Handelsvertreterausgleich – Teil 15 – Berücksichtigung der Abwanderungsquote
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
5.2.3.5 Berücksichtigung der Abwanderungsquote für die Ansetzung des Provisionszeitraums
Die vom BGH entwickelte Abwanderungsquote hat nicht nur Auswirkungen auf die Höhe der Unternehmervorteile. Sie ist weiter bei der Frage zu berücksichtigen, in welcher Höhe die Provisionen der letzten zwölf Monate der Vertragslaufzeit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs angesetzt werden können (Fußnote).
Für die Provision als Grundlage der Berechnung kann die Quote berücksichtigt werden. Die Provision in voller Höhe kann nur berücksichtigt werden, wenn die Provisionszahlungen der Tankstellengesellschaft auf Umsätze des Betreibers mit den Stammkunden zurückzuführen sind, die er selbst geworben hat (Fußnote).
Demnach wird die volle Provisionshöhe angesetzt, wenn der Tankstellenbetreiber die Tankstelle als Erstbetreiber übernommen hat oder diese längere Zeit nicht betrieben wurde und eine Wiedereröffnung durch den Tankstellenbetreiber stattfand (Fußnote).
Ansonsten ist die Quote von 20 % spiegelbildlich auf die Vertragslaufzeit anzuwenden (Fußnote). Damit wird die volle Provision für die Berechnung angesetzt, wenn der Betreiber fünf Jahre oder länger als Handelsvertreter auf der Tankstelle tätig war. War der Tankstellenpächter kürzer tätig, muss eine entsprechende Kürzung der Provision als Berechnungsgrundlage erfolgen (Fußnote). Begründet wird dies wie folgt: Je kürzer die Vertragslaufzeit des Handelsvertreters war, desto kleiner ist der von ihm geworbene Stammkundenanteil, den er am Ende des Vertrages der Tankstellengesellschaft „übergeben“ kann.
Für die Kürzung ergibt sich folgende Berechnungsmethode (Fußnote):
- Summe der Provisionen der letzten zwölf Vertragsmonate dividiert durch 60 Monate (= 5 Jahre) multipliziert mit
- Anzahl der Monate, die der Tankstellenvertrag bestand
Beispiel
Tankstellenbetreiber T war zweieinhalb Jahre für die Mineralölgesellschaft M tätig, bis letztere das Vertragsverhältnis beendete. Die Tankstelle bestand unter anderer Führung schon über 15 Jahre. In den letzten 12 Monaten erhielt T insgesamt Provisionen in Höhe von 50.000 €. Für die Unternehmervorteile, welche Grundlage der Höhe des Ausgleichsanspruchs sind, sind nach der Rechtsprechung die zukünftigen Provisionsverluste des T Schätzungsgrundlage. Da er in zweieinhalb Jahren nicht alle Stammkunden der M an der Tankstelle geworben hat, ist nicht die volle Provisionshöhe als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Die Provision in Höhe von 50.000 € ist durch 60 zu teilen und das Ergebnis mit 30, der Summe der Vertragsmonate zu multiplizieren. Als Schätzungsgrundlage ergibt sich daher 25.000€.
- Die volle Provisionshöhe kann als Schätzungsgrundlage nur bei ausreichender Vertragslaufzeit zugrunde gelegt werden.
5.2.4 Abzug für verwaltende Tätigkeiten
Wurden alle genannten Bewertungskriterien berücksichtigt, ergeben sich die zukünftigen Unternehmervorteile. Im Tankstellengeschäft spielt die Provision für die Berechnungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs eine zentrale Rolle. Im alltäglichen Geschäft wird diese nicht ausschließlich für den Absatz gezahlt, sondern auch für andere Tätigkeiten innerhalb des Tankstellenvertrages. Diese anderen Tätigkeiten haben teilweise höchstens mittelbar etwas mit der Kundengewinnung zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es der Sinn und Zweck des § 89b Abs. 1 HGB nicht, dem Tankstellenbetreiber einen Ausgleich für verwaltende Tätigkeiten zuzusprechen (Fußnote).
Zwar gibt es vereinzelte Literaturstimmen, die eine Aufteilung in werbende und verwaltende Tätigkeiten als obsolet erachten (Fußnote). Der BGH hat seine Ansicht allerdings in aktuellen Urteilen mehrfach (Fußnote) bestätigt. Eine Rechtsprechungsänderung ist daher nicht zu erwarten.
5.2.5 Verwaltende Tätigkeiten
Damit stellt sich die zentrale Frage, was als verwaltende Tätigkeit einzustufen ist. Dies wiederum ist für jede Vertriebssparte gesondert zu ermitteln (Fußnote). Definiert werden verwaltende Tätigkeiten von der Rechtsprechung als „solche, die für den Begriff des Handelsvertreters nicht wesentlich sind und für die Werbung des Kundenstamms keine entscheidende Rolle spielen" (Fußnote).
Hier zeigen sich die Besonderheiten des Tankstellengeschäfts. Von der folgenden Liste der werbenden Tätigkeiten werden in anderen Bereichen des Handelsrechts einige den verwaltenden Tätigkeiten zugeordnet. Im Tankstellengeschäft sind davon nur noch wenige verwaltende Tätigkeiten übriggeblieben (Fußnote).
Im Tankstellengeschäft von der Rechtsprechung als werbende und damit nicht abzugsfähige Tätigkeiten werden angesehen:
- Lagerhaltung (Fußnote)
- Auslieferung (Fußnote)
- Pflege der Tanktechnik (Fußnote)
- Führung der Mitarbeiter (Fußnote)
- Ordnungs-, Sauberkeits- und Sicherheitsmaßnahmen (Fußnote)
- Inkasso (Fußnote)
- Bargeldverwaltung, einschließlich der Wechselgeldbereitstellung und Tagesabrechnung (Fußnote)
Tendenziell sieht die Rechtsprechung Tätigkeiten erst dann nicht mehr als werbend an, wenn sie keine entscheidende Rolle für die Werbung des Kundenstamms spielen (Fußnote).
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Handelsvertreterausgleich für Tankstellenpächter“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-026-7.
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.
Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.
Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.
Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so
- "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
- "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
- "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
- "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:
- Provision des Handelsvertreters
- Handelsvertreterausgleich in der aktuellen Rechtsprechung
- Der Buchauszug – Anforderung und Auswertung
- Vertriebssysteme gestalten – angestellte oder freie Vertriebsmitarbeiter ?
- Der Aufbau von Franchisesystemen
- Kundendatenschutz aus rechtlicher und praktischer Sicht
- Franchisesysteme gründen – weitsichtige Planung von Franchise- und Partnersystemen
- Datenschutz in Franchisesystemen – das unterschätzte Problem
- Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
- Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer
- Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
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