Aufhebungsvertrag - Teil 19 - Einvernehmliche Freistellung
Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
6.4.3.2 Einvernehmliche Freistellung
Als einvernehmliche Freistellung wird es bezeichnet, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag darauf einigen, dass der Arbeitnehmer für den Freistellungszeitraum von seiner Arbeitspflicht (und der Arbeitgeber entsprechend von seiner Beschäftigungspflicht) entbunden und der Arbeitnehmer weiterhin vergütet werden soll. Es kann auch bei der einvernehmlichen Freistellung zwischen widerruflicher oder unwiderruflicher Freistellung unterschieden werden.
Ein Arbeitgeber, der nicht nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch Urlaub abgelten will, muss wie bei der einseitigen Freistellung darauf achten, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt und offene Urlaubsansprüche ausdrücklich angerechnet werden.
Beispiel:
Im Aufhebungsvertrag findet sich folgende Freistellungsklausel:
"Der Arbeitnehmer wird bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt bei Fortzahlung der Vergütung unter Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche von seiner Arbeitspflicht unwiderruflich freigestellt."
- Es handelt sich um eine einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung.
- Der Zusatz, dass offene Urlaubsansprüche angerechnet werden ist enthalten.
- Nach Ende des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer keine Geldforderungen mehr gegen den Arbeitgeber wegen noch offener Urlaubsansprüche.
Eine Anrechnung anderweitiger Verdienste gem. § 615 S. 2 BGB erfolgt nicht, es sei denn der Arbeitgeber hat sich dies vorbehalten (BAG, Urteil vom 19.03.2002 - 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1319).
Das Wettbewerbsverbot analog § 60 I HGB gilt auch bei einer einvernehmlichen Freistellung fort, wenn der Arbeitgeber nicht darauf verzichtet. Eine Anrechnung von Verdiensten, die unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot bei einem Konkurrenzunternehmen erworben wurden, erfolgt aber nicht, wenn keine Vereinbarung über die Anrechnung anderweitiger Verdienste getroffen wurde (BAG, Urteil vom 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207).
Es besteht auch für einen Arbeitnehmer, der seiner Freistellung zugestimmt hat, keine Gefahr, seinen Sozialversicherungsschutz zu verlieren. Die Sozialversicherungspflicht besteht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses - also auch während der Freistellung (BSG, Urteil vom 24.09.2008 - B 12 KR 27/07 R, NJW 2009, 1772).
6.4.4 Die Freistellung in der Praxis
In der Praxis sollte bei einer Freistellungsklausel im Aufhebungsvertrag darauf geachtet werden, folgende Themenfelder zu besprechen und vertraglich zu regeln:
- Noch offene Urlaubsansprüche
- Anrechnung anderweitiger Verdienste i.S.d § 615 S. 2 BGB
- Wettbewerbsverbot analog § 60 I HGB
- Unfallversicherungsstellung des Arbeitnehmers
6.5 Vergütungsfortzahlung
Wenn der Aufhebungsvertrag keine Regelung zur Vergütung enthält, ist diese bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt wie bisher weiter zu gewähren. Das betrifft sowohl das "normale" Arbeitsentgelt (also Lohn oder Gehalt) als auch alle weiteren Bezüge, die der Arbeitnehmer bisher erhalten hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses problematisch wird, welche Zahlungen der Arbeitnehmer noch verlangen kann. Der Aufhebungsvertrag kann, um solche Streitigkeiten zu vermeiden, genau regeln, welche Vergütungsposten der Arbeitnehmer noch erhalten soll. Das können zum Beispiel folgende Vergütungselemente sein:
- Provision,
- Umsatzbeteiligung,
- Tantieme,
- Gratifikation,
- 13./14. Monatsgehalt,
- Urlaubsgeld,
- Jubiläumszuwendungen,
- Jahresabschlussvergütungen,
- Treueprämien.
Geregelt werden kann jeweils:
- ob die Position überhaupt weiter bezogen werden soll,
- Höhe der Leistung,
- Auszahlungszeitpunkt.
Vor Beginn der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag sollten sich die Vertragsparteien jeweils die Mühe machen, herauszufinden, welche Ansprüche aktuell noch bestehen. Dabei sind Ausschlussfristen, Verjährung und Verwirkung zu beachten.
Insbesondere wenn der Aufhebungsvertrag an die Stelle einer fristlosen Kündigung (§ 626 BGB) tritt, ist es denkbar, dass im Aufhebungsvertrag vereinbart wird, bis zum ("glatten") Beendigungszeitpunkt überhaupt keine Vergütung mehr zu zahlen.
6.6 Urlaub- und Urlaubsabgeltung
Unproblematisch ist das Thema Urlaub, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags bereits den ihm zustehenden Urlaub vollständig genommen hat.
Häufig wird jedoch noch Resturlaub offenstehen. Der Arbeitnehmer hat kein Recht, sich selbst zu beurlauben. Im Rahmen einer Freistellung kann der Urlaub "verbraucht" werden, wenn der Resturlaub des Arbeitnehmers auf die Freistellung angerechnet wird. Dabei erlöschen die Urlaubsansprüche nur bei einer unwiderruflichen Freistellung und der ausdrücklichen Erklärung, dass die Urlaubsansprüche angerechnet werden. Denkbar ist auch, dass dem Arbeitnehmer Urlaub im Freistellungszeitraum oder falls keine Freistellung erfolgt, im Zeitraum zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird. Wenn der Urlaub nicht bis zum Beendigungszeitpunkt genommen oder auf die Freistellung angerechnet wird, hat der Arbeitnehmer unter Umständen noch offene Urlaubsansprüche, die gem. § 7 IV BUrlG abzugelten sind.
Auf offene gesetzliche Urlaubsansprüche kann vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verzichtet werden; ein Erlassvertrag i.S.d. § 397 I BGB wäre nichtig. Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes sind grundsätzlich unabdingbar, § 13 I 3 BUrlG. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist es aber möglich sein, durch Vereinbarung einer Ausgleichsklausel die Abgeltung noch offener gesetzlicher Urlaubsansprüche auszuschließen (BAG, Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11, NZA 2013, 1098).
Beispiel (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11, NZA 2013, 1098)
Arbeitgeber X und Arbeitnehmer Y befinden sich in einem Kündigungsrechtsstreit. Während des Prozesses vereinbaren sie einen Aufhebungsvertrag, der regelt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung wirksam beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Y noch offene Urlaubsansprüche. Im Aufhebungsvertrag befindet sich folgende Ausgleichsklausel:
"Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt."
- Bei der Ausgleichsklausel handelt es sich um ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 II BGB), das sich auch auf die noch offenen Urlaubsansprüche bezieht. Das bedeutet, Y erkennt an, keine offenen Urlaubsansprüche mehr zu haben.
- § 13 I 3 BUrlG steht diesem Anerkenntnis nicht entgegen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer nach aktueller Rechtsprechung nicht mehr schutzwürdig, weil es sich bei dem Abgeltungsanspruch um einen gewöhnlichen Zahlungsanspruch (und nicht um ein Surrogat für den Urlaubsanspruch) handeln würde.
- Y hat daher infolge der Ausgleichsklausel nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch gegen X auf Abgeltung der noch offenen Urlaubsansprüche.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
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Tilo Schindele
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Monika Dibbelt
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Stand: Januar 2019
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
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