Restschuldbefreiung: Selbständigkeit in Insolvenz und Wohlverhaltensperiode, Teil 3 - Unter-/Überverdienst
Unterschreiten der Befriedigungsquote
Wenn ein selbständiger Schuldner nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode nicht die gleiche Befriedigungsquote erreicht, wie er sie erreicht hätte, wenn er einer unselbständigen Tätigkeit nachgegangen wäre, so wird dies – bei einem entsprechenden Antrag eines Insolvenzgläubigers – dazu führen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung insgesamt versagt wird. Der selbständig tätige Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass er die geringere Befriedigungsquote nicht verschuldet hat, beispielsweise weil die Auftragslage schlecht war. Beispiel: Schubert führt in seiner Wohlverhaltensperiode ein Bauunternehmen. In den letzten beiden Jahren der Wohlverhaltensperiode konnte er nicht mehr so viel abführen wie er musste. Schubert verweist auf die allgemein schwere wirtschaftliche Lage – vor allem in der Baubranche. Besondere Vorsicht ist geboten, da ein Treuhänder nicht die Aufgabe hat, den Insolvenzschuldner hierauf hinzuweisen. In der Praxis sind uns immer wieder Fälle begegnet, in denen der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode als Selbständiger tätig war und lediglich die nach § 850 c ZPO (hier: analog) pfändbaren Einkommensteile abführte, ohne zu ahnen, dass er so voraussichtlich keine Restschuldbefreiung erlangen kann. Könnte sich ein selbständig tätiger Schuldner auf eine schlechte Auftragslage berufen, würde dies zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Selbständigen im Gegensatz zum abhängig beschäftigten Schuldner führen. Wenn der Schuldner also während der Wohlverhaltensperiode erkennt, dass er als Selbständiger nicht in der Lage ist, den Anforderungen gerecht zu werden, die in finanzieller Hinsicht an ihn gestellt werden, so muss er die Selbständigkeit beenden und sich um ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis bemühen. Dies hat allerdings keine Auswirkung auf die bislang entstandene Zahlungsverpflichtung. Stimmen in der Literatur lehnen eine Versagung der Restschuldbefreiung ab, wenn der Schuldner alters- oder krankheitsbedingt keine angemessene Anstellung finden würde und deshalb seine selbständige Tätigkeit fortführt und auf diese Weise geringere Einkünften erzielt als bei der Aufnahme eines angemessenen Dienstverhältnisses. Ob die Rechtsprechung dem folgen wird, bleibt abzuwarten. Sicherheitshalber wird die Arbeitslosigkeit vorzuziehen sein, wenn die Restschuldbefreiung gesichert werden soll. Beispiel: Der Schuldner Schubert ist selbständig als Schlossermeister tätig. In der letzten Zeit laufen die Geschäfte aufgrund der schlechten Auftragslage sehr schleppend. Herr Schubert meint, dass er nun nicht so viel Geld wie früher an den Treuhänder abführen muss, da er ja nichts dafür kann, dass sich die Auftragslage verschlechtert hat. Hier irrt Herr Schubert, da er sich – wie oben geschildert – um ein anderes Dienst- oder Arbeitsverhältnis bemühen muss, wenn er als Selbständiger nicht in der Lage ist, den Anforderungen die an ihn gestellt werden, gerecht zu werden. Die Höhe der abzuführenden Beträge wird hierdurch nicht berührt – diese müssen weiter an den Treuhänder gezahlt werden.
Überdurchschnittlicher Verdienst
Für einen Schuldner, der mit seinem Betrieb überdurchschnittlich erfolgreich ist, besteht keinerlei Verpflichtung, einen etwaigen Überschuss an den Treuhänder herauszugeben. Maßgeblich ist nur der Betrag, den der Gläubiger im Falle eines angemessenen Dienstverhältnisses des Schuldners erhalten hätte. Beispiel: Die Geschäfte von Herrn Schubert laufen so gut, dass er neue Mitarbeiter einstellt und dadurch an große Aufträge kommt. Herr Schubert verdient mittlerweile sehr viel mehr. Trotzdem muss er weiterhin nur die 1.500,- € an den Treuhänder zahlen, denn lediglich so viel würden die Gläubiger bekommen, wenn Herr Schubert einer unselbständigen Tätigkeit nachgehen würde.
Die gegenteilige Meinung wird in einem Urteil des Amtsgerichts München vertreten. Das Urteil stellt jedoch eine explizite Rechtsbeugung dar, da mit der Entscheidung der Wortlaut des Gesetzes verletzt wird.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Restschuldbefreiung - Schuldenabbau durch Insolvenz (Chancen und Risiken der Restschuldbefreiung)" von Harald Brennecke und Markus Jauch, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 3-939384-00-3, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-00-7.
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Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.
Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.
Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.
Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.
Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
- "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
- "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7
- "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
- "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
- "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so
- „Selbständigkeit in der Insolvenz“
- „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
- „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“
Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
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