also 125.000 EUR. Aufgrund der großzügigen Schenkung kann T aber zusätzlich noch den Wert verlangen, der ihrem Pflichtteil entsprochen hätte, wenn U das Unternehmen nicht lebzeitig an S verschenkt hätte. Dann hätte der Nachlass einen Wert von 1.500.000 EUR gehabt. T hätte davon 1/4, also 375.000 EUR. Die Wertdifferenz zum aktuellen Pflichtteil kann sie von S ersetzt verlangen.
    Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird nicht durch alle Schenkungen ausgelöst, die der Erblasser jemals zu Lebzeiten getätigt hat. Voraussetzung ist, dass die Schenkung innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall getätigt wurde. Im letzten Jahr vor dem Erbfall wird der Wert des verschenkten Gegenstandes in vollem Umfang auf die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil angerechnet. Innerhalb jedes weiteren Jahres werden jeweils 10 % des Wertes abgezogen (§ 2325 Abs. 3 BGB).

3.6.2.2 Entgeltliche Übertragung

Entscheidet sich der Unternehmer, das Unternehmen oder die unternehmerische Beteiligung zu verkaufen, also entgeltlich zu übertragen, greift der Pflichtteilsergänzungsanspruch grundsätzlich nicht ein. Grund dafür ist, dass es an der Unentgeltlichkeit der Zuwendung fehlt.

3.6.2.3 Teilweise Unentgeltlichkeit

Ausnahmsweise kann aber eine teilweise Unentgeltlichkeit und damit ein Pflichtteilsergänzungsanspruch angenommen werden, wenn ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt.(Fußnote) Dann wird das Rechtsgeschäft des Unternehmers mit dem Unternehmensnachfolger nicht mehr als reine unentgeltliche Schenkung beurteilt, sondern als gemischte Schenkung, die hinsichtlich des Schenkungsteils ergänzungspflichtig ist.(Fußnote) Insoweit muss der Pflichtteilsberechtigte, der sich auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch berufen möchte, aber Beweis für das grobe Missverhältnis zwischen den Vertragsleistungen des Unternehmers und des Nachfolgers erbringen.(Fußnote)

Beispiel
Unternehmer U möchte sein Einzelunternehmen im Wert von 1.000.000 EUR seinem Freund F verkaufen, um seinen Sohn S nicht am Unternehmen wertmäßig beteiligen zu müssen und das Unternehmervermögen vor Liquiditätsbelastungen durch S zu schützen. U und F vereinbaren für die kaufrechtliche Übertragung einen Preis von 100.000 EUR, den F an U entrichtet. Als U verstirbt, macht der enterbte S einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen F geltend.

  • Grundsätzlich sind Vertragspartner aufgrund der Privatautonomie in ihrer Entscheidung frei, den Wert der vertraglichen Leistung zu bestimmen. Ausnahmsweise kann sich aber objektiv ein grobes Missverhältnis ergeben, das eine Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten impliziert. Da F das Unternehmen zu einem Zehntel des objektiven Wertes erhalten hat, kann von einem auffälligen Missverhältnis ausgegangen werden, das den Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Thea Schenk-Busch, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-65-6.


 

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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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