Logo Brennecke & FASP Group

Werbeanlagen – Teil 07 – Unbeplanter Innenbereich

3.2.1.1.13.2 § 31 Abs. 2 BauGB

Als weitere Möglichkeit, trotz genereller Unzulässigkeit doch eine Genehmigung zu bekommen, steht noch die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB im Raum. Hier findet sich dann keine Ausnahme im Bebauungsplan. Durch diese soll sichergestellt werden, dass es auch möglich ist vom Bebauungsplan abzuweichen, wenn dessen Einhaltung nicht sinnvoll ist.

Die Genehmigung kann dann erteilt werden, wenn die Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern (Nr.1), die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr.2), oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer unbeabsichtigten Härte führen würde (Nr.3) und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarrechtlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Übertragen auf Werbeanlagen wird schnell klar, dass die Voraussetzungen nur sehr schwer vorliegen dürften. Am ehesten kommt wohl die städtebauliche Vertretbarkeit in Betracht. Jedoch besteht für denjenigen, der um eine Befreiung ersucht, kein Anspruch darauf. Die Vorschrift stellt eine Ermessensvorschrift dar. Die zuständige Behörde kann also selbst entscheiden, ob sie die Voraussetzungen für eine Befreiung für gegeben hält. Nur ganz vereinzelt ergibt sich, aufgrund von Ermessensreduzierung auf Null, ein gebundener Anspruch. Dazu muss die Behörde aber einen Bauantrag fälschlicherweise abgelehnt haben und aufgrund von Bebauungsplanänderungen ist es nun nichtmehr möglich, ein solches Vorhaben umzusetzen, was davor eigentlich zulässig gewesen wäre.

Beispiel 2:

Gleicher Sachverhalt wie bei Beispiel 1, nur befindet sich im Bebauungsplan keine Ausnahmegenehmigung für entsprechende Werbeanlagen im allgemeinen Wohngebiet. Allerdings ist die geplante Reklametafel relativ unauffällig und nicht weiter störend.

    • Hier ist die Werbeanlage grundsätzlich unzulässig. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 1 BauGB kommt aufgrund fehlender Vorschrift im Bebauungsplan nicht in Betracht. Hier besteht einzig die Möglichkeit, dass die Genehmigung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB erteilt werden könnte, weil die Ausnahme städtebaulich vertretbar und mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Dafür würde sprechen, dass die geplante Reklametafel relativ unauffällig und nicht weiter störend ist. Allerdings liegt die Entscheidung allein im Ermessen der zuständigen Behörde. U hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung.

Beispiel 3:

Der Unternehmer U will für seinen Gewebebetrieb eine Werbetafel in der Gemeinde G aufstellen. Diese soll in einem Neubaugebiet errichtet werden, welches als Mischgebiet ausgezeichnet ist. Der Antrag wird ohne nähere Begründung abgelehnt. U geht hiergegen gerichtlich vor. Aufgrund von zwischenzeitlicher Bebauungsplanänderung ist das Gebiet nun als allgemeines Wohngebiet ausgezeichnet.

    • In einem solchen Fall könnte der U einen gebundenen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung haben. Grundsätzlich wäre in einem Mischgebiet die Werbeanlage problemlos zulässig gewesen. Durch die Verzögerung und die Zurückweisung des Genehmigungsgesuches ist die Werbeanlage nur ausnahmsweise zulässig. Aufgrund des § 31 Abs. 2 BauGB kommt hier aber ein gebundener Anspruch auf Genehmigungserteilung wegen einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht.

3.2.1.2 Unbeplanter Innenbereich

Es kommt aber auch in Betracht, dass für ein Gebiet kein Bebauungsplan vorliegt oder dieser inhaltlich nicht bestimmt genug ist. Man spricht in solchen Fällen dann von einem einfachen Bebauungsplan. In beiden Fällen richtet sich die Zulässigkeit von baulichen Anlagen nach den § 30 Abs. 3 i.V.m §§ 33,34 BauGB.

3.2.1.2.1 § 34 Abs. 1 BauGB

Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile dann zulässig wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Das ausschlaggebende Kriterium hierfür ist das Sich Einfügen. Eine bauliche Anlage fügt sich dann in seine nähere Umgebung ein, wenn sie sich in jeder Hinsicht innerhalb der ihr durch die Umgebung gesteckten Grenzen hält. Sogar wenn dies nicht der Fall ist kann sich eine Anlage einfügen, wenn sie keine Spannungen hervorruft.

Speziell für Werbeanlagen bedeutet dies, dass die Werbeanlage nicht aus der Umgebung hervorstechen darf. Sie darf kein Fremdkörper in ihrer näheren Umgebung bilden. In dieser Variante gilt das sowohl für Werbeanlagen als selbständige Hauptanlagen, sowie für Werbeanlagen als untergeordnete Nebenanlagen. Die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB erfolgt ohne die Baugebiete aus der BauNVO.

Weitere Voraussetzung des § 34 Abs. 1 BauGB ist, dass es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt. Eine zusammenhängende Bebauung ist gegeben, wenn es eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung gibt. Dabei sind einzelne Baulücken unbeachtlich, sofern ein Eindruck der Geschlossenheit besteht. Das Gebiet muss nach Anzahl der vorhandenen Bebauung und Gebäuden ein gewisses städtebauliches Gewicht haben. Der Außenbereich beginnt unmittelbar nach dem letzten im Zusammenhang bebauten Grundstück.

Beispiel:

Der Unternehmer U will eine großflächige Werbetafel errichten. Dabei liegt, für das von ihm vorgesehene Zielgebiet, kein Bebauungsplan vor. Es befindet sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles. Das Gebiet ist geprägt durch größere und kleinere Einzelhandelsbetriebe und entspricht nicht einem Gebiet nach der BauNVO. Es sind bereits einige Werbetafeln vorhanden. Zulässigkeit?

    • Für das Gebiet ist kein Bebauungsplan vorhanden, sodass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 30 BauGB beurteilt. Vielmehr liegt das Zielgebiet innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Daher ist § 34 BauGB anwendbar. Nach § 34 Abs. 1 BauGB muss sich die Anlage in die nähere Umgebung einfügen. Dadurch, dass das Gebiet geprägt ist von größeren und kleineren Einzelhandelsbetrieben und es schon Werbetafeln in diesem Gebiet gibt, hält sich eine weitere Werbetafel innerhalb der Grenzen, die durch die Umgebung gesteckt werden. Sie fügt sich also ein. Das Vorhaben des U ist in diesem Gebiet nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig.

Beispiel 2:

Der Unternehmer U plant eine großflächige Werbetafel aufzustellen. Er betreibt einen Gewerbebetrieb in der Stadt S. Als Zielgebiet hat er einen kleinen Vorort der Stadt S ausgemacht, damit potentielle Kunden frühzeitig informiert werden können. Für den Ortsteil liegt kein Bebauungsplan vor. Es befinden sich dort nur 7 Häuser, die teils zu Wohnzwecken und teils zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden. Liegt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vor?

    • Entscheidend ist, ob der Eindruck der Geschlossenheit entstehen kann und ein gewisses städtebauliches Gewicht gegeben ist. Hier ist zu beachten, dass lediglich eine kleine Anzahl an Häusern in dem betroffenen Gebiet liegt. Somit ist es schwer, von einem städtebaulichen Gewicht des Ortsteils zu sprechen. Das hat auch der VGH Mannheim so gesehen. Somit liegt hier kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vor. Die Schwelle, ab derer man von einem solchen Gewicht ausgehen kann, liegt nach Rechtsprechung bei zehn bis zwölf Gebäuden, wobei immer der Einzelfall entscheidend ist da diese Werte lediglich grobe Richtlinien darstellen.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Zulässigkeit von Werbeanlagen“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2016, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-006-9.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosVerwaltungsrecht