Arzthaftung – Teil 09 – Behandlungsfehler
4 Behandlungsfehler
Wie bereits gesehen, schuldet der Arzt aus dem Behandlungsvertrag nicht einen bestimmten Behandlungserfolg, sondern eine lege artis (Fußnote) durchgeführte Behandlung. Also eine solche, die dem zum Zeitpunkt der Behandlung anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht (Fußnote). Dies wird auch als medizinscher Standard bezeichnet. Der Standard gibt Aufschluss darüber, welches Verhalten von einem durchschnittlich gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Der medizinische Standard bemisst sich dabei nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Möglichkeiten und wird durch die Bundes- bzw. Landesärztekammern in Form von Richt- und Leitlinien konkretisiert (Fußnote). Voraussetzung für die Haftung eines Arztes ist, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, also dass der Arzt gegen eben diese medizinischen Standards verstoßen hat und es dadurch zu einem Schaden beim Patienten gekommen ist. Der Behandlungsfehler ist immer an dem zum Zeitpunkt der Behandlung einschlägigen Standard zu messen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich gerade arzthaftungsrechtliche Prozesse oft über einen langen Zeitraum hinziehen und gleichzeitig medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse eine rasche Entwicklung erfahren, darf das nicht vergessen werden. Der Standard, den der Patient dem Arzt gegenüber verlangen kann, ist außerdem davon abhängig, ob es sich um einen Fachmediziner, ein Fachkrankenhaus oder lediglich ein Krankenhaus der Allgemeinversorgung handelt. Je spezialisierter der Arzt bzw. das Krankenhaus, desto strengere Maßstäbe dürfen an die gebotenen Standards angelegt werden (Fußnote). Welcher Standard im konkreten Fall verlangt werden kann bzw. konnte, ist im Zweifel von einem medizinischen Gutachter zu klären. Der Behandlungsfehler allein, der keine schädigenden Auswirkungen auf den Patienten hat, begründet keine Haftung.
Grundsätzlich unterscheiden sich haftungsbegründende Fehler im Rahmen einer ärztlichen Behandlung in Behandlungs- und Aufklärungsfehler. Beide Fehlertypen können selbstständig oder ineinandergreifend auftreten.
4.1 Haftung aus einem Behandlungsfehler
Verstößt ein Arzt im Rahmen der Behandlung gegen die gebotenen Standards und verursacht dieser Verstoß einen Schaden für den Patienten, kann er Ansprüche gegen den Arzt geltend machen. Der Arzt muss den Verstoß selbst oder zurechenbar zu verschulden haben.
4.2 Der Begriff des Behandlungsfehlers
Entscheidend für die Beurteilung eines Behandlungsfehlers ist, ob der behandelnde Arzt nach den von ihm zu erwartenden medizinischen Fähigkeiten und Erfahrungen im konkreten Fall die Diagnose und Therapie vertretbar und sorgfältig gestellt und durchgeführt hat. Der Behandlungsfehler bezeichnet ein unsachgemäßes Verhalten des Arztes, das in einem Tun oder Unterlassen liegen kann. Der Begriff des Behandlungsfehlers ist weit auszulegen, er bezeichnet nicht nur Fehler aus der direkten Behandlung, sondern auch die Fehler im Behandlungsumfeld (Fußnote). Schon ein leichter Fehler kann zu einer Haftung des Arztes führen (Fußnote).
Beispiel 1 für leichten Behandlungsfehler
Bei Patient X, der immobil und schwerkrank ist, tritt ein Dekubitus (Fußnote) auf, nachdem das Pflegepersonal den Patienten nicht häufig genug umgelagert hat.
- Der behandelnde Arzt muss für dieses Auftreten haften, da Druckverletzungen auch bei schwerkranken Patienten durch korrektes und ausreichend häufiges Umlagern voll beherrschbar vermieden werden können (Fußnote).
Beispiel 2 für leichten Behandlungsfehler
Bei Patient Y wird eine intraarterielle Injektion durchgeführt. Der Arzt lässt dabei die Anforderungen steriler Bedingungen außer Acht. Y erleidet dadurch eine Infektion.
- Der behandelnde Arzt haftet für die Schäden, die dem Y aus der Infektion entstehen. Auch im hektischen Krankenhausbetrieb muss der Arzt sich vergewissern, dass intraarterielle Injektionen nur unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden.
Für schicksalhafte Krankheitsverläufe, die sich trotz der sorgfältigen und gebotenen Behandlung ereignen, trifft den Arzt keine Haftungspflicht.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.
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Stand: Januar 2018
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Guido-Friedrich Weiler schult Arbeitgeber und Betriebsräte in Fragen des Betriebsverfassungsrechts, des Insolvenzarbeitsrechts sowie des Arbeitnehmerdatenschutzes. Seine umfassende Lehrerfahrung ermöglicht es ihm, Fachanwälte für Arbeitsrecht in Spezialthemen fortzubilden.
Als Trainer ist Guido-Friedrich Weiler bei diversen Dax-30-Unternehmen anerkannter Spezialist, wenn es um arbeitsrechtliche Fragen von Datenschutz, Interne Revision oder Compliance geht. Er publiziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere zu Fragen der Arbeitnehmerüberwachung und steht als Interviewpartner diversen Rundfunksendern zur Verfügung (WDR, RPR 1).
Von 1999 bis 2006 war Guido-Friedrich Weiler bei der Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.
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Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Arbeitsrecht im speziellen Bereich der Mitarbeiterbeteiligungsmodelle tätig. Er berät, prüft und gestaltet Arbeitnehmerbeteiligungen wie Stock Options, Phantom Stocks, Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften und anderen Modelle.
Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:
- Mitarbeiterbeteiligungsmodelle: Einführung in das Recht der Stock Options, Phantom Stocks und Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften
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