Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 05 – Pflichtverletzung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
5.2.2 Erlöschen der Vertretungs- bzw. Verfügungsmacht
Die Vertretungs- bzw. Verfügungsmacht erlischt,
- wenn der Geschäftsführer abberufen wird,
- wenn er die Geschäftsführung wirksam niederlegt,
- im Insolvenzfall,
- wenn er die Verfügungsmacht verliert
- spätestens mit seinem Tod.
Jedoch bleiben, wie bereits erwähnt nach § 36 AO seine sich aus den §§ 34 und 35 AO ergebenden Pflichten weiterhin hinsichtlich des Zeitraums bestehen, in dem die Vertretungs- oder Verfügungsmacht bestanden hatte. Er muss allerdings nach dem Erlöschen seiner Vertretungs- oder Verfügungsmacht auch in der Lage sein, diese Pflichten rechtlich oder tatsächlich zu erfüllen.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich ein Geschäftsführer durch Niederlegung seines Amtes und Verzicht auf seine Vollmachten für die Abgabe von Steuererklärungen oder Zahlungen an das Finanzamt für die Zeit, in der er Geschäftsführer war, drücken kann. Die Pflichten entfallen lediglich für Steuern, die erst nach seinem Ausscheiden zu erklären bzw. anzumelden sind oder die noch nicht fällig sind. Der Geschäftsführer kann daher auch nach seinem Ausscheiden aus der GmbH für die Zeit, in der er Geschäftsführer war, in Haftung genommen werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Geschäftsführer auch dann haftet, wenn er krank ist, ja selbst dann, wenn er im Koma liegt. Denn er hat die Pflicht, für einen solchen Fall vorzusorgen und Aufgaben ggf. zu delegieren oder einen oder mehrere Vertreter zu bestimmen.
5.3 Pflichtverletzung
Voraussetzung für die Inanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers ist die Verletzung von steuerlichen Pflichten. Welche steuerlichen Pflichten den Geschäftsführer treffen, ergibt sich aus der Abgabenordnung (§ 34 AO) und ist in den Einzelsteuergesetzen geregelt.
Im Wesentlichen hat der Geschäftsführer folgende Pflichten:
- Steuererklärungs- und Berichtigungspflicht
- Zahlungspflicht
- Abführungs- und Einbehaltungspflicht
- Pflicht zur vorsorglichen Mittelverwaltung
- Sonstige steuerliche Pflichten
Für die steuerliche Haftung ist wichtig zu wissen, dass es sich um eine durch das Gesetz oder Steuergesetz auferlegte Pflicht handeln muss, damit der Geschäftsführer vom Finanzamt haftbar gemacht werden kann. Die Verletzung vertraglicher Pflichten fällt nicht unter die gesetzliche Haftung für Steuern.
5.3.1 Steuererklärungs- und Berichtigungspflicht
Den Erklärungs- und Berichtigungspflichten kommt eine große Bedeutung zu. Aus § 149 AO in Verbindung mit den jeweiligen Einzelsteuergesetzten folgt die Pflicht, sämtliche Steuererklärungen und Steueranmeldungen form- und fristgerecht beim Finanzamt einzureichen und diese zudem eigenhändig zu unterschreiben.
Folgende Jahressteuererklärungen sind regelmäßig für die GmbH einzureichen:
- Körperschaftssteuer-Jahreserklärung (§ 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 25 EStG, § 56 EStDV)
- Gewerbesteuer-Jahreserklärung (§ 25 GewStDV)
- Bei mehreren Betriebsstätten zusätzlich: Erklärung zur Festsetzung des einheitlichen Steuermessbetrags und zur Zerlegung (§ 14a GewStG)
- Umsatzsteuer-Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG)
Zusätzlich müssen gegebenenfalls folgende Steueranmeldungen eingereicht werden:
- Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG)
- Lohnsteueranmeldungen (§ 41a Abs. 1 EStG)
Neben der Steuererklärungspflicht trifft den GmbH-Geschäftsführer auch eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Stellt er also fest, dass in einer Steuererklärung falsche Angaben gemacht wurden, hat er dies umgehend dem Finanzamt zu melden. Diese Pflicht gilt auch für Steueranmeldungen, so dass fehlerhafte Anmeldungen auch zu korrigieren sind.
Beispiel
Aufgrund eines Versehens erklärt der Geschäftsführer G der X-GmbH in der Umsatzsteuervoranmeldung für März 2017 steuerpflichtige Umsätze von lediglich 30.000 EUR statt der tatsächlichen Umsätze von 300.000 EUR. Dieses Versehen bemerkt er Anfang Mai. Dennoch unternimmt er nichts.
- Aus § 153 AO folgt für G die Verpflichtung, die eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung für März 2017 unverzüglich zu korrigieren. Dieser ist er nicht nachgekommen, so dass eine Pflichtverletzung gegeben ist.
Die Erfüllung dieser Pflichten kann der GmbH-Geschäftsführer selbst vornehmen oder sich der Hilfe eines Dritten (z.B. Mitarbeiters oder Steuerberaters) bedienen. Bedient sich der Geschäftsführer Dritter, ist dennoch eine von diesem Dritten begangenen Pflichtverletzung grundsätzlich dem GmbH-Geschäftsführer zuzurechnen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn sich der GmbH Geschäftsführer exkulpieren kann (Fußnote), d.h. wenn er einen Entschuldigungsgrund vorlegen kann. In der Regel kann sich der Geschäftsführer exkulpieren, wenn er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat und der Fehler ohne sein Zutun entstanden ist. Dies gilt insbesondere, wenn er sich von einem Fachmann beraten lässt und diesen dabei in vollem Umfang über den Sachverhalt informiert.
Beispiel
Als Geschäftsführer der G-GmbH hat G die Erfüllung der steuerlichen Pflichten dem Steuerberater S übertragen. Infolge eines Grundstückskaufs hat G den Steuerberater vollumfänglich und zutreffend über die geplante Nutzung des Gebäudes informiert. Aufgrund dieser Informationen erstellt S ein Gutachten über die optimale umsatzsteuerliche Gestaltung. Auf Grundlage dieses Gutachtens wird die Umsatzsteuervoranmeldung durch S für den betreffenden Zeitraum erstellt und dem Finanzamt elektronisch übermittelt. Es kommt im Ergebnis zu einer zu hohen Umsatzsteuererstattung, da sich der Rat des Steuerberaters im Nachhinein als falsch herausstellt. Dass der Fehler in rechtlicher Hinsicht durch S verursacht wurde, kann dem Gutachten entnommen werden. Die GmbH ist mittlerweile insolvent.
- R kann sich exkulpieren. Ihn trifft an der fehlerhaften Erklärung insofern kein Verschulden, als er dem S den korrekten Sachverhalt dargelegt hat und ihm dabei alle entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt hat. Die fehlerhafte Rechtsauskunft des S muss sich R nicht anrechnen lassen.
Gibt der Geschäftsführer vor Fälligkeit einer Steuer vorsätzlich die jeweilige Steuererklärung nicht ab, um mögliche aussichtsreiche Vollstreckungs- oder Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamts zu vereiteln, so liegt darin ebenfalls eine Pflichtverletzung.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.
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Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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