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Europäisches Erbrecht – Teil 14 – Formgültigkeit eines Erbvertrags

  • Zur Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrages kommen das spanische und das deutsche Recht in Betracht. Nach Art. 25 I EuErbVO wird die Wirksamkeit des Erbvertrages zu dem Zeitpunkt beurteilt, zu dem er abgeschlossen wurde. Hier wurde der Erbvertrag in Spanien abgeschlossen und es wurde auch keine Rechtswahl getroffen. Die Wirksamkeit des Vertrages wird deshalb nach spanischem Recht beurteilt. Im allgemeinen spanischen Recht ist der Erbvertrag allerdings nicht anerkannt. Nico kann sich also nicht auf den Erbvertrag berufen. Vielmehr wird der Nachlass nach der spanischen gesetzlichen Erbfolge verteilt. Im spanischen Erbrecht erhält der überlebende Ehegatte nur ein Drittel des Nachlasses. Der Rest des Nachlasses wird zu gleichen Teilen unter den Abkömmlingen des Erblassers, hier also den vier Kindern, verteilt. Wäre der Erbvertrag wirksam gewesen, hätte Nico das darin betitelte Vermögen erhalten, die Kinder lediglich ihren Pflichtteil. Bei Wirksamkeit des Erbvertrages hätte Nico also einen größeren Teil des Nachlasses erhalten. Auch hier wäre also eine Rechtswahl empfehlenswert.

8.2.2 Die Formgültigkeit des Erbvertrages

In welcher Form Erbverträge abgeschlossen werden müssen, richtet sich nach Art. 27 EuErbVO. Gem. Art. 27 gibt es mehrere Möglichkeiten zu bestimmen, wann ein Erbvertrag formwirksam abgeschlossen wurde.

  • Wenn der Vertrag nach dem Recht des Staates gültig ist, in dem er abgeschlossen wurde.
  • Wenn er nach dem Recht des Staates gültig ist, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zum Todeszeitpunkt der Heimatstaat eines der Beteiligten ist.
  • Wenn er nach dem Recht des Staates gültig ist, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zum Todeszeitpunkt einer der Beteiligten seinen dauerhaften Wohnsitz hatte. Es genügt hierfür also auch, dass der Wohnsitz gerade erst angemeldet wurde. Damit der gewöhnliche Aufenthalt bejaht werden kann, muss eine weit engere Verbindung vorliegen.
  • Wenn er nach dem Recht des Staates gültig ist, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zum Todeszeitpunkt einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
  • Bei unbeweglichem Vermögen genügt es, wenn sich beispielsweise das Grundstück in dem Staat befindet, der durch die Rechtswahl gewählt wurde.

Wird ein Erbvertrag also in Deutschland abgeschlossen, muss er die nach deutschem Recht geltenden Formvorschriften einhalten, außer eine der anderen Varianten kommt in Betracht. Es ist zu beachten, dass Art. 27 EuErbVO nur für schriftlich geschlossene Verträge gilt. Verträge können aber grundsätzlich und falls die Schriftform nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, auch mündlich abgeschlossen werden. Bei mündlich abgeschlossenen Erbverträgen ist das IPR der Mitgliedstaaten anzuwenden (das auch schon vor Einführung der EuErbVO gegolten hat). In diesem Fall gilt es bei den meisten Staaten, genau hinzusehen, für Deutschland hat dies aber keine große praktische Relevanz, da das deutsche IPR wieder auf Art. 27 EuErbVO verweist. Wenn also die Formwirksamkeit eines mündlich abgeschlossenen Erbvertrages aus deutscher Sicht beurteilt werden soll, besteht kein Unterschied zum schriftlich geschlossenen Erbvertrag. Auf beide ist Art. 27 EuErbVO und auf die zuvor hingewiesenen Möglichkeiten anwendbar.

8.3 Übersicht

Nationaler Sachverhalt
Internationaler Sachverhalt (mit Bezug zum EU-Ausland)
Keine Verfügung von Todes wegen
Falls die gesetzliche Erbfolge des deutschen Erbrechts den Wünschen des Erblassers entspricht, muss grundsätzlich keine Verfügung von Todes wegen erstellt werden.
Nicht empfehlenswert, da dann gem. Art. 21 I EuErbVO das Recht desjenigen Staates zur Anwendung kommt, in dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, was zu unerwünschten Ergebnissen führen kann. Außer der Erblasser hat sich vorher mit der Rechtslage beschäftigt und wünscht die Anwendung dieses Rechts ausdrücklich.

Testament
Kann je nach den Wünschen des Erblassers sinnvoll oder überflüssig sein.
Sinnvoll und empfehlenswert, da nur hier oder im Erbvertrag eine Rechtswahl gem. Art. 22 I EuErbVO vorgenommen werden kann.

Erbvertrag
Kann je nach den Wünschen des Erblassers sinnvoll oder überflüssig sein.
Sinnvoll und empfehlenswert und dem Testament vorzuziehen, da die Regelungen in der EuErbVO zum Erbvertrag präziser sind und so Unklarheiten vermieden werden können. Auch hier kann eine Rechtswahl vorgenommen werden, die Rechtsklarheit schafft.

9. Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ)

9.1 Generelles

Das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) wurde mit der EuErbVO neu eingeführt, um ein EU-einheitliches Dokument zu schaffen. (Fußnote). Es dient also vor allem der erleichterten Durchsetzung der Rechte des Erben in den EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Irland und Dänemark).
Zunächst sollte man sich den generellen Anwendungsbereich des nationalen Erbscheins und des europäischen Nachlasszeugnisses klar machen und zwischen beiden unterscheiden:

  • Der nationale Erbschein i.S.v. § 2353 BGB ist ein Dokument/Zeugnis, das auf Antrag vom Nachlassgericht ausgestellt wird, um die erbrechtlichen Verhältnisse darzustellen. Inhaltlich wird im Erbschein unter anderem angegeben, wer Erbe ist und welchen Umfang das betreffende Erbrecht hat. Außerdem besteht für die Erben keine Pflicht, einen Erbschein zu beantragen. Auch ein notarielles Testament oder ein notarieller Erbvertrag können die erbrechtlichen Verhältnisse beweisen. Ein Erbschein ist nur bei rein innerdeutschen (in anderen Staaten gibt es vergleichbare Dokumente) Erbrechtsfällen zu beantragen. Die Dauer der Ausstellung beträgt normalerweise nicht länger als ein paar Wochen.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Einführung ins europäische Erbrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-015-1.


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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  • Rechtssicherheit im Internet: - Praktische Rechtstipps für Unternehmer von AGB über Disclaimer und E-Mails bis zu web2.0
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