Aufhebungsvertrag - Teil 18 - Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
6.4 Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit
Oftmals wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Zeitraum zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitspflicht freistellen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit ist und trotzdem vergütet wird. Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung besteht nicht.
6.4.1 Vorteile für den Arbeitgeber
Für den Arbeitgeber kann das sinnvoll, sein, weil ein Arbeitnehmer, der schon weiß, dass er bald aufhören wird, für den Arbeitgeber zu arbeiten, eventuell eine Gefahr für Betriebsgeheimnisse darstellt oder sich noch Know-How aneignet, dann der Konkurrenz zugutekommen könnte. Möglich ist auch, dass der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen keine Verwendung mehr für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers hat oder bei einem Aufhebungsvertrag anstelle einer verhaltensbedingten Kündigung personenbezogene Gründe gegen eine Weiterbeschäftigung sprechen.
6.4.2 Vorteile für den Arbeitnehmer
Für den Arbeitnehmer bietet die Freistellung den Vorteil, dass er vergütet wird, ohne arbeiten zu müssen und die so gewonnene Zeit zum Beispiel nutzen kann, um einen neuen Arbeitsplatz zu suchen.
6.4.3 Arten der Freistellung und Folgen
Zu unterscheiden sind einseitige und einvernehmliche Freistellung sowie widerrufliche oder unwiderrufliche Freistellung, da sich je nach Art der Freistellung unterschiedliche Folgen ergeben.
6.4.3.1 Einseitige Freistellung
Eine einseitige Freistellung liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne dessen Einverständniserklärung von der Arbeitspflicht freistellt. Dazu ist er berechtigt, wenn im Arbeitsvertrag eine Freistellungsklausel vereinbart ist oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen kann oder der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse daran hat, den Arbeitnehmer freizustellen.
Beispiel:
Arbeitgeber G wollte Arbeitnehmer A wegen des begründeten Verdachts eines Betrugs (§ 263 StGB) zulasten des Unternehmens des G kündigen. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, einigten sich G und A stattdessen auf einen Aufhebungsvertrag. Bis zum darin vereinbarten Beendigungszeitpunkt stellt G den A einseitig von der Arbeitspflicht frei. Die Vergütung wird weiterhin gezahlt.
- Es besteht der begründete Verdacht, dass A eine Straftat zulasten seines Arbeitgebers begangen hat.
- G hat deshalb ein überwiegendes Interesse, den A nicht mehr bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu beschäftigen.
- G ist berechtigt, A einseitig freizustellen.
Die einseitige Freistellung kann widerruflich oder unwiderruflich erfolgen. Voraussetzung für eine unwiderrufliche Freistellung ist, dass diese eindeutig als solche zu erkennen ist. Das ist entweder der Fall, wenn sie ausdrücklich als "unwiderruflich" bezeichnet ist oder, wenn sie als unwiderruflich gewollt ist und der Wille erkennbar wird. Der Wille des Arbeitgebers ist durch Auslegung zu ermitteln, § 133 BGB. Die Rechtsprechung nimmt eine unwiderrufliche Freistellung zum Beispiel an, wenn die Freistellung unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche erfolgt (BAG, Urteil vom 14. 3. 2006 - 9 AZR 11/05, NZA 2006, 1008). Die Frage, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich sein soll, ist insbesondere relevant dafür, ob der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erlischt. Dies passiert nur bei einer unwiderruflichen Freistellung und der ausdrücklichen Erklärung, dass die Urlaubsansprüche angerechnet werden.
Beispiel:
Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer mit: "Sie sind mit sofortiger Wirkung von der Arbeitspflicht freigestellt. Die Vergütung erhalten Sie bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt." Über etwaige Urlaubsansprüche oder ähnliches verliert er kein Wort.
- Es handelt sich um eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber.
- Der Arbeitgeber hat sie nicht ausdrücklich als "unwiderruflich" bezeichnet. Sein Wille muss durch Auslegung ermittelt werden, § 133 BGB. Er macht keine Angaben zu Urlaubsansprüchen oder ähnlichem. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt die Auslegung seiner Erklärung mangels Indizien für eine Unwiderruflichkeit eine widerrufliche Freistellung.
- Der Arbeitnehmer behält seinen Urlaubsanspruch. Dieser muss nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden, § 7 IV BUrlG.
Anders würde es sich verhalten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt unwiderruflich freigestellt hätte. Dann könnte der Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses keine Abgeltung der Urlaubsansprüche mehr verlangen.
Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (zum Beispiel durch ausdrückliche Erklärung der Unwiderruflichkeit) zwar einseitig unwiderruflich aber ohne Anrechnung der Urlaubsansprüche freistellt. In dieser Konstellation kann der Arbeitnehmer die Abgeltung der Urlaubsansprüche noch verlangen.
Um Unklarheiten zu vermeiden, wird empfohlen, eine ausdrückliche Vereinbarung über die Anrechnung des Urlaubs zu treffen. Alternativ sollte der Arbeitgeber die Anrechnung der Urlaubsansprüche einseitig anordnen.
Nach aktueller Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer sich das, was er während der Dauer der Freistellung anderweitig verdient, nicht auf seine Vergütung anrechnen lassen. Möchte der Arbeitgeber eine Anrechnung gem. § 615 S. 2 BGB erreichen, muss er sich diese vorbehalten. Voraussetzung dafür ist dann aber, dass die genaue zeitliche Lage des Urlaubs im Zeitraum der Freistellung festgesetzt wird (BAG, Urteil vom 19.03.2002 - 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1319). Sicherheitshalber sollte im Aufhebungsvertrag eine ausdrückliche Regelung darüber erfolgen, ob anderweitige Verdienste angerechnet werden oder nicht.
Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gilt für den Arbeitnehmer grundsätzlich ein Wettbewerbsverbot analog § 60 I HGB (BAG, Beschluss vom 17.10.1969 - 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 7). Dessen Zweck ist es, den Arbeitgeber vor Konkurrenz durch seine Arbeitnehmer in derselben Branche zu schützen. Es betrifft grundsätzlich auch den Zeitraum der Freistellung zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrags und vereinbartem Beendigungszeitpunkt, weil das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitraum noch besteht. Eine Besonderheit stellt die (einseitige) unwiderrufliche Freistellung mit dem Vorbehalt der Anrechnung anderweitiger Verdienste dar. In diesem Fall soll der Arbeitnehmer nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden sein, es sei denn es ist ein gegenteiliger Wille des Arbeitgebers in der Freistellungserklärung erkennbar (BAG, Urteil vom 6. 9. 2006 - 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36). Wie so oft empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Regelung im Aufhebungsvertrag zu treffen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
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Monika Dibbelt
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Tilo Schindele
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Stand: Januar 2019
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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