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Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 21 – Haftungsbescheid als VA

9.1.2 Haftungsbescheid als Verwaltungsakt

Bei dem Haftungsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Verwaltungsakt im steuerlichen Sinne ist jede hoheitliche Maßnahme einer Finanzbehörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls erlässt, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (Fußnote).

Dies ist für den GmbH Geschäftsführer insofern von Relevanz, als dass Besonderheiten bei der Bekanntgabe des Haftungsbescheids sowie verschiedene Rechtschutzmöglichkeiten bestehen. Häufig handelt es sich bei einem Haftungsbescheid um einen Sammel-Verwaltungsakt, der die Haftung für mehrere Steuerarten, Veranlagungszeiträume usw. enthält.

Beispiel
Das Finanzamt möchte den GmbH-Geschäftsführer G für Lohnsteuer für das Jahr 2016 und für Umsatzsteuerschulden für die Monate Januar und Februar 2017 der von ihm vertretenen X-GmbH in Anspruch nehmen.

  • Das Finanzamt kann für die Umsatzsteuer und Lohnsteuer einen Sammel-Verwaltungsakt erlassen. Dabei wird formal in einem Schriftstück die Haftung für sowohl die Lohnsteuer aus dem Jahr 2016 als auch für die Umsatzsteuer für 2017 geltend gemacht. Dennoch liegt für jede einzelne Steuerart und jeden einzelnen Veranlagungszeitraum jeweils ein einzelner Verwaltungsakt vor. Dieser Haftungsbescheid umfasst also in Wirklichkeit drei Verwaltungsakte.

9.1.3 Mitwirkungspflichten und Anhörung

Bei dem Haftungsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der in die Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers eingreift. Einen solchen Verwaltungsakt nennt man auch einen sog. "belastenden Verwaltungsakt". Deshalb hat der GmbH-Geschäftsführer das Recht, vor Erlass des Haftungsbescheids zu der geplanten Inanspruchnahme Stellung zu beziehen, d.h. dem GmbH-Geschäftsführer soll ein rechtliches Gehör gewährt werden (Fußnote). Das erfolgt meistens durch ein einfaches Schreiben, in dem das Finanzamt dem GmbH-Geschäftsführer den Sachverhalt, die Rechtsgrundlage sowie die vorgenommenen Ermessensüberlegungen vor Erlass des Bescheids schildert und ihm dann Gelegenheit zu einer Stellungnahme bietet. Das Finanzamt trägt die Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen und muss von Amtswegen ermitteln. Um dem Finanzamt die Sachverhaltsermittlung jedoch zu erleichtern wurden dem Geschäftsführer Mitwirkungspflichten auferlegt. So hat grundsätzlich der Geschäftsführer als Haftungsschuldner Auskünfte zu erteilen, die er anhand der ihm vorliegenden Unterlagen und nach seinem Gedächtnis erteilen kann (Fußnote). Verweigert der Geschäftsführer die Mitwirkung, kann die Verweigerung gegen ihn verwendet werden.

Beispiel
Der Geschäftsführer G der G-GmbH verweigert angefragte Auskünfte, die das Finanzamt für die Ermittlung der Haftungssumme benötigt.

  • Das Finanzamt kann beim Erlass eines Haftungsbescheids gegen G die Höhe der Haftungssumme ohne Abstriche von der Steuerschuld schätzen.

Ist der Geschäftsführer hingegen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, weil ihm die erforderlichen Informationen nicht zur Verfügung stehen, bleibt es beim Amtsermittlungsgrundsatz. Der Geschäftsführer ist auch nicht verpflichtet, Unterlagen zu beschaffen oder Erkundigungen anzustellen. Das Finanzamt ist für Auskünfte bei anderen Stellen (z.B. Insolvenzverwalter) oder anderen Personen (Fußnote) und für die Beschaffung der Unterlagen selbst verantwortlich. Dies gilt jedoch nicht, wenn ihn G es pflichtwidrig versäumt hat, Unterlagen zu erstellen oder wenn er Beweise vernichtet oder weggeschafft hat - hier bleibt der Geschäftsführer als Verfahrensbeteiligter weiterhin in der Pflicht zur Mitarbeit. Bei Verletzung seiner Mitwirkungspflicht können gegen den Geschäftsführer auch Zwangsmittel (Fußnote) angewandt werden, um die Mitarbeit zu erzwingen.

Beispiel
Der Finanzbeamte F unterstellt dem GmbH-Geschäftsführer G, er habe das Finanzamt im Vergleich zu anderen Gläubigern nicht ausreichend befriedigt. G kann keine Auskünfte mehr zum Umfang der Tilgungsleistungen vorlegen, da die Unterlagen in Folge eines Brandes vernichtet wurden. Es lassen sich keinerlei Tatsachen für die Richtigkeit der Aussage des F feststellen.

  • Mangels ausreichender Tatsachennachweise ist die Unterstellung des Finanzbeamten haltlos. Im Hinblick auf die Mitwirkungspflichten muss der Geschäftsführer den Vorwurf, er habe Informationen vorenthalten, nicht gegen sich gelten lassen. Es darf deshalb nicht zum Nachteil des G eine höhere Schätzung der Haftungssumme im Hinblick auf eine Gläubigerbenachteiligung erfolgen.

9.1.4 Ermessensausübung

Nach § 191 AO "kann" die Finanzbehörde einen Haftungsbescheid erlassen. Demnach handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

Im Gegensatz zu sog. gebundenen Entscheidungen wird bei Ermessensentscheidungen der Finanzbehörde ein Entscheidungsspielraum eingeräumt. Es darf entscheiden,

  • ob es den Haftungsschuldner überhaupt in Anspruch nimmt (Fußnote) und
  • im Falle von mehreren Haftungsschuldnern, warum gerade ein bestimmter Haftungsschuldner von mehreren Anspruch genommen wird (Fußnote).

Beispiel
A, B und C sind vertretungsbefugte Geschäftsführer der ABC-GmbH. In Folge von Nachlässigkeiten entstehen bei der ABC-GmbH erhebliche Steuerrückstände.

  • Das Finanzamt kann entscheiden, ob es überhaupt einen der Gesellschafter in Haftung nimmt (Fußnote) und falls ja, gegen welchen der Gesellschafter es sich wendet (Fußnote).

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.


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Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei allen Fragen zum Handel am Kapitalmarkt. Dies umfasst nicht nur die Handelsobjekte des Kapitalmarktes im engeren Sinne, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Aktienzertifikate, Genussscheine und Optionsscheine sondern auch die Handelsobjekte des grauen Kapitalmarktes, wie Anteile an Publikumspersonengesellschaften. Rechtsanwältin Ritterbach bietet ihre Beratung und Prozessvertretung im Kapitalmarktrecht Anlegern von Kapitalanlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Prospekthaftung oder fehlerhafter Anlageberatung sowie Unternehmern an. Diese unterstützt sie beispielsweise bei der kapitalmarktrechtlichen Compliance, denn nicht nur bei der erstmaligen Emission von Wertpapieren hat der Emittent Informations- und Berichtspflichten einzuhalten. Finanzanlagenvermittlern bietet Rechtsanwältin Ritterbach Beratung und Vertretung vor allem im Bereich der Berufsausübungspflichten, der Gewerbeerlaubnis sowie der Dokumentation ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht. 

Carola Ritterbach hat zum Kapitalmarktrecht veröffentlicht:

  • „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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