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Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 05 – Untersuchungshaft

3.4.10 Handwerkertermin

Im § 616 BGB werden lediglich Fälle der entgeltlichen Freistellung bei einer vorübergehenden Verhinderung erfasst. Es kommt aber im Alltag auch vor, dass andere Vorkommnisse eintreten, bei welchen dem Arbeitnehmer indirekt ein Verschulden angerechnet werden kann, mithin der § 616 BGB zunächst nicht greifen würde. Dies liegt zum Beispiel bei Terminen mit Handwerkern vor, die Reparaturarbeiten durchführen. Hier muss er Arbeitnehmer im Zweifelsfall für eine Vertretung sorgen, sei es auf Arbeit oder bei dem Termin zu Hause. Ein Reparaturtermin, der nicht existenzbedrohend ist (wie bei einem Hausbrand z.B.) muss es eine andere Möglichkeit geben.

Anders ist es allerdings bei einem sogenannten Notfall, wie einem Wasserrohrbruch oder eines Wohnungsbrandes. Hier muss sofort gehandelt werden, das Entgelt wird weitergezahlt.

3.4.11 Heirat

Als ein aus der persönlichen Sphäre eines Arbeitnehmers, im Rahmen des § 616 BGB, gilt auch die eigene Hochzeit. Als Leistungshindernis i.S.d. § 616 gilt, wenn die Anwesenheit des Dienstverpflichteten aus rechtlichen oder moralisch-sittlichen Gründen unverzichtbar ist. Bei der eigenen Hochzeit handelt es sich stets um ein besonders einmaliges Ereignis. Allein schon aus rechtlichen Gründen ist hier das das persönliche Leistungshindernis stets zu bejahen, da das persönliche Erscheinen vor dem Standesamt gesetzlich vorgeschrieben ist (höchstpersönlich).

Beispiel: Goldene Hochzeit der Eltern

    • Die Eltern von Arbeitnehmer Y feierten am 27.11.2019 Goldene Hochzeit. Arbeitgeber X-GmbH, bei welchem Y als Ingenieur angestellt ist, stellt ihn zwar für diesen Tag von der Arbeit frei, zahlt ihm jedoch keinen Lohn für diesen Tag, was Y bei Aushändigung seines Gehaltsnachweises mit Erschrecken feststellen musste.
    • Hier liegt der Fall ein wenig schwierig, da im Falle der Goldenen Hochzeit der Eltern eine gewöhnlich stark ausgeprägte sittliche Verpflichtung einerseits besteht, andererseits jedoch die Frage aufkommt, ob -nach Abwägung beiderseitiger Interessen- mit der sogenannten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Rahmen der bezahlten Freistellung, nicht der Bogen überspannt wird. Unterschieden wird teilweise bei familiären Ereignissen dahingehend, ob es sich um besondere Anlässe handelt, wo eine bezahlte Freistellung nach § 616 BGB in Betracht kommt. Krankheit, Geburt, eigene Hochzeit usw. fallen in der Regel unter § 616 Abs. 1 BGB. Familienfeiern allerdings sollen nach Ansicht einiger im Schrifttum grundsätzlich der privaten Lebensführung zugerechnet werden. Der Arbeitgeber sich würde bei Weiterzahlung des Gehalts unverhältnismäßig benachteiligen (Fußnote). Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 25. 10. 1973 (Fußnote) festgestellt, dass die Arbeitspflichterfüllung an sich höher zu bewerten ist, als die Teilnahme an einer familiären Feierlichkeit. Allerdings lässt es bei der Goldenen Hochzeit eine Ausnahme zu, da diese, aufgrund der Seltenheit, auch über den Familienkreis hinweg, erfahrungsgemäß eine hohe Bedeutung in der Gesellschaft findet. Den Kindern sollte deshalb aus der ethischen Verantwortung heraus, gestattet sein, an diesem Fest entgeltlich durch den Arbeitgeber teilnehmen zu können.

3.4.12 Naturereignis/ Widrige Wetterbedingungen

Hausbrand, Hochwasser, Massenstau nach Verkehrsunfall, Streiks - solche und viele weitere mögliche Ereignisse gelten als sogenannt objektive Leistungshindernisse, welches nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer beschränkt sind, sondern eine größere Personenanzahl betrifft (Fußnote). Diese objektiven Leistungshindernisse werden grundsätzlich nicht von § 616 BGB erfasst. Jedoch kann in speziellen Fällen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung entstehen, wenn der betroffene Arbeitnehmer zu ungewöhnlich Maßnahmen gezwungen ist, um dieses Leistungshindernis aufzuheben.

Beispiel: unverschuldeter Autounfall

    • Der Arbeitnehmer X ist mit seinem Privatfahrzeug auf dem Weg zur Arbeitsstelle unverschuldet in einen Unfall verwickelt worden. Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Wartepflicht gemäß § 142 StGB oder der Pflicht nach § 323c StGB, keine Hilfeleistung zu unterlassen, hat X gegenüber Arbeitgeber Y einen Anspruch auf Entgelt für den nicht geleisteten Dienst.

3.4.13 Umzug

Grundsätzlich ist der Umzug ein Hindernis privater Natur, wodurch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung hier entfällt. Es ist dem Arbeitnehmer zuzumuten, den Umzug auf einen arbeitsfreien Tag vorzunehmen. Lediglich, wenn sich aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung etwas anderes ergibt, das bedeutet, wenn hierfür deutliche Regelungen im beiderseitigen Einverständnis schriftlich getroffen worden sind.

Bei einem Umzug hat der Arbeitnehmer nur dann einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub mit Vergütung, wenn zwei Voraussetzungen dafür erfüllt sind:

    • Der Umzug ist betrieblich bedingt.
    • Der Umzug muss während der Arbeitszeit stattfinden.

3.4.14 Untersuchungshaft

Wird ein Arbeitnehmer aufgrund eines dringenden Tatverdachtes, welcher einen Haftgrund nach sich zieht, in Untersuchungshaft genommen, welchem er sich beugen muss, kann als öffentliche Pflicht, mithin als persönlicher Verhinderungsgrund, im Rahmen des § 616 BGB, gelten. Hierbei ist allerdings zu unterscheiden, ob der betreffende Arbeitnehmer dieses Leistungshindernis selbst verschuldet hat oder als Unschuldiger in Haft genommen worden ist, denn nur dann erfolgt eine Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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