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Handelsvertreterausgleich – Teil 04 – Voraussetzungen

5. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs im Einzelnen

5.1 Formelle Anspruchsvoraussetzungen

5.1.1 Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses

5.1.1.1 Allgemeines

Wie zuvor dargestellt kann der Ausgleichsanspruch erst mit Vertragsbeendigung entstehen. Die Beendigung ist damit also die Grundvoraussetzung.

Das Vertragsverhältnis muss auf irgendeine Weise beendet worden sein. Entscheidend ist allein die rechtliche Vertragsbeendigung (Fußnote). Die rechtliche Beendigung ist zu unterscheiden von der "tatsächlichen", also rein faktischen, Beendigung des Vertrages. Die rechtliche Beendigung meint die bindende, rechtswirksame Beendigung des bestehenden Vertrages, wie dies beispielsweise bei einer Kündigung der Fall ist. Eine rein faktische Beendigung liegt vor, wenn das Vertragsverhältnis lediglich nicht mehr gelebt wird, beispielsweise wenn der Handelsvertreter seit Wochen seine Arbeit, aus welchem Grund auch immer, niedergelegt hat oder die Tankstelle aus anderen Gründen nicht mehr betrieben wird. Dies hat zunächst keine Auswirkung auf den rechtlichen Bestand des Vertragsverhältnisses. Lediglich durch eine rechtswirksame Erklärung wie die Kündigung kann das Vertragsverhältnis beendet werden.

Aus welchem Grund und durch wen der Vertrag beendet wurde, hat auf die formelle Voraussetzung der Vertragsbeendigung keinen Einfluss (Fußnote). Bedeutung kommt dem erst bei den Billigkeitserwägungen nach § 89 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB (siehe dazu Kap 5.2.8.2.7) und dem Anspruchsausschluss nach § 89b Abs. 3 HGB zu (siehe dazu Kap. 7.2 und 7.3) (Fußnote).

Die Beendigung während einer Probezeit begründet grundsätzlich den Ausgleichsanspruch (Fußnote).

5.1.1.2 Typische Beendigungstatbestände

Trotz der vielseitigen Möglichkeit der Beendigung des Handelsvertretervertrages existieren typische, häufig vorkommende Beendigungsmöglichkeiten, auf die im Folgenden genauer eingegangen wird.

5.1.1.2.1 Ordentliche und außerordentliche Kündigung

Dazu zählen vor allem die ordentliche und außerordentliche Kündigung des Vertrages. Wiederum ist zunächst irrelevant, wer gekündigt hat. Schon hier sei erwähnt, dass der Ausgleichsanspruch vollständig ausgeschlossen ist, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn es liegt ein berechtigter Grund nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB (ein berechtigter Grund kann z.B. ein Fehlverhalten des Unternehmers oder eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages aus der Sphäre des Handelsvertreters sein, siehe dazu Kapitel 7.2) vor oder der Unternehmer den Handelsvertretervertrag mit berechtigtem Grund nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB kündigt (wobei hier der berechtigte Grund meist in einem Fehlverhalten des Handelsvertreters liegt, siehe dazu Kapitel 7.3).

5.1.1.2.2 Änderungskündigung

Ein Ausgleichsanspruch besteht ebenso bei einer Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist die Kündigung eines bestehenden Vertrages mit dem Angebot, einen Neuvertrag mit geänderten Bedingungen abzuschließen. Die Ausgleichsberechnung basiert dabei regelmäßig auf der sogenannten „Differenzprovision“, also der Differenz zwischen der Provision aus dem Altvertrag und der regelmäßig niedrigeren Provision aus dem Neuvertrag (Fußnote).

Beispiel

Tankstellenpächter T wird von seinem Mineralölunternehmen eine Änderungskündigung angeboten. Bisher erhielt er durchschnittlich eine Jahresprovision von 100.000 €. Sein neuer Vertrag führt zu einer Provision in Höhe von 90.000 €. Hier steht T ein Ausgleichsanspruch zu. Jedoch ist die Berechnungsgrundlage für den Handelsvertreterausgleich nicht die ganze Provision in Höhe von 100.000€, sondern lediglich die Differenz von 10.000 €.

    • Bei der Änderungskündigung ist die Berechnungsgrundlage nicht die ursprüngliche Provision, sondern die Differenz zwischen der alten und der neuen Provisionssumme.

5.1.1.2.3 Zeitablauf oder auflösende Bedingung

Regelmäßig werden Handelsvertreterverträge durch Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung beendet.

Damit der Handelsvertretervertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt endet, wird ein befristeter Vertrag abgeschlossen. Trotz der zunächst vorliegenden rechtlichen Befristung werden sogenannte „Kettenverträge“ als unbefristet angesehen (Fußnote).

Beispiel

Handelsvertreter H schließt mit dem Unternehmen X einen befristeten Vertrag über ein Jahr ab. Im Vertrag wird festgehalten, dass nach Ablauf des Jahres ein Folgevertrag abzuschließen ist.

Dadurch wird der Vertrag faktisch unbefristet und auf zunächst unbestimmte Zeit geschlossen. Das Vertragsverhältnis endet erst dann, wenn kein weiterer Vertrag zustande kommt, es also zur „Durchbrechung der Kette“ kommt (Fußnote).

    • Kettenverträge sind keine „befristeten“ Verträge im rechtlichen Sinne.

Durch Vereinbarung einer auflösenden Bedingung kann das Vertreterverhältnis beendet werden. Der Vertrag endet dann automatisch, ohne dass es einer zusätzlichen Erklärung bedarf.

Beispiel

Handelsvertreter H und Unternehmen X schließen einen Handelsvertretervertrag ab. Es wird vereinbart, dass dieser mit Eintritt des 65. Geburtstages des H enden soll.

An diesem Tag hat X daher dem H gegenüber nichts zu erklären, es bedarf keines Grundes für die Beendigung. Ab seinem 65. Geburtstag kann H den Ausgleichsanspruch fordern und die Ausschlussfrist beginnt zu laufen.

    • Bei einer Befristung bedarf es zur Beendigung keiner gesonderten Beendigungserklärung.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
  • Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer

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