Europäisches Erbrecht – Teil 06 – Rechtswahl durch Erblasser
6.2 Rechtswahl durch den Erblasser
6.2.1 Allgemeines
Möglich und äußerst sinnvoll ist eine Rechtswahl gem. Art. 22 I EuErbVO zugunsten des bevorzugten Staates. In Betracht kommt allerdings ausschließlich eine Rechtswahl zugunsten des Rechts des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder im Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Das Erbrecht eines Drittstaates kann nicht gewählt werden. Der Heimatstaat einer Person ist der Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie hat. Bei mehreren Staatsangehörigkeiten liegen mehrere Heimatstaaten vor. Jeder EU-Staat besitzt eigene Kriterien für die Erteilung der Staatsangehörigkeit. Die EuErbVO nimmt hier keine Vereinheitlichung vor, nach Erwägungsgrund 41 der EuErbVO wird die Staatsangehörigkeit vielmehr durch das innerstaatliche Recht erteilt. Die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts muss entweder zum Zeitpunkt der Rechtswahl (also bei Testamentserrichtung oder Abschluss des Erbvertrages) oder zum Zeitpunkt des Todes vorliegen. Hat der Erblasser irgendwann im Laufe seines Lebens die französische Staatsangehörigkeit besessen, diese aber später verloren und ist nun deutscher Staatsbürger und will als solcher eine Rechtswahl vornehmen, kann er nur das deutsche Recht wählen. Dadurch kann der Erblasser vor seinem Tode das anwendbare Recht wählen.
Vor allem sinnvoll ist die Rechtswahl für Personen, die des Öfteren umziehen und dabei auch Landesgrenzen überschreiten, also nicht absehen können, wo sie im Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben werden. Die Rechtswahl ermöglicht es dem Erblasser, die Aufteilung seines Nachlasses frühzeitig zu planen und nach einem ihm vertrauten Recht zu ordnen.
Die Wahl wird in einer Verfügung von Todes wegen festgehalten, also entweder in einem Testament oder in einem Erbvertrag. Nicht in der EuErbVO geregelt, aber anerkannt ist die konkludente Rechtswahl, also die nicht ausdrückliche Rechtswahl durch schlüssiges Handeln. Da es aber nicht abschließend geklärt ist, welche Voraussetzungen für diese vorliegen müssen, ist es zu raten, die Rechtswahl ausdrücklich zu formulieren. Ein Indikator, der im Testament auf eine konkludente Rechtswahl hinweisen könnte, wäre zum Beispiel, wenn der Erblasser auf ganz bestimmte Institute des deutschen Erbrechts hinweist. Auch auf eine konkludente Wahl des deutschen Rechts könnte es hindeuten, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keinerlei Auslandsbezug aufweist und erst viel später seinen Lebensmittelpunkt nach Italien verlagert, sein Testament aber nicht ändert. Falls der Erblasser grundsätzlich keine Verfügung von Todes wegen errichten möchte, aber dennoch eine Rechtswahl vornehmen möchte, kann er dies auch isoliert tun (Fußnote).
Außerdem kann der Erblasser keine Teilrechtswahl vornehmen, da diese eine Nachlassspaltung begünstigen würde, in der EuErbVO aber das Prinzip der Nachlasseinheit i.S.d. Art. 23 I EuErbVO gilt. Er kann also nicht verfügen, dass bezüglich seiner Eigentumswohnung in Italien italienisches Recht anwendbar ist, bezüglich seiner Bankkonten aber deutsches Recht. Formvorschriften über den Wortlaut der Rechtswahl existieren nicht, gewisse Stichworte sollten aber genannt werden, weshalb die im Folgenden genannte Musterformulierung als erster Anhaltspunkt dienen soll.
Es ist also, um Missverständnisse zu vermeiden, von Vorteil, jedenfalls die gewählte Rechtsordnung konkret zu benennen. Falls der Erblasser vorhersehen kann, dass er in der Zukunft eine andere Staatsangehörigkeit annehmen wird und er diese gerne wählen würde, kann die Formulierung auch folgendermaßen lauten: „Ich wähle das Recht meiner Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt meines Todes für meine Rechtsnachfolge von Todes wegen.“
Besitzt der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten, erhöhen sich so seine Auswahlmöglichkeiten und er kann das Recht seiner beiden Heimatstaaten oder das Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltes wählen. Möchte der Erblasser eine bereits getroffene Rechtswahl aufheben oder ändern, geschieht dies nach den gewöhnlichen innerstaatlichen Regeln über die Änderung von Verfügungen von Todes wegen.
Beispiel:
Der italienische Staatsangehöriger Herr Eco hat nach dem Abitur in Neapel den Drang, sich in der nahen Ferne einen Studienplatz zu suchen und so absolviert er sein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Heidelberg. Nach dem Studium findet er auch alsbald eine Anstellung, so dass er in Heidelberg bleibt. Jahre später erhält er schließlich die lang ersehnte deutsche Staatsbürgerschaft. Als er sein Testament, immer noch in Heidelberg wohnend aufsetzt, wählt in diesem die Anwendung des deutschen Rechts. Ein paar Jahre vor seinem Tod entscheidet er sich, wieder in seine alte Heimat Italien zurückzukehren, die er aus Nostalgie und Sentimentalität in alten Jahren nun doch etwas vermisst. Ein paar Jahre nachdem er in Neapel sein Elternhaus wieder bezogen hat, stirbt Herr Eco unvermutet an unbekannter Ursache. Welches Recht wird angewendet?
- Wegen der Rechtswahl wird sein Nachlass nach deutschem Recht vererbt, selbst wenn er in Deutschland keinerlei Vermögen mehr besitzt. Deshalb lohnt es sich, ein einmal gemachtes Testament stets im Auge zu behalten und es gegebenenfalls zu ändern, was im vorliegenden Fall Sinn ergeben hätte.
Außerdem möglich ist eine so genannte bedingte oder befristete Rechtswahl. Hier kann beispielsweise festgelegt werden, dass für die Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht angewendet werden soll, falls der Erblasser bis zum Zeitpunkt des Todes die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Einführung ins europäische Erbrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-015-1.
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart
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