Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 09 – Betriebsrat
4.4 Betriebsrat §§ 37, 65 BetrVG
Interessant und wichtig für viele Arbeitgeber sind die verschiedenen Freistellungsgründe, wenn einer vorhanden ist. Grundsätzlich hat ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung. Neben der vorrübergehenden Arbeitsbefreiung, oder auch Teilfreistellung (§ 37 Abs. 2 BetrVG), gibt es auch die sogenannte vollständige Befreiung, gemäß § 38 BetrVG. Diese gilt es, anhand der Art der Betriebsratsaufgabe, zu unterscheiden.
4.4.1 Arten der Freistellungen
Neben der Freistellung gibt es im Betriebsverfassungsgesetz ebenso den Begriff der Arbeitsbefreiung. Betriebsratsmitglieder, die nicht freigestellt werden, sind zur Durchführung ihrer Betriebsratstätigkeiten zeitweise von der Arbeit befreit. Der Begriff Freistellung bildet einen Spezialfall der Arbeitsbefreiung.
4.4.2 Arbeitsbefreiung von Betriebsratsmitgliedern
Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sind die Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit dies nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben als Betriebsrat erforderlich ist. Von der Gesetzesformulierung her könnte die Arbeitsbefreiung von einem Gestaltungsakt des Arbeitgebers abhängig sein (Fußnote). Jedoch würde dies dem Unabhängigkeitsstatus des Betriebsratsmitgliedes entgegenstehen, wenn die Aufgabenerfüllung des Betriebsratsmitgliedes an den Willen des Arbeitgebers gebunden sein würde. Nach dem Bundesarbeitsgericht (Fußnote) muss sich das betreffende Betriebsratsmitglied, vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes, lediglich angemessen ab- und wieder zurückmelden. Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit ist dem Arbeitgeber mitzuteilen. Die Abmeldepflicht, also die Verpflichtung, sich vor Beginn der Betriebsratstätigkeit beim Arbeitgeber abzumelden, ergibt sich nicht nur aus der Betriebsverfassung, sondern ist aus den allgemeinen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu entnehmen. Ein Verstoß hiergehen kann zu einer Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsmitglied führen.
Beispiele von Gründen für Arbeitsbefreiungen
- Besprechungen mit den Betriebsärzten und Sicherheitsbeauftragten,
- Betriebsrats- und Ausschusssitzungen,
- Sprechstunden des Betriebsrats,
- als Beteiligter in einem Beschlussverfahren oder einer Einigungsstelle
4.4.3 Freistellung von Betriebsratsmitgliedern
Die gesetzliche Regelung der Freistellung von Betriebsräten findet sich in § 38 I 1 BetrVG wieder. Diese vollständige Freistellung stellt einen Spezialfall der Arbeitsbefreiung dar. Hiernach ist ab einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten in einem Betrieb oder einer Dienststelle eine bestimmte Anzahl von Betriebsratsmitgliedern von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Vollständige Freistellungsansprüche für die einzelnen Betriebsratsmitglieder entstehen ab einer Betriebsgröße von 200 Arbeitnehmern. Diese sind für die Dauer der Amtszeit lediglich als Betriebsrat tätig und vollständig von ihrer vertraglichen Arbeitspflicht befreit. Der Unterschied zwischen Arbeitsbefreiung und Freistellung von Betriebsratsmitgliedern liegt demnach darin, dass Betriebsratsmitglieder, die aufgrund der der Grenze von 200 Arbeitnehmern, nicht grundsätzlich von der Arbeit freigestellt sind, müssen, zur Erledigung ihrer Betriebsratstätigkeiten, vorübergehend von der Arbeit befreit werden.
Neben dieser sogenannten Vollfreistellung, gibt es auch die Teilfreistellung. Sie gilt für diejenigen gilt, die beispielsweise eine stundenweise Freistellung an bestimmten Tagen erhalten, um ihre Betriebsratstätigkeiten zu erledigen.
Hinweis:
- Ein Betriebsratsmitglied ist vorrangig Arbeitnehmer des Betriebes. Hieraus ergeben sich seine arbeitsvertraglichen Aufgaben, welchen er verpflichtet ist, nachzukommen. Auf der anderen Seite aber, genießt die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben Priorität vor der arbeitsvertraglichen Verpflichtung.
4.4.4 Allgemeine Voraussetzungen der Freistellung
Grundsätzlich muss die Freistellung zwecks einer ordnungsgemäßen Erledigung der Betriebsratsaufgaben erforderlich sein. Das Betriebsratsmitglied muss ausschließlich Betriebsratsaufgaben durchführen. Solche Erforderlichkeiten der Aufgaben ergeben sich vor allem aus dem § 80 BetrVG, aber auch aus einer Vielzahl anderer Gesetze, welche z.B. dem Arbeitsschutz, der Arbeitssicherheit oder den Kündigungsschutz dienen.
Solche Betriebsaufgaben können zum Beispiel sein:
- Betriebsratssitzungen, Betriebsversammlungen
- Entgegennahme von Anregungen und Beschwerde
- Mitgestaltung von Arbeitsbedingungen
- Aufgaben des Betriebsrats im Zusammenhang mit Personalmaßnahmen
- Begleitung von Arbeitnehmern
4.4.5 Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder
Hinsichtlich der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder liegt immer noch Uneinigkeit vor. Das Bundesarbeitsgericht hält an einer strengen Linie im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbotes bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit fest, §§ §§ 37 II – IV, 78 S. 2 BetrVG. Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Die Betriebsratsarbeit als solche wird nicht vergütet. Die Betriebsratsmitglieder sollen ihr Amt unparteiisch und sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirkung autonom ausüben können (Fußnote).
Konsequenz:
- Nach § 37 II BetrVG, welcher neben § 38 I BetrVG gilt, sagt aus, dass Betriebsratsmitglieder unter Fortzahlung der Vergütung von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit sind. Sie werden mithin nach dem Entgeltausfallprinzip vergütet. Dieses besagt, dass sie während ihrer Betriebsratstätigkeit so gestellt werden müssen, als wenn sie die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hätten (Fußnote). Zu den Gehaltsbestandteilen gehören allerdings ebenso die Zuschläge aus Nacht- oder Sonntagsschichten, Prämien oder Zulagen, auch wenn diese Tätigkeiten nicht erbracht worden sind. Hier gilt das Verbot der Entgeltminderung.
- Auch von den allgemeinen Zuwendungen, wie Jahressonderzahlungen, Weihnachtsgeld, 13. Gehalt oder Urlaubsgeld sind die Betriebsräte nicht ausgeschlossen.
- Ebenso hat das Betriebsratsmitglied während seiner Amtszeit einen Anspruch auf Gehaltserhöhung in der Höhe, wie sie den vergleichbareren Arbeitnehmern, was die betriebsübliche berufliche Entwicklung betrifft, gewährt werden. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 4 BetrVG. Wird den vergleichbaren Arbeitnehmern keine Gehaltserhöhung zugesprochen, erhält auch das betreffende Betriebsratsmitglied keine solche.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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- Abwicklungsverträge
- Kündigungen
- Kündigungsschutzansprüche
- Abfindungen
- Lohn- und Gehaltsansprüche
- Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:
- Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
- Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
- Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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