Werbeanlagen – Teil 18 – Drittschutz im Baurecht
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
6.2.3.1.1 Drittschützende Normen im Baurecht
Nachfolgend sollen die wichtigsten baurechtlichen drittschützenden Normen kurz beispielhaft dargestellt werden:
• §§ 30-33 BauGB
Die Festsetzungen eines Bebauungsplanes sind drittschützend, da die Anwohner in einem räumlichen Gebiet eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Jeder der in diesem Gebiet wohnt muss sich an die bauplanungsrechtlichen Vorgaben halten, hat jedoch auch Anspruch darauf, dass sich die andern Gebietsbewohner an diese Vorgaben halten.
• § 34 BauGB
Auch aus dem § 34 BauGB lässt sich Drittschutz ableiten. Dabei ist § 34 I BauGB aber nur im Zusammenhang mit dem Gebot der Rücksichtnahme drittschützend. Dies ergibt sich besonders aus dem Merkmal „sich einfügen“. Der § 34 Abs. 2 BauGB hat hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung eigenständige drittschützende Wirkung, ohne, dass auf das Gebot der Rücksichtnahme zurückgreifen werden muss.
• § 35 BauGB
Für den § 35 Abs. 1 BauGB gilt, dass dieser ebenfalls in Verbindung mit dem Gebot der Rücksichtnahme Drittschutz entfalten kann. Dies gilt auch für den § 35 Abs. 2 BauGB.
• Bauordnungsrecht
Auch im Bauordnungsrecht finden sich drittschützende Vorschriften. So sind beispielsweise die Regelungen für Gebäudeabstände drittschützend, da so eine ausreichende Belichtung sichergestellt werden soll. Ebenfalls diejenigen Vorschriften, die ganz gezielt der Gefahrenabwehr dienen, stellen drittschützende Normen dar, da durch diese Gefahren von Personen, die mit der baulichen Anlage in Berührung kommen könnten, abgehalten werden sollen.
6.2.3.2 Drittanfechtungsklage
Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit gerichtlich gegen die Genehmigung eines Dritten vorzugehen. Hierbei stellt sich jedoch zunächst die Frage, welche Klageart hierfür statthaft sein könnte? Es liegt hier ja eine andere Ausgangssituation als oben vor. Es soll nicht der Erlass einer Genehmigung erreicht werden. Vielmehr soll eine bestehende Genehmigung zu Fall gebracht werden. Um einen Verwaltungsakt zu beseitigen ist die Anfechtungsklage das Mittel der Wahl. Es handelt sich dabei um seine sogenannte Drittanfechtungsklage. Diese ist jedoch auch nur dann möglich, wenn drittschützende Normen verletzt worden sind. Die Situation gestaltet sich also insofern identisch zum Drittwiderspruch (s.o.).
6.2.3.3 Einstweiliger Rechtschutz
Für die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter im baurechtlichen Bereich ist noch eine Besonderheit zu beachten. Diese ergibt sich aufgrund des § 212a BauGB. Hier wird normiert, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten keine aufschreibende Wirkung besitz. Dies ist in sofern beachtlich, da dies eine Abweichung vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO darstellt. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage nämlich grundsätzlich aufschiebende Wirkung.
Dies ist vor allem für die Praxis beachtlich. Das bedeutet nämlich im Endeffekt, dass der Bauherr, trotz eingelegtem Widerspruch oder Anfechtungsklage durch den Dritten, sein Bauvorhaben beginnen kann.
Um dies zu verhindern ist es wichtig, dass hier zusätzlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorgegangen wird. Es muss parallel ein Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden. Ziel dieses Antrages ist es, dass das Gericht, entgegen der Regelung des § 212a BauGB, dem Widerspruch oder der Anfechtungsklage aufschreibende Wirkung zuerkennt.
Es wird dabei keine vollumfängliche Prüfung des Sachverhaltes vorgenommen, sondern lediglich im Rahmen einer summarischen Prüfung geschaut, ob das Interesse des Wiederspruch- oder Klageführers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dabei wird das Gericht sich bei der Beurteilung dieser Frage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren.
- Achtung: Es muss die richtige Antragsart im einstweiligen Rechtsschutz gewählt werden. Hier darf nicht nach § 123 VwGO vorgegangen werden. Die Abgrenzung erfolgt danach, was für eine Situation in der Hauptsache einschlägig ist. Für Anfechtungssituationen sind die §§ 80, 80a VwGO lex specialis und daher vorrangig anzuwenden. Der Antrag nach § 124 VwGO ist nur dann statthaft, wenn in der Hauptsache keine Anfechtungssituation gegeben ist. Im Baurecht wird jedoch bei Drittanfechtungen gegen die begünstigende Genehmigung eines Dritten vorgegangen. Dies geschieht im Wege der Anfechtungsklage(s.o.), sodass für den einstweiligen Rechtschutz nur die §§ 80, 80a VwGO einschlägig sind!
Ist der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz erfolgreich und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage wird angeordnet, hat der Bauherr sich daran zu halten. Er darf sein Vorhaben nicht weiter vorantreiben bis eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist.
Hält sich der Bauherr jedoch nicht an die gerichtliche Entscheidung und fängt einfach trotzdem an sein geplantes Vorhaben zu verwirklichen, hat der Dritte die Möglichkeit die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Var. 3 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu beantragen.
Beispiel 1:
Der Unternehmer U plant eine großflächige Werbetafel. Diese soll mit auffälliger Schrift auf den Imbiss des U hinweisen. Dabei soll die Tafel als Fremdwerbeanlage auf einer unbebauten Grünfläche, gegenüber des besagten Imbisses, gebaut werden. Die Gegend ist als allgemeines Wohngebiet ausgezeichnet. In unmittelbarer Nachbarschaft zu dieser Grünfläche befindet sich dass Wohnhaus des N. Dieser befürchtet, dass ihm die auffällige Werbetafel die Sicht aus seinem Fenster erschweren wird. Welche Möglichkeiten stehen dem N zu?
- Zunächst könnte N Drittwiderspruch gegen die Genehmigung des U einlegen. Dabei müssten aber drittschützende Normen verletzt worden sein. Hier könnte die geplante Bebauung gegen die Gebietsfestsetzung verstoßen. Diese sind drittschützend, sodass der N grundsätzlich ein eigenes Interesse besitzt gegen das Vorhaben des U vorzugehen. Falls der Widerspruch erfolglos bleibt, hat der N auch noch die Möglichkeit eine Drittwiderspruchsklage zu erheben. Um zu verhindern, dass U trotz behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung mit seinem Vorhaben beginnt, sollte er parallel einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO stellen.
Beispiel 2:
Angenommen die aufschiebende Wirkung würde von Gericht angeordnet werden. Der U stört sich daran nicht weiter und beginnt nicht desto trotz mit dem bau seiner geplanten Werbetafel. Welche Möglichkeiten hat N in diesem Fall?
- N hat die Möglichkeit Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Var. 3 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu beantragen. Dies dient dazu, dass der einstweilige Rechtsschutz nicht ins leere läuft. Bei der Festlegung des Umfanges der Sicherungsmaßnahen steht dem Verwaltungsgericht ein Gestaltungsspielraum zu.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Zulässigkeit von Werbeanlagen“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2016, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-006-9.
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.
Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:
- „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
- "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:
- Einführung in das Datenschutzstrafrecht
Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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