Handelsvertreterausgleich – Teil 06 – Betriebseinstellung
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
5.1.1.3.2 Betriebseinstellung von Handelsvertreter oder Unternehmen
Weder die Betriebseinstellung des Handelsvertreters, noch des Unternehmens (Fußnote beendet das Handelsvertreterverhältnis (Fußnote). Zur Beendigung bedarf es der Kündigung oder der einvernehmlichen Aufhebung.
Die Betriebseinstellung des Handelsvertreters führt nicht automatisch zum Wegfall von Provisionsverlusten und damit nicht zum Wegfall des Ausgleichsanspruchs (Fußnote). Dagegen können bei der Betriebseinstellung durch den Unternehmer dessen künftige Vorteile (Fußnote).
5.1.1.3.3 Betriebsveräußerung und Fusion
5.1.1.3.3.1 Betriebsveräußerung
Wird ein Teilbetrieb durch den Unternehmer im Wege eines Asset Deals (Transferierung einzelner Wirtschaftsgüter) veräußert, berührt dies den Handelsvertretervertag zunächst nicht (Fußnote Der Unternehmer muss den Vertrag also kündigen.
Wurde wirksam gekündigt, stellt sich die Frage nach den (künftigen) Vorteilen des veräußernden Unternehmens. Diese können in der Erzielung eines höheren Veräußerungserlöses liegen (Fußnote).
Der Handelsvertretervertag muss bei der Betriebsveräußerung jedoch nicht beendet werden. Durch Vereinbarung mit dem veräußernden und erwerbenden Unternehmen kann der Vertreter die Fortsetzung des Vertrages vereinbaren. Dann besteht kein Ausgleichsanspruch.
Wird das fortgesetzte Vertragsverhältnis später beendet, muss der erwerbende Unternehmer die für den alten Unternehmer geschaffenen Geschäftsverbindung bei der Berechnung der Unternehmervorteile gegen sich gelten lassen (Fußnote).
Beispiel
Die Mineralölaktiengesellschaft A hat einige Tochterunternehmen, darunter einen für den Tankstellenbereich zuständigen Teilbetrieb. Diesen will sie an das Unternehmen U veräußern. Es kommt zu einem Asset Deal. Bei dieser Form des Unternehmenskaufs werden die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmen(steils) übertragen, nicht die Gesellschaftsanteile. Wird ein Vermögenswert nicht explizit erwähnt, geht er nicht über. Arbeitsverhältnisse (hier: des Teilbetriebs) hingegen gehen gemäß § 613a BGB allesamt auf das neue Unternehmen über. Da Verträge mit Tankstellenpächtern in aller Regel keine Arbeitsverträge sind, werden sie von § 613a BGB nicht erfasst. Daher geht das Vertragsverhältnis nur über, wenn dies zwischen den Parteien (Unternehmen und Tankstellenpächtern) vereinbart wurde.
- Im Rahmen eines Asset Deals müssen die Verträge mit den Tankstellenpächtern explizit übertragen werden, ansonsten bleibt das übertragende Unternehmen Vertragspartei.
5.1.1.3.3.2 Fusion
Eine Fusion liegt vor, wenn zwei rechtlich unabhängige Unternehmen sich so zusammenschließen, dass entweder das andere übertragen wird (und damit rechtlich nicht mehr existiert) oder ein neues Unternehmen gegründet wird (und beide Unternehmen ihre rechtliche Existenz aufgeben).
Es gilt dabei grundsätzlich das zur Betriebsveräußerung (Fußnote) Gesagte. Der bestehende Vertretervertrag geht nicht automatisch über, sondern nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung (Fußnote).
Es existiert jedoch eine Ausnahme: Fusionieren zwei Aktiengesellschaften, gehen die Handelsvertreterverträge automatisch auf das übernehmende (§ 339 Abs. 1 Nr. 1 Aktiengesetz) bzw. auf das neugegründete (§ 339 Abs. 1 Nr. 2 AktG) Unternehmen über, ohne dass es einer vertraglichen Vereinbarung bedarf (Fußnote).
Beispiel
Die kleinen Mineralölgesellschaften M und N wollen an Marktmacht gewinnen und sich zusammenschließen. Sie wollen daher die M&N Mineralölgesellschaft mbH gründen und ihre bisherige rechtliche Eigenständigkeit aufgeben. Die Verträge der einzelnen Tankstellenpächter gehen nicht automatisch über, sondern müssen neu mit der M&N Mineralölgesellschaft geschlossen werden oder es muss eine Übernahmevereinbarung geschlossen werden.
- Mit Ausnahme von Fusionen zweier Aktiengesellschaften gehen die Verträge beim Zusammenschluss zweier Unternehmen nicht automatisch auf das neu gegründete Unternehmen über, sondern es muss eine Übernahmevereinbarung oder ein neuer Vertrag mit dem neuen Unternehmen abgeschlossen werden. Das Sonderkündigungsrecht des Unternehmens aufgrund des Unternehmensverkaufs schließt einen Handelsvertreteranspruch des Tankstellenpächters nicht aus, da die Vorteile auf das neue Unternehmen übergehen und damit in den Kaufpreis zugunsten des bisherigen Unternehmens einfließen.
5.1.1.3.3.3 Teilbeendigung
Eine Teilbeendigung bezweckt regelmäßig die einseitige Veränderung eines Vertrages gegen den Willen des Vertragspartners (Fußnote). Der Kündigende bezweckt dabei die Aufrechterhaltung des Vertrages unter Änderung einzelner Teile zu seinem Vorteil. Wird durch eine Teilbeendigung der Handelsvertretervertrag wesentlich geändert, entsteht ein Ausgleichsanspruch (Fußnote).
Da die Teilbeendigung jedoch eine einseitige Vertragsänderung darstellen würde, ist sie nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig (Fußnote).
Eine Teilbeendigung ist nur zulässig, wenn sich der Unternehmer dies vertraglich vorbehalten hat, was mitunter nur einzelvertraglich möglich ist (Fußnote) und daher gesondert mit jedem Handelsvertreter zu vereinbaren ist.
In der Regel bleibt es mangels Individualvereinbarung bei der Unwirksamkeit.
Beispiel
Mineralölgesellschaft M findet, ihre Tankstellenbetreiber hätten zu gute Verträge, vor allem die Provisionen seien zu hoch. Daher kürzt sie die Provisionsbeträge um 30% und ändert die meisten Klauseln zu ihrem Vorteil. Im Vertrag wurde eine solche Einschränkungsmöglichkeit zuvor nicht vereinbart. Tankstellenbetreiber T erhält daher nur noch 70.000 € Provision anstatt der vorherigen 100.000 €. Bei der Entscheidung hatte er kein Mitspracherecht, ob er den neuen Vertrag unter diesen Bedingungen annehmen würde. Er möchte seine bisherigen Konditionen eigentlich beibehalten.
Nach ständiger Rechtsprechung sind einseitige Teiländerung in dieser Form unwirksam, die alten Konditionen bestehen daher weiter. Behält sich das Unternehmen von Anfang an einseitige Vertragsänderungen ausdrücklich individualvertraglich vor, sind einseitige Änderungen möglich, allerdings sind diese nur in angemessenem Rahmen zulässig. M könnte mit individualvertraglichem Vorbehalt daher angemessene Änderungen vornehmen. (Fußnote)
- Einseitige (und wesentliche) Vertragsänderungen sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig, wodurch der Vertretervertrag nicht beendet wird und zu den alten Konditionen fortgeführt wird. Wenn individualvertraglich von Anfang an eine Änderungsmöglichkeit vorbehalten wurde, sind einseitige Änderungen im angemessenen Rahmen ausnahmsweise möglich.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:
- "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
- "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
- "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
- "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
- Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
- Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
- Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer
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