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Europäisches Erbrecht – Teil 09 – Zuständigkeit

7. Internationale gerichtliche Zuständigkeit

7.1 Generelle Regelung

Für die Erben ist es von großer Bedeutung herauszufinden, welches Gericht (oder welche sonstige Stelle, wie beispielsweise ein Notar) in der Erbsache zuständig ist. Gem. Art. 4 EuErbVO sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, also das Gericht, das auch in der gesamten Erbsache zuständig ist. Die Regelung erinnert an Art. 21 I EuErbVO, demgemäß die Erbsache selbst auch dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Würden die beiden Normen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, entstünde das seltsame Ergebnis, dass beispielsweise ein italienisches Gericht nach deutschem Recht entscheiden müsste, so dass es Sinn ergibt, dass beide Normen auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellen.

7.2 Gerichtliche Zuständigkeit beim Tod eines Ehegatten

Stirbt ein Ehegatte eines Ehepaares mit Auslandsbezug wird zunächst nach den Regeln der EuErbVO, wie oben gezeigt, ermittelt, welches Gericht in der Sache zuständig ist. In einem solchen Fall stellen sich aber nicht nur erbrechtliche Fragestellungen, sondern auch güterrechtliche. Um hier eine EU- weite Angleichung und Vereinheitlichung vorzunehmen, hat der Rat der EU die Europäische Verordnung im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands von 24.6.2016 erlassen. Diese hat ähnliche Wirkungsweisen wie die EuErbVO, allerdings auf dem Gebiet des ehelichen Güterrechts. Aus Art. 4 der Verordnung geht hervor, dass im Falle des Todes einer der Ehegatten das nach der EuErbVO zuständige Gericht auch für güterrechtliche Fragestellungen zuständig ist.

7.3 Gerichtsstandsvereinbarung

Falls allerdings als letzter gewöhnlicher Aufenthalt eines deutschen Staatsangehörigen Frankreich ermittelt wird, seine Erben aber allesamt in der BRD lebende deutsche Staatsangehörige sind, erscheint es sinnvoll, diesen eine Möglichkeit zu geben, das Verfahren nach Deutschland zu holen. Dies ist über eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 5 I EuErbVO möglich. Allerdings würde dies vorliegend bedeuten, dass gem. Art. 21 I EuErbVO die Erbsache französischem Recht unterliegt, wegen der Gerichtsstandsvereinbarung aber ein deutsches Gericht für die Beurteilung zuständig wäre. Um dies zu vermeiden, ist die Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, falls der Erblasser vorher per Testament oder Erbvertrag eine Rechtswahl gem. Art. 22 I EuErbVO zugunsten deutschen Rechts getroffen hat. Dann wäre nämlich wegen der Rechtswahl das deutsche Recht anzuwenden und wegen der Gerichtsstandsvereinbarung wären auch deutsche Gerichte zuständig.

8.Verfügungen von Todes wegen

Die Verfügung von Todes wegen ist eine Erklärung einer oder von mehreren natürlichen Personen über ihren Sterbefall. Praktische Auswirkungen hat die Verfügung also erst, wenn der Sterbefall auch tatsächlich eingetreten ist. Das Testament als einseitige Erklärung, das gemeinschaftliche Testament und der Erbvertrag als zweiseitiger Vertrag fallen im deutschen Recht unter den Begriff. Es ist zu beachten, dass jeder EU-Mitgliedstaat zwar ähnliche Vorstellungen von den Begriffen hat, die aber nicht immer vollständig deckungsgleich sind. So versteht das französische Recht den Begriff des Testaments ähnlich wie das deutsche, es liegen aber minimale Unterschiede vor. Deswegen umfasst der Begriff des Testaments auf unionsebene mehr als der deutsche Begriff, da er versucht, die verschiedenen Rechtsordnungen miteinander zu vereinen. Zum Beispiel auch erfasst wird das „Kodizill“, das dem österreichischen Recht entstammt (§ 553 öst. ABGB aF). Wenn die EuErbVO also den Begriff „Verfügung von Todes wegen“ verwendet, sind alle Verfügungen gemeint, die sich im sachlichen Anwendungsbereich des Art. 1 EuErbVO befinden (z.B. würde eine Verfügung über eine Vormundschaft oder Betreuung nicht als Verfügung von Todes wegen im Sinne der EuErbVO gelten.).

8.1 Das Testament

8.1.1 Allgemeines

Ein Testament ist eine Regelung für den Todesfall. Falls kein Testament errichtet wurde, findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung. Es gibt kein allgemeines europäisches Testament. Das Testament eines deutschen Staatsbürgers wird also auch in Fällen, in denen Vermögen in mehreren EU-Staaten vorhanden ist, nach den Regeln des BGB errichtet (Damit die Erbfolge auch im Ausland anerkannt wird, ist es aber möglich, ein europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen, auf das weiter unten noch eingegangen wird). Nicht in jedem Fall ist es nötig, ein Testament zu errichten. Manchmal kann dies auch schlicht überflüssig sein.

Falls kein Testament errichtet oder Erbvertrag abgeschlossen wird, tritt im Todesfall die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Dies bedeutet, dass dann eben nicht individuell bestimmt wurde, wer welchen Erbteil erhält, sondern der Nachlass nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln aufgeteilt wird, die in jedem Staat unterschiedlich sind. Ist ein Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit nach anwaltlicher Beratung mit der deutschen gesetzlichen Erbfolge zufrieden, braucht es grundsätzlich keine gesonderte testamentarische Verfügung. Wenn der Erblasser aber später ins europäische Ausland umzieht, würde gem. Art. 21 I EuErbVO das Recht desjenigen Staates angewendet werden, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Damit könnte eine dem Erblasser völlig fremde Erbrechtsordnung Anwendung finden, die zu unerwünschten Ergebnissen führen könnte, wie zum Beispiel einer anderen Erbfolge. In manchen Erbrechtsvorschriften europäischer Staaten erhält zum Beispiel der überlebende Ehegatte einen Großteil des Nachlasses, in anderen hingegen geht dieser an Nachkömmlinge und der Ehegatte erhält einen wesentlich kleineren Teil. In dieser Konstellation würde es Sinn ergeben, ein Testament zu errichten und in diesem die Anwendung deutschen Rechts zu wählen. Es ist außerdem zu beachten, dass vor In-Kraft-Treten der EuErbVO am 17.8.2015 errichtete Testamente weiterhin gültig sind, soweit sie den erbrechtlichen Regelungen in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers nicht widersprechen, was normalerweise nicht der Fall ist. Besonderheiten können sich aber beim Berliner Testament ergeben.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Einführung ins europäische Erbrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-015-1.


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

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Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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