Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht – Teil 12 – Gemeinschaftliches Testament
3.4.2 Gemeinschaftliches Testament
Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten errichtet werden (§ 2265 BGB). Beide Ehegatten testieren ihren jeweilig letzten Willen. Die Gemeinschaftlichkeit des Testaments kann sich darauf beschränken, dass es nur gemeinschaftlich errichtet wird aber sonst in keinem engeren Zusammenhang steht. Häufig wird es sich aber um wechselbezügliche Verfügungen handeln, also solche, die in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängen (§ 2270 Abs. 1 BGB).
Beispiel
Unternehmer U und seine Ehefrau F treffen in einer Urkunde folgende Anordnungen:
U: "Ich, Unternehmer U, vermache meiner Frau meine Eigentumswohnung und den PKW. Unsere Tochter T soll den Rest erben."
F: "Ich, Frau F, vermache meinem Mann meine Schmucksammlung und meine Wertpapiere. Unsere Tochter T soll den Rest erben."
- U und F können zu Lebzeiten ihre jeweils eigene Verfügung frei widerrufen (§§ 2271, 2296 BGB). Nur wenn einer der beiden Ehegatten gestorben ist, tritt die Bindungswirkung der Verfügungen ein, wenn diese in einem wechselbezüglichen Verhältnis zueinander standen. U und F wollten beide, dass ihre gemeinsame Tochter erbt. Um dies auch für den Fall abzusichern, dass man der früher Versterbende ist, bindet die Wechselbezüglichkeit den länger lebenden Ehegatten über den Tod des anderen hinaus.
Das gemeinschaftliche Testament ist gegenüber dem einfachen, eigenhändigen Testament nicht an die strengen Formvorschriften gebunden. Zwar muss auch das gemeinschaftliche Testament eigenhändig, das heißt handschriftlich, verfasst werden, doch muss der andere Teil nicht ebenso eigenhändig testieren. Ausreichend ist insoweit, dass er seine Unterschrift unter das Testament setzt.(Fußnote)
Zu Lebzeiten kann jeder der Ehegatten seine Verfügung frei, in Form einer notariell beurkundeten Erklärung, widerrufen (§§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB). Durch den Tod eines Ehegatten wird die freie Widerrufbarkeit ausgeschlossen und der überlebende Ehegatte ist an seine vertragsmäßige Verfügung gebunden. Dies kann er umgehen, indem er die Erbschaft ausschlägt. Somit kommt die vertragliche Bindung des Erblassers nicht mehr zur Geltung (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Der überlebende Ehegatte kann zwar seine eigene Verfügung nicht anfechten, doch aufgrund der Vergleichbarkeit des gemeinschaftlichen Testaments mit dem Erbvertrag steht ihm nach §§ 2281, 2078, 2079 BGB die Möglichkeit zu, die Verfügung des verstorbenen Ehegatten anzufechten und damit die Bindungswirkung und im Ergebnis auch die eigene Verfügung aufzuheben. Für eine Anfechtung der Verfügung des verstorbenen Ehegatten muss entweder ein Irrtum des Erblassers oder eine Bedrohung desselben zu der Verfügung Anlass gegeben haben (§ 2078 Abs. 1 BGB) oder es muss ein Pflichtteilsberechtigter durch die Verfügung übergangen worden sein, der dem Erblasser im Zeitpunkt seiner Verfügung noch nicht bekannt war (§ 2079 BGB).
Dem Interesse von unternehmerisch tätigen Ehegatten entspricht es in der Regel, dass das Vermögen mit dem Erbfall zuerst dem überlebenden Ehegatten und nach dessen Tod erst den Kindern zukommt. Um dieses Interesse rechtlich zu konstruieren gibt es im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments zwei Möglichkeiten:
- Trennungslösung (Berliner Testament)
- Einheitslösung
3.4.2.1 Trennungslösung
Wird die Trennungslösung in einem gemeinschaftlichen Testament gewählt, setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Vorerben und die Kinder zum Nacherben ein und als zusätzliche Ersatzerben des letztversterbenden Elternteils. Damit erhalten die Kinder im Ergebnis zwei getrennte Vermögensmassen. Die Kinder erhalten das Vermögen erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten. In Bezug auf den zuerst verstorbenen Elternteil haben sie die Stellung von Nacherben. In Bezug auf das Vermögen des zuletzt Verstorbenen sind sie Vollerben. Die Vermögen des Ehegatten bleiben vollständig getrennt.
Der Nachteil der Trennungslösung ist, dass es durch den zweifachen Vermögensübergang zu einer doppelten steuerlichen Belastung kommt.
3.4.2.2 Einheitslösung
Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Alleinerben und als Erben des länger lebenden Ehegatten ihre Kinder ein. Der überlebende Ehegatte wird Vollerbe seines verstorbenen Ehepartners. Folge ist, dass das Vermögen des Verstorbenen vollständig auf den Überlebenden übergeht und zu seinem Eigentum wird.
Der Nachteil der Einheitslösung ist, dass die im ersten Erbfall übergangenen Kinder Pflichtteilsansprüche geltend machen können, auch wenn sie im Ergebnis mit dem Tod des letztversterbenden Elternteils bedacht werden. Verstirbt auch der andere Ehegatte, erben die Kinder das gesamte Vermögen einheitlich als Schlusserben und damit als Vollerben des zuletzt Verstorbenen. Um dies zu ermöglichen, müssen die Kinder vom erstversterbenden Ehegatten enterbt werden. Da keine Vor- und Nacherbschaft besteht, kann der zuletzt versterbende Ehegatte über das ihm vom zuerst Verstorbenen zugewendete Vermögen frei verfügen. Einschränkungen der Verfügungsbefugnis ergeben sich nur in Bezug auf die Testierfreiheit des Überlebenden. Stehen die Verfügungen der Ehepartner in einem wechselseitigen Verhältnis, tritt mit dem Tod des einen die Bindungswirkung ein, sodass eine freie Verfügungsmöglichkeit von Todes wegen nicht mehr besteht.
3.4.3 Erbvertrag
Der Erbvertrag ist, wie das Testament, eine Verfügung von Todes wegen. Allerdings ist er auch ein Vertrag, der für den Erblasser eine Bindungswirkung erzeugt (§ 2278 Abs. 1 BGB). Die Vertragsleistung des Erblassers ist darin zu sehen, dass er den Vertragspartner verbindlich zum Erben einsetzt oder verbindliche Anordnungen trifft. So kann z.B. der unternehmerisch tätige Erblasser mit seinem Sohn einen Erbvertrag schließen mit dem Inhalt, dass dieser das Unternehmen übernehmen soll. Dann besteht einerseits für den Vater die Sicherheit, dass das Unternehmen an seinen Sohn übergeht und andererseits auch für den Sohn die Zusicherung, dass er das Unternehmen fortführen kann und sich keine andere Arbeit suchen muss. Für den Fall, dass der Unternehmer über die Frage nach der Person des Erben auch die Frage des "Wie" der Vermögensverwaltung vor seinem Tod beantwortet und gesichert haben möchte, kann eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Damit wäre der Unternehmer auch für den Fall abgesichert, dass der Sohn nach dem Tod seines Vaters dessen Unternehmen zerschlägt.
Durch den Erbvertrag werden früher getroffene und in Widerspruch zum Inhalt des Erbvertrages stehende Verfügungen von Todes wegen unwirksam (§ 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB). Gleichermaßen ist auch eine spätere Verfügung unwirksam, die mit dem Erbvertrag unvereinbar ist (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wer sich einseitig gebunden hat, kann die Bindungswirkung eines Erbvertrages nicht durch Widerruf oder Errichtung eines neuen Vertrages erreichen, sondern ist auf Vertragsaufhebung, Rücktritt oder Anfechtung beschränkt.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Thea Schenk-Busch, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-65-6.
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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2017