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UN-Kaufrecht – Teil 16 – Lieferfrist

4.2.1.3 Lieferfrist

Die Bemessung der Lieferfrist ist davon abhängig, ob die Parteien einen spezifischen Zeitpunkt zur Lieferung der Ware bestimmt haben. Ist dies der Fall, so muss die Ware gem. Art. 33 lit a) CISG zu diesem Zeitpunkt geliefert werden. Ist hingegen ein Lieferzeitraum (Fußnote), so kann der Verkäufer innerhalb dieses Zeitraums liefern, sofern der Käufer nicht den Termin der Lieferung im Einzelfall frei zu wählen hat.

Kontroverser sind allerdings die Fälle, in denen die Vertragsparteien überhaupt keine Bestimmungen zur Lieferfrist getroffen haben. Gem. Art. 33 lit c) CISG ist in diesen Fällen innerhalb einer "angemessenen Frist" nach Vertragsschluss zu liefern. Welchen Zeitraum diese Frist umfasst ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls und der für diese Art von Geschäften üblichen und erwartbaren Fristen, sowie den zwischen den Parteien bestehenden Handelsbräuchen und -gepflogenheiten. Für deutsche Unternehmer ist hierbei zu beachten, dass sie im Gegensatz zum deutschen Zivilrecht (Fußnote) die Ware unter Umständen nicht sofort verlangen können.

Soweit die Lieferfrist vom Verkäufer überschritten wird ist dies ohne, dass es einer gesonderten Mahnung oder Fristsetzung bedurfte als Vertragsverletzung zu werten. Das daraus entstehende besonders hohe Konfliktpotenzial sollte daher dadurch vermieden werden, dass die Vertragsparteien die Lieferfristen vertraglich explizit festlegen.

4.2.1.4 Vertragsmäßigkeit

Eine der wichtigsten Fragen im UN-Kaufrecht ist die Frage, wann eine Ware vertragsgemäß ist, d.h. welchen Zustand die Ware haben muss damit der Verkäufer seinen Teil des Vertrags erfüllt hat und dem Käufer keine Rechtsmittel wegen einer möglicher Vertragsverletzungen zustehen. Grundsätzlich ist das dann der Fall, wenn die Ware frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Wann dies der Fall ist wird im Einzelnen in Art. 35 - 44 CISG definiert.

4.2.1.4.1 Primär: Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit

Frei von Sachmängeln ist die Ware gem. Art. 35 CISG dann, wenn sie hinsichtlich Qualität, Art, Menge und Verpackung bzw. Behältnis den vertraglichen Abreden entspricht. Dabei ist zu beachten, dass Maßstab dieser Bewertung primär der Vertrag ist, der sich grundsätzlich nicht nach sonstigen Umständen wie bspw. der verkehrsüblichen Beschaffenheit richtet. Erst wenn sich keine vertragliche Abrede findet wird auf die gesetzlichen Regelungen der CISG zurückgegriffen. Auch macht das UN-Kaufrecht keinen Unterschied zwischen einer Schlechtleistung, d.h. der Lieferung einer mangelhaften Sache und einer Falschlieferung, d.h. einer Sache, die sich derart von der verabredeten Ware unterscheidet, dass ihre Lieferung nach objektiven Maßstäben nicht als Erfüllungsversuch verstanden werden kann. Ebenfalls Mängel und damit Vertragsverletzungen sind quantitative Abweichungen von der bestellten Stückzahl und Verpackungsmängel.

Beispiel
Zur Osterzeit bestellt D beim Warschauer Lieferanten P zwei Tranchen Schokoladeneier sowie 300 nach einem Muster des D anzufertigende Plüschhasen beim Prager Spielwarenhersteller T und 200 Osterglocken beim niederländischen Blumenhändler N. Als die Ostereier jedoch kurz vor dem Osterfest eintreffen muss D erzürnt feststellen, dass es sich bei den Ostereiern tatsächlich um echte Hühnereier handelt. Er bemerkt auch, dass allen Plüschhasen aufgrund eines Produktionsfehlers die Knopfaugen fehlen. Schließlich stellt er fest, dass nur 150 statt 200 Osterglocken des N bei ihm angekommen sind.

  • Die von T gelieferten Hasen besitzen keine Knopfaugen, entsprechen somit nicht der vertraglichen Abrede mit D und stellen damit als Schlechtleistung eine Vertragsverletzung dar. Die Hühnereier des P sind dagegen zwar in der Takt. Allerdings hatte D etwas ganz anderes bestellt. Auch hier handelt es sich als Falschleistung somit um eine Vertragsverletzung. N wiederum hat nicht die bestellte Stückzahl an Osterglocken geliefert wodurch eine Vertragsverletzung durch Zuweniglieferung vorliegt.

Praxistipp
Da sich die Vertragsgemäßheit der Ware primär nach den vertraglichen Bestimmungen richtet sollte der erwartete Qualitätsstandard möglichst genau im Vertrag aufgeführt werden, um spätere Missverständnisse und teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Dafür bietet sich insbesondere der Verweis auf Industriestandards wie bspw. die DIN-Normen an.

4.2.1.4.2 Sekundär: Rückgriff auf den gesetzlichen Standard

Sofern die Parteien keine Abreden über die Beschaffenheit der Ware vereinbart haben, gelten als Auffangtatbestand die gesetzlichen Standards des Art. 35 Abs. 2 lit a) - d) CISG. Die Ware muss demnach:

  • Für den gewöhnlichen Verwendungszweck geeignet sein, lit a);
  • Sich für den dem Verkäufer bekannten bestimmten Zweck eignen, lit b);
  • Der vorgelegten Probe oder dem vorgelegten Muster entsprechen, lit c) und
  • In einer für ihre Erhaltung und ihren Schutz angemessenen Weise verpackt sein, lit d).

Während lit c) und lit d) hinreichend bestimmt sind, formuliert Art. 35 Abs. 2 CISG in lit a) und lit b) recht abstrakte Standards, die erst durch Lehre und Rechtsprechung ausreichend ausgefüllt wurden und daher einer genaueren Betrachtung bedürfen. Da der Anwendungsbereich von lit b) enger ist, muss dieser vorrangig beachtet werden. Erst wenn dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind ist auf den gewöhnlichen Verwendungszweck von lit a) abzustellen.


4.2.1.4.2.1 Dem Verkäufer bekannter Verwendungszweck

Nach Art. 35 Abs. 2 lit b) CISG muss sich die Ware dann für den vom Käufer bestimmten Verwendungszweck eignen, wenn dieser ihm bei Vertragsschluss bekannt war oder er diesen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte kennen müssen. Daher muss der Verwendungszweck dem Verkäufer nicht zwangsläufig explizit zur Kenntnis gebracht werden. Es reicht vielmehr, wenn sich aus den Umständen des Kaufvertrags ergibt, dass die Ware sich für eine bestimmte Verwendung eignen muss.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Herausgeber / Autor(-en):

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei allen Fragen zum Handel am Kapitalmarkt. Dies umfasst nicht nur die Handelsobjekte des Kapitalmarktes im engeren Sinne, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Aktienzertifikate, Genussscheine und Optionsscheine sondern auch die Handelsobjekte des grauen Kapitalmarktes, wie Anteile an Publikumspersonengesellschaften. Rechtsanwältin Ritterbach bietet ihre Beratung und Prozessvertretung im Kapitalmarktrecht Anlegern von Kapitalanlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Prospekthaftung oder fehlerhafter Anlageberatung sowie Unternehmern an. Diese unterstützt sie beispielsweise bei der kapitalmarktrechtlichen Compliance, denn nicht nur bei der erstmaligen Emission von Wertpapieren hat der Emittent Informations- und Berichtspflichten einzuhalten. Finanzanlagenvermittlern bietet Rechtsanwältin Ritterbach Beratung und Vertretung vor allem im Bereich der Berufsausübungspflichten, der Gewerbeerlaubnis sowie der Dokumentation ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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