Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 04 – Gebet
3.4.4 Arztbesuch
Ist der Arbeitnehmer keiner akuten Krankheit verfallen, muss er zunächst den Versuch unternehmen, den benötigten Arzttermin außerhalb seiner Arbeitszeit legen zu lassen. Lediglich, wenn der Arzt keine andere Möglichkeit hat, einen anderen Termin zu vergeben, muss der Arbeitgeber für die Zeit des Arzttermines finanziell aufkommen. Tarifverträge können allerdings modifizierte Ausführungen dahingehend vorsehen.
3.4.5 Beerdigung / Todesfall
Liegt der Grund der Freistellung in einem Todesfall, ergibt sich ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB, wobei es auch auf die sogenannte Nähe des Verstorbenen ankommt. Bei Ehepartnern, Eltern, Kindern oder Geschwistern werden üblicherweise zwei Tage Sonderurlaub gewährt. Schwieriger wird es bei entfernten Verwandte, wie Cousins zum Beispiel. Die Anzahl der bezahlten freigestellten Tage liegt natürlich im Ermessen des Arbeitgebers. Dass Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub besteht, ergibt sich aus § 616 BGB, da es sich hierbei um eine unverschuldete persönliche Verhinderung der Arbeitsleistung handelt. Lehnt der Arbeitgeber den begründeten Antrag auf bezahlten Sonderurlaub wegen eines Todesfalles eines nahen Angehörigen ab, steht dem Arbeitnehmer der Weg zum Gericht, also im Rahmen eines Klageverfahrens, offen.
3.4.6 Bewerbung
Wann der Arbeitgeber nach einer Kündigung den Arbeitnehmer freistellen muss, regelt § 626 BGB. Dieser legt fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, auf dessen Verlangen hin, eine angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Arbeitsverhältnisses gewähren muss. Entscheidend für den Zeitraum der begehrten Freistellung ist die Dauer des gekündigten Arbeitsverhältnisses. So ist es auch möglich, dass eine zeitlich kurze Freistellung von 3 bis 4 Stunden angemessen sein kann, wenn das Arbeitsverhältnis nur wenige Wochen gedauert hat (Fußnote). Hierbei muss nicht gleich ein vollständiger Arbeitstag in Anspruch genommen werden.
Beginn der Freistellung kann jedoch frühestens nach Eingang der Kündigung erfolgen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die Kündigung veranlasst hat. Auch die Gründe der Kündigung spielen keine Rolle. Ausnahme hierbei ist das Vorliegen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, denn hierbei endet das Arbeitsverhältnis sofort. DDer Anspruch auf Freistellung kann erst gar nicht entstehen.
3.4.7 Erkrankung von Angehörigen
Eine weitere persönliche Verhinderung im Rahmen der bezahlten Freistellung erfolgt bei der Erkrankung naher Angehöriger. Die Erkrankung des eigenen Kindes zum Beispiel ist im Arbeitsrecht einer der typischen Anwendungsfälle des § 616 S. 1 BGB. Allerdings ist § 616 BGB ein sogenanntes abdingbares Recht, was bedeutet, dass der Arbeitgeber hiervon abweichen kann, etwa durch Änderung oder vollständigen Ausschluss dessen im Arbeitsvertag. Ist § 616 BGB abbedungen, wurde seine Geltung als wirksam ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass dem Arbeitnehmer lediglich der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld im Rahmen des Sozialversicherungsrechtes bleibt. Hierbei hat der Arbeitgeber keine Kosten zu tragen, nur die Krankenversicherung des Arbeitnehmers.
Als naher Angehöriger erfasst, im Sinne des § 616 BGB, sind neben den Eheleuten/Lebenspartnern, auch Kinder, Eltern und Geschwister. Aber, ist eine anderweitige Versorgung, wie z.B. die stationäre Aufnahme des kranken Angehörigen in ein Krankenhaus, gewährleistet, scheidet ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus (Fußnote).
3.4.7 Gang zur Behörde / zum Gericht
Nicht unüblich ist es, dass man aufgrund einer Gerichtsangelegenheit als Zeuge geladen wird. Hierbei handelt es sich um eine staatsbürgerliche Pflicht, bei welcher man nicht über die zeitliche Lage des Termins persönlich entscheiden kann.
Liegen die behördlichen oder gerichtlichen Termine in der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers, hat dieser nur den Anspruch auf Freistellung durch ihm noch zustehenden Urlaub oder durch unbezahlten Urlaub, nicht jedoch auf Vergütungsfortzahlung (Fußnote).
Beispiele für Behörden- oder Gerichtstermine
- Führerscheinprüfung
- TÜV-Untersuchung
- ein vom Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber geführte Arbeitsgerichtsprozess
3.4.8 Gebet
Nach § 616 BGB kann es dem gläubigen Arbeitnehmer gestattet werden, sein Gebet zu verrichten.
Bedingung hierfür ist, dass dies von kurzweiliger Dauer und zudem zwingend notwendig ist, dies während der Arbeitszeit abzuleisten und nach Feierabend. Des Weiteren dürfen keine betrieblichen Störungen hierdurch verursacht werden (Fußnote). Daraus folgt aber auch, dass regelmäßig keine Freistellung bei Fortzahlung der Vergütung erfolgen kann, soweit es um die bloße Teilnahme an religiösen Festen oder Gebetszeiten geht. Ausnahme hiervon ist, dass in der entsprechenden Region nicht ohnehin für diesen Fall ein gesetzlicher Feiertag vorliegt.
3.4.9 Geburt eines Kindes
Für die Geburt des eigenen Kindes gilt für die Mutter die Sondervorschrift des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Das MuSchG hat als "lex specialis“ Vorrang vor dem § 616 BGB (vgl. hierzu Kapitel 4.1.2). Für den betreffenden Ehemann gilt dieses Familienereignis als persönlicher Hinderungsgrund im Sinne des § 616 BGB.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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