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Handelsvertreterausgleich – Teil 10 – Auswechslung des Handelsvertreters

5.1.1.3.8 Auswechslung des Handelsvertreters

Häufig scheidet ein Tankstellenpächter aus und lässt sich durch einen neuen Pächter ersetzen. Der Handelsvertretervertag wird durch das gleichzeitige Ausscheiden des alten und Eintreten des neuen Handelsvertreters beendet. Dies gilt selbst dann, wenn der durch Vereinbarung der drei Parteien (Unternehmen, neuer und alter Handelsvertreter) der neue Handelsvertreter das bestehende Vertragsverhältnis völlig identisch fortführt (Fußnote).

Der Ausgleichsanspruch des alten Handelsvertreters gegen das Unternehmen scheitert jedoch regelmäßig an § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB (Fußnote)

5.1.3.9 Umwandlung des Vertretervertrages

Die Parteien können ihr Verhältnis jederzeit auf eine neue Grundlage stellen. So kann die Geschäftsbeziehung beispielsweise durch einen Anstellungsvertrag fortgeführt werden und der Handelsvertreter wird zum Arbeitnehmer des Unternehmens. Grundsätzlich wird dadurch der Vertretervertrag beendet und es entsteht ein Ausgleichsanspruch (Fußnote).

Wird dagegen der alte Handelsvertretervertag durch einen neuen Vertrag mit wesentlich gleichen Konditionen ersetzt, wird das Handelsvertreterverhältnis regelmäßig nicht beendet und es entsteht kein Ausgleichsanspruch (Fußnote).

5.2 Materielle Anspruchsvoraussetzungen

Liegen die formellen Voraussetzungen (rechtliche Beendigung des Vertretervertrages (Fußnote) und Anspruchsgeltendmachung innerhalb der einjährigen Präklusionsfrist (Fußnote) vor, ist zu prüfen, ob die materiellen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Grundlage der Bewertung sind die Provisionsverluste. Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs stellen diese den Ausgangspunkt dar (Fußnote). Die Provisionsverluste des Tankstellenbetreibers stellen spiegelbildlich die Vorteile der Mineralölgesellschaft dar. Diese Vorteile ergeben sich lediglich aus der Neukundenwerbung durch den Tankstellenpächter (Fußnote). Bei der Berechnung ist daher lediglich der Anteil an Neu - und Stammkunden (Fußnote) zu beachten. Es ist daher zu prüfen:

1. Wie hoch sind die Unternehmervorteile (spiegelbildlich die zukünftigen Provisionsverluste, (Fußnote),

2. Welcher Anteil ergibt sich dabei aus den neu geworbenen Stammkunden (Fußnote) und

3. Ergeben sich im Einzelfall Billigkeitsaspekte, die den Ausgleichsanspruch betreffen (Fußnote).

Allgemein bergen die Anspruchsvoraussetzungen rechtlich komplexe Probleme, die im Einzelnen erörtert werden sollen. In Kapitel 6.3 wird ein Rechenbeispiel gezeigt, das die rechtlichen Ausführungen am praktischen Fall darstellen soll.

5.2.1 Neukunden

Allgemein wird der Kunde als „Geschäftspartner des Unternehmens, der dessen Produkte kauft oder Leistungen bestellt“ definiert (Fußnote).

Im Tankstellengeschäft ist daher der Kunde des Mineralölunternehmens derjenige, der dessen Produkte kauft oder Leistungen bestellt. Der Kundenbegriff ist wirtschaftlich zu verstehen und daher weit zu fassen (Fußnote).

Lediglich der Vertragspartner der Mineralölgesellschaft ist als Kunde anzusehen. Daher ist bei Unternehmenskunden, welche eine sog. Flotten- bzw. Firmenkarte besitzen, auf das Unternehmen als Kunde und nicht den tankenden Fahrer abzustellen.

Beispiel

Das Unternehmen U besitzt fünf Tankkarten der Mineralölgesellschaft M, die sie an die leitenden Angestellten A,B,C,D und E verteilt hat. Da es sich um Flottenkarten handelt, sind nicht die leitenden Angestellten, sondern das Unternehmen U der Kunde. Dies kann ggf. bei der Beurteilung der Stammkundeneigenschaft von Bedeutung sein. Solange die 5 Angestellten zusammen viermal im Jahr tanken, gilt das Unternehmen U als Stammkunde, unabhängig davon, wie häufig jeder einzelne der fünf Angestellten selbst tankt.

  • Bei Flotten- und Firmenkarten ist das Unternehmen als Kunde anzusehen.

Von einem neuen Kunden kann nur gesprochen werden, wenn der Kunde vor der Betreibung der Tankstelle durch den Tankstellenpächter nicht schon Kunde der Mineralölgesellschaft war (Fußnote).

Zwangsläufig muss nämlich nicht jeder Kunde, der zum ersten Mal beim Tankstellenpächter tankt, zugleich das erste Mal überhaupt bei einer Tankstelle der Mineralölgesellschaft tanken.

Beispiel

Die Mineralölgesellschaft U betreibt im Dorf A eine Tankstelle, welche der Tankstellenpächter A vertritt. Viele der Kunden arbeiten in der nahegelegenen Großstadt, tanken dennoch regelmäßig in ihrem Dorf. U erschließt nun an der Bundesstraße, welche zur besagten Großstadt führt, eine neue Tankstelle, die wiederum der neue Tankstellenpächter B vertritt. Die Kunden, die nun regelmäßig bei B tanken mögen für diesen zwar neue Kunden sein, jedoch nicht für die Mineralölgesellschaft.

  • Es kommt grundsätzlich auf den ersten Geschäftskontakt an.

Im Vorteil sind daher vor allem Tankstellenpächter „der ersten Stunde“. Erschließt eine Mineralölgesellschaft in einem Bezirk zum ersten Mal eine Tankstelle, so sind zwangsläufig die ab da gewonnenen Neukunden komplett dem Tankstellenpächter zuzurechnen. Die älteren Tankstellenpächter dürften daher in aller Regel im Vorteil sein.

5.2.1.1 Reaktivierung der Kunden

Interessant ist die Konstellation, in der eine Tankstelle geschlossen und nach einiger Zeit mit einem neuen Tankstellenpächter weitergeführt wird. Grundsätzlich standen frühere Stammkunden bereits in einer Geschäftsbeziehung mit der Mineralölgesellschaft. Wird die Tankstelle unter einem neuen Tankstellenpächter wiedereröffnet, so sind diese Kunden für diesen als Neukunden anzusehen, wie das OLG Hamburg bereits im Jahre 1981 entschied. Für die Wiederaufnahme der Geschäftsverbindung eines Altkunden und dessen Rückgewinnung bedarf es nämlich eines neuen Entschlusses des Kunden.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist seit Jahren im Bereich Franchiserecht und dem weiteren Vertriebsrecht tätig. Er gestaltet Franchisekonzepte und berät Franchisegeber beim Aufbau von Franchisesystemen und verwandten Partnerkonzepten. Neben der Prüfung von Franchiseverträgen namhafter bundesweiter Franchisegeber für verschiedene Franchisenehmergruppen hat er Erfahrung mit der Erstellung von Einzel-Franchiseverträgen wie Masterfranchiseverträgen.
Rechtsanwalt Brennecke berät hinsichtlich der Durchsetzung und den Grenzen der Franchisepflichten. Er vertritt bei Streitigkeiten der Franchisevertragspartner und bei der Kündigung des Franchisevertrages. Er begleitet Franchisenehmer und Franchisegeber bei der Einführung von zentralen Datenhaltungen, insbesondere unter dem oft übersehenen Blickwinkel des Datenschutzes.

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Bereich Franchiserecht und Vertriebsrecht veröffentlicht:

  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters – Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Franchiserecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
  • Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
  • Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
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