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Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 14 – Grundsätze Arbeitsvertragspflichten

7.5.1 Vorbehalt der Verdienstanrechnung

Sollte der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung den Vorbehalt der Anrechnung anderer etwaiger Verdienste mit aufnehmen, steht es dem Arbeitnehmer frei, bei einem anderen Arbeitgeber, während der Freistellung, tätig zu werden. Er wäre mit diesem Vorbehalt nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden.

7.5.2 Keine Wettbewerbstätigkeiten

Sollte die Freistellungserklärung des Arbeitgebers allerdings dahingehend formuliert worden sein, dass die Anrechnung eines anderen Verdienstes nicht gestattet ist, resultiert hieraus ein weiterführendes Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist.

8 Auswirkungen im Sozialversicherungsrecht

Als Arbeitgeber muss man bei Freistellungsvereinbarungen beachten, dass auch sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen zu erwarten sind. Im Wesentlichen besteht eine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch SGB IV, sobald die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Der Punkt der tatsächlichen Arbeitsleistung ist dem Grunde nach zu verneinen, wenn ein Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt wird. Mittlerweile haben sich aber die Sozialversicherungsträger dem Bundessozialgericht angeschlossen und bejahen mittlerweile nicht nur bei der widerruflichen, sondern auch bei der unwiderruflichen Freistellung die Sozialversicherungspflicht bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses.

8.1 Versicherungsschutz

Solange von einem versicherungs- und beitragspflichtigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden kann, gilt der Versicherungsschutz seitens der Sozialversicherungsträger. In den verschiedenen Freistellungsarten/-erklärungen unterscheidet sich der Versicherungsschutz.

8.1.1 Die unwiderruflich bezahlte Freistellung im Sozialversicherungsrecht

Bei der unwiderruflichen Freistellung verliert der Arbeitnehmer zwar seinen Beschäftigungsanspruch, nicht jedoch seinen Vergütungsanspruch. Leistungsrechtlich ist das Arbeitsverhältnis zwar beendet, da der Arbeitgeber durch diese Art der Freistellungserklärung sein Weisungs- und Direktionsrecht dem Arbeitnehmer gegenüber aufgibt, sozialversicherungsrechtlich allerdings nicht. Es bedeutet allerdings, dass der unwiderruflich freigestellte Arbeitnehmer mit Beginn der Freistellung als arbeitslos im Sinne des SGB III gilt. Deshalb weist der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben auf die Pflicht hin, dass sich der Arbeitnehmer, binnen 3 Tagen, persönlich bei der Arbeitsagentur nach § 141 Abs. 3 SGB III zu melden hat. Diese persönliche Pflicht resultiert aus der drohenden Sperrzeit des Arbeitslosengeldes, bei Zuwiderhandlungen. Allerdings ist es möglich, dass der Arbeitnehmer mit einem Antrag nach § 137 Abs. 2 SGB III den Anspruch auf Arbeitslosengeld auf einem späteren Zeitpunkt verlegen lassen kann.

8.1.2 Die widerruflich bezahlte Freistellung im Sozialversicherungsrecht

Bei der widerruflichen Freistellung endet das Leistungsverhältnis des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber gegenüber nicht schon zu Beginn der Freistellung, sondern erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer jederzeit wieder zurück an den Arbeitsplatz rufen, wodurch das Weisungs- und Direktionsrecht des Arbeitgebers bestehen bleibt. Es tritt erst nach Ende der Freistellung Arbeitslosigkeit ein und die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeträgen bleibt weiterhin bestehen.

8.1.3 Die unbezahlte Freistellung im Sozialversicherungsrecht

Bei der unbezahlten Freistellung kommt es auf die Dauer an, um eine Aussage hinsichtlich der Auswirkung auf die Sozialversicherung treffen zu können. Auch bei der unbezahlten Freistellung wird zunächst auf die tatsächliche Arbeitsleistung nach § 7 Abs. 1 SGB IV abgestellt. Auch ohne Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung bleibt rein rechtlich das Arbeitsverhältnis bestehen. Einen vollen Monat lang gilt diese Beschäftigung weiterhin, auch ohne Entgelt. Wird der Monat überschritten, muss der Arbeitgeber eine Abmeldung der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung an die entsprechende Einzugsstelle übermitteln. Der Arbeitnehmer muss sich von nun an selbst versichern. Nach Beendigung der unbezahlten Freistellung, wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber wieder angemeldet.

8.2 Sonderfall Gesetzliche Unfallversicherung

In der gesetzlichen Unfallversicherung wird während der Freistellung von keinem versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen, weshalb auch während dieser Zeit keine Umlagebeiträge an die Unfallversicherung zu zahlen sind (Fußnote). Denn mit der Freistellung von der Arbeit entfällt die Gefahr eines Arbeitsunfalls.

9 Sonderfall Pandemien

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer das Recht, ihre vertragliche geschuldete Arbeitspflicht abzuleisten, um den daraus resultierenden Lohn zu erhalten. Ein Recht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer ohne rechtliche Grundlagen, freizustellen, gibt es nicht. Wenn in einem Land eine Pandemie ausbricht, stellen sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Frage, wie in verschiedenen Konstellationen mit der zu erbringenden Arbeitsleistung und der geschuldeten Lohnzahlungspflicht umzugehen ist.

9.1 Begriff Pandemie

Der Begriff Pandemie definiert das überregionale oder globale Aufkommen von einer Krankheit, die bei Menschen zu lebensgefährliche Folgen führen können (Fußnote). Die Pandemie wirkt sich u.a. auf das auf das Gesundheitswesen, die Politik und die Wirtschaft eines jeden Staates aus, wodurch auch alle Arbeitsverpflichtungen betroffen sind. Beispiele hierfür sind die Pest, der schwarze Tod oder ganz aktuell SARS-CoV-2.

9.2 Grundsätze Arbeitsvertragspflichten

Zunächst besteht weiterhin die Pflicht, die Arbeitsleistung abzuliefern und den Arbeitnehmer entsprechend zu vergüten. Doch sowohl durch ein Betriebsrisiko des Arbeitgebers als auch eine persönliche vorrübergehende Verhinderung nach § 616 BGB durch den Arbeitnehmer, können dazu führen, dass mindestens eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis durch die Pandemie nicht erfüllt werden kann.

9.2.1 Leistungsvergütung und Entgeltrisiko

Im Rahmen einer Pandemie, wo Betriebe ganz oder teilweise geschlossen würden müssen, sei es aufgrund staatlicher Anordnung oder freiwillig durch den Arbeitgeber, steht immer die Frage im Raum, wie es mit der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers aussieht. Es gibt verschiedene Szenarien, die eine Entgeltfortzahlungspflicht begründen, aber zugleich den Arbeitgeber durch staatliche Zuschüsse entlasten können.

9.2.2 Wirtschaftsrisiko

Schließt der Arbeitgeber freiwillig und in Eigenverantwortung seinen Betrieb, muss er nach § 615 S. 1 BGB das Entgelt seiner Arbeitnehmer weiterzahlen, darf hierbei aber keinen Rückruf auf etwaige Stundenkonten der Arbeitnehmer nehmen. Hierbei handelt der Arbeitgeber innerhalb des Wirtschaftsrisikos, da die Arbeit noch technisch möglich, aber nicht wirtschaftlich konstruktiv ist (Fußnote). Begründet wird diese Entgeltfortzahlungspflicht damit, dass beim Wirtschaftsrisiko die Durchführung des Arbeitsprozesses nicht gehemmt wird. Damit ist der Arbeitgeber in diesen Fällen grundsätzlich zur Vergütungsfortzahlung verpflichtet.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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