UN-Kaufrecht – Teil 24 – Nachfrist
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Tim Hagemann
Gegenbeispiel
Separat bestellt D vom chinesischen Großhändler C vier Barcode-Scanner für jeweils 30 Euro als Ersatzgeräte für die voll funktionstüchtigen, aber etwas in die Jahre gekommen Scanner an den übrigen Kassen. Diese scannen allerdings wegen eines kleinen, aber schwer behebbaren Konstruktionsfehlers nicht jede Ware beim ersten Versuch fehlerfrei ein, sodass es zu geringfügigen Verzögerungen kommt.
- C ist hier Händler und nicht der Hersteller der Ware, er selbst wird also nicht über die entsprechende Infrastruktur zur Reparatur verfügen. Ferner liegt eine große räumliche Distanz zwischen den Vertragsparteien. Zudem steht der Aufwand, den C betreiben müsste in Anbetracht des niedrigen Wertes der Ware, den geringfügigen Nachteilen des D und der komplizierten Reparatur des Mangels in keinem Verhältnis zum Nachbesserungsinteresse des D. Dieser kann daher nur den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz von C verlangen.
Es muss allerdings beachtet werden, dass der Nachbesserungsanspruch auch dann unzumutbar ist, wenn der Käufer die Möglichkeit hat, den Mangel sachkundig und ortsnah mit geringeren Mitteln zu beheben. Damit wird der Verkäufer aber nicht von jeglicher Einstandspflicht frei: Nach hM kann der Käufer, die ihm durch die Nachbesserung entstandenen Kosten vom Verkäufer ersetzt verlangen.
Beispiel
Der Programmierfehler an den Selbstbedienungskassen stellt sich bei kurzer Begutachtung als wenig kompliziert heraus. D ruft daher den ortsansässigen Techniker T an und beauftragt ihn mit der Behebung des Fehlers. Nach kurzer Zeit funktionieren die Automaten wieder einwandfrei. Die D dadurch entstandenen Kosten kann er von N ersetzt verlangen.
4.3.2.3 Nachfrist
Die Nachfrist gem. Art. 47 CISG stellt keinen eigenständigen Rechtsbehelf dar. Vielmehr eröffnet es dem Käufer die Möglichkeit, den Druck auf den Verkäufer zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten zu erhöhen, ohne vor Gericht ziehen zu müssen. Ob der Käufer sie dem Verkäufer stellt ist dabei ihm überlassen. Es besteht weder eine Pflicht zur Stellung einer Nachfrist noch stellt es eine Obliegenheit dar, der Käufer erleidet also keine rechtlichen Nachteile, wenn er dem Verkäufer keine Nachfrist setzt und stattdessen sofort auf Nacherfüllung besteht oder sich auf einen anderen Rechtsbehelf beruft.
Allerdings bietet sich die Stellung einer Nachfrist für den Käufer in zwei Situationen an. Zum einen, wenn er eine langfristige Geschäftsbeziehung mit dem Verkäufer eingegangen ist oder anstrebt und daher eine gerichtliche Konfrontation vermeiden möchte. Zum anderen, wenn er sich vom Vertrag lösen möchte, ohne dass eine wesentliche, direkt zur Vertragsaufhebung gem. Art. 49 CISG berechtigende Vertragsverletzung vorliegt. Verstreicht die vom Käufer gesetzte, angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos, kann er sich gem. Art. 49 Abs. 1 lit b) CISG vom Vertrag lösen, ohne eine wesentliche Vertragsverletzung nachweisen zu müssen.
Entscheidet sich der Käufer allerdings für die Setzung einer Nachfrist, so ist er gem. Art. 47 Abs. 2 CISG an diese gebunden und muss zunächst den Fristablauf abwarten, bevor er sich auf anderweitige Rechtsbehelfe beruft. Davon ausgenommen sind gem. Art. 47 Abs. 2 Satz 2 CISG lediglich Ansprüche des Käufers auf Schäden, die ihm wegen Verzögerung der Leistungserbringung entstehen. Die Frist endet dann entweder mit Ablauf der gesetzten Frist oder mit der endgültigen und ernstlichen Erfüllungsverweigerung des Verkäufers.
4.3.3 Vertragsaufhebung
Die Vertragsaufhebung ist einer der stärksten Rechtsbehelfe, der dem Käufer bei Vertragsverletzungen des Verkäufers zur Verfügung steht. Die Rücksendung, die Verpackung und der Zoll erzeugen einen enormen Aufwand und hohe Kosten, für die der Verkäufer einzustehen hat. Entsprechend müssen erhöhte Anforderungen erfüllt sein, bevor sich der Käufer vom Vertrag lösen kann. Die Vertragsaufhebung kommt als ultima ratio nur in Ausnahmefällen in Betracht. Nach Art. 49 Abs. 1 CISG sind dies Fälle, in denen:
- Die Leistung des Verkäufers so mangelhaft ist, dass sie eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (Art. 49 Abs. 1 lit a) CISG) oder
- Der Verkäufer die Leistung bis zum Ablauf einer durch den Käufer gesetzten angemessenen Nachfrist überhaupt nicht erbringt (Art. 49 Abs. 1 lit b) CISG).
Gem. Art, 49 Abs. 1 lit a) CISG ist die Vertragsaufhebung stets dann statthaft, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung durch den Verkäufer vorliegt. Wie bereits in Ziffer 4.1.1 dargelegt liegt eine wesentliche Vertragsverletzung dann vor, wenn dem Käufer durch das vom Verkäufer zu vertretende Verhalten ein solcher Nachteil für seine berechtigten Vertragserwartungen entsteht, dass sein Interesse an der Durchführung des Vertrags im Wesentlichen entfällt. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Erbringung der Leistung objektiv unmöglich wird oder wenn ein so gravierender Mangel an der Ware besteht, dass dieser auch durch Nachbesserung nicht behoben werden kann. Das gilt allerdings nur dann, wenn der Käufer die Ware nicht anderweitig im Rahmen seines Geschäfts verkaufen oder verwerten kann. Das gilt auch dann, wenn dies mit einem Verlust an Profitabilität verbunden ist. Für den so entgangenen Gewinn steht dem Käufer allerdings ein Schadensersatzanspruch zu.
Wie bereits dargelegt ist die Vertragsaufhebung gem. Art. 49 Abs 1 lit b) CISG auch nach erfolglosem Ablauf einer dem Verkäufer gesetzten Nachfrist statthaft. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verkäufer die Ware überhaupt nicht erbracht hat. Hat er allerdings geleistet, kommt nur noch eine Vertragsaufhebung wegen wesentlicher Vertragsverletzung gem. Art. 49 Abs. 1 lit a) CISG in Frage. Allerdings ist zu beachten, dass die vom Käufer gesetzte Frist angemessen sein muss. Wann eine Frist angemessen ist, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls, insbesondere aus dem Vertragstext falls dort Angaben gemacht wurden sowie den zwischen den Parteien herrschenden Handelsbräuchen und -gepflogenheiten. Im Allgemeinen muss die Frist nicht so lange berechnet werden, dass der Verkäufer ab dem Zeitpunkt der Nachfristsetzung alle vertraglichen Pflichten erneut erbringen kann - eine Frist, die dem Verkäufer ermöglicht eine bereits begonnene Leistung zu Ende zu führen ist daher ausreichend.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Harald Brennecke ist seit vielen Jahren im Handels-, Versicherungsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig. Daneben berät und betreut er Gesellschafter, Geschäftsführer und Inhaber von Handelsgesellschaften in allen Fragen des Handelsrechts.
Im Bereich des Handelsrechts berät und begleitet er Rechtsfragen unter anderem zu den Themen
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- "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
- "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
- "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
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