Aufhebungsvertrag - Teil 26 - Arbeitslosenversicherung.rtf
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
9.2.3.2 Arbeitslosenversicherung
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt voraus (vgl. §§ 136 I, 137 I SGB III):
- Arbeitslosigkeit
- Meldung bei der Agentur für Arbeit
- Erfüllung der Anwartschaftszeit
Die Anwartschaftszeit wird von jemandem erfüllt, der in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hat, § 142 I 1 SGB III. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, § 143 I SGB III. Sie ist in die Vergangenheit gerichtet. Die sonstigen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn Arbeitslosigkeit eingetreten ist und sie an die Agentur für Arbeit gemeldet wurde. Häufigster Fall für ein zwölf Monate währendes Versicherungsverhältnis ist die tatsächliche Beschäftigung als Arbeitnehmer, vgl. § 25 I 1 SGB III. Das bedeutet, der Arbeitnehmer ist anwesend und arbeitet regulär.
Denkbar ist auch eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts während einer Phase, in der der Arbeitnehmer nicht arbeitet. So zum Beispiel im Fall einer Krankheit (vgl. § 3 I 1 EFZG) oder eines Urlaubs (vgl. § 11 I 1 BUrlG). Schließlich kann auch während der Dauer einer Freistellung ein Versicherungsverhältnis bestehen. Wenn während der Zeit der Freistellung kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, gilt dies für maximal einen Monat, vgl. § 7 III 1 SGB IV. Ist die Freistellung für eine längere Zeit als drei Monate geplant, muss währenddessen Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben (vgl. § 7b SGB IV) gezahlt werden und das monatliche Arbeitsentgelt nicht unangemessen von dem der vorigen zwölf Monate abweichen, § 7 Ia 1 SGB IV.
Wenn der Beendigungszeitpunkt im Aufhebungsvertrag ungünstig gewählt wird, kann es passieren, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt wird. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten also auch Anwartschaftszeit im Auge behalten. Unabhängig davon kommt es durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag gegebenenfalls zu Ruhens- und Sperrzeiten:
9.2.4 Ruhens- und Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld
Für den Arbeitnehmer kann es durch den Aufhebungsvertrag gem. §§ 157, 158, 159 SGB III zu Ruhens- und Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld kommen.
9.2.4.1 Ruhenszeiten
Wenn der Arbeitnehmer noch offene Urlaubsansprüche hat und diese wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag abgegolten werden, kommt es gem. § 157 II 1 SGB III für die Dauer des abgegoltenen Urlaubs zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Beginn der Ruhenszeit ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 157 II 2 SGB III.
Hintergrund dafür ist, dass der Arbeitnehmer nicht gleichzeitig sowohl Arbeitsentgelt als auch Arbeitslosengeld bekommen soll. Solange noch Urlaub abgegolten wird, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt und das Arbeitslosengeld braucht noch nicht einzusetzen. Dabei genügt es grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die in Frage stehende Zeit hat. Ob der Arbeitgeber ihm das Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt, ist für das Ruhen im Prinzip irrelevant. Gleichwohl wird das Arbeitslosengeld in einem solchen Fall an den Arbeitnehmer gezahlt, um ihn zu unterstützen, vgl. § 157 III 1 SGB III.
Gem. § 158 I 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitslos Gewordenen, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten hat oder beanspruchen kann. Weitere Voraussetzung für das Ruhen des Anspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, § 158 I 1 SGB III - das bedeutet, eine einschlägige ordentliche Kündigungsfrist aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Gesetz muss unterschritten worden sein. Hätte der Arbeitgeber dagegen auch eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 BGB aussprechen können, statt sich mit dem Arbeitnehmer auf einen Aufhebungsvertrag zu einigen, so kommt es gem. § 158 II Nr. 3 SGB III nicht zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Zu beachten ist jedoch, dass in einem solchen Fall eine Sperrzeit gem. § 159 I Nr. 1 SGB III verhängt wird, während deren Geltung der Anspruch ebenfalls ruht.
Ähnlich wie § 157 II 1 SGB III soll § 158 I 1 SGB III verhindern, dass der Arbeitnehmer Doppelleistungen erhält. Zudem soll die Norm vor Manipulationen zuungunsten der Arbeitslosenversicherung schützen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen nicht versuchen, ein Ruhen des Arbeitslosengeldes gem. § 157 I 1 SGB III (Ruhen während des Erhalts von Arbeitsentgelts) dadurch zu umgehen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer früheren Beendigung kein Arbeitsentgelt, dafür aber eine höhere Abfindung erhält. Ein Ruhen tritt aber nicht ein, wenn der Beendigungszeitraum der Frist einer ordentlichen Kündigung entspricht, vgl. § 158 I 1 SGB III. Aufgrund der Vergleichbarkeit der Situation mit einer ordentlichen Kündigung besteht keine Manipulationsgefahr.
Beispiel:
Arbeitnehmer N ist mehrfach über einen längeren Zeitraum unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Abmahnungen seitens seines Arbeitgebers M ignorierte N. M wäre deshalb berechtigt, N fristlos zu kündigen, vgl. § 626 I BGB. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, entschließt er sich jedoch, einen Aufhebungsvertrag mit N zu schließen. N ist einverstanden. Kommt es zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für N?
- Es kommt gem. § 158 I 1 SGB III nicht zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für N, wenn N keine Abfindung oder eine sonstige Entlassungsentschädigung erhält.
- Falls die Voraussetzungen des § 158 I 1 SGB III vorliegen, ruht der Anspruch gem. § 158 II Nr. 3 SGB III dennoch nicht, weil M zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.
- Jedoch erfüllt N die Voraussetzungen des § 159 I 1 SGB III, sodass es zur Verhängung einer Sperrzeit kommt, während deren Dauer der Anspruch auf Arbeitslosengeld für N ebenfalls ruht.
Der Zeitraum des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beginnt am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und endet an dem Tag, an dem eine einschlägige ordentliche Kündigungsfrist geendet hätte, vgl. § 158 I 1 SGB III. Zum Fristbeginn sowie zu der Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Arbeitnehmer ordentlich nicht kündbar war, gibt § 158 I 2, 3 SGB III Auskunft. Die maximale Dauer des Ruhens beträgt ein Jahr, § 158 II 1 SGB III.
Hintergrund der Regelungen in § 158 I SGB III ist, dass der Gesetzgeber unwiderleglich vermutet, die gezahlte Entlassungsentschädigung decke das Arbeitsentgelt ab, welches der Arbeitgeber im Fall einer ordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hätte zahlen müssen. Die Vereinbarung, das Arbeitsverhältnis zu beenden ohne eine ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, soll den ehemaligen Arbeitnehmer, der eine Entlassungsentschädigung erhält, deshalb nicht berechtigen, Arbeitslosengeld zu beanspruchen. Er wird gleichgestellt mit demjenigen, der Arbeitsentgelt beziehen kann und deshalb gem. § 157 I SGB III keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. § 158 SGB III soll verhindern, dass jemand zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung doppelte Leistungen bezieht.
Während der Anspruch des Arbeitslosen auf Arbeitslosengeld ruht, untersteht dieser nicht dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Bezüglich seiner Rentenversicherung gilt, dass er während des Ruhens keine Versicherungszeiten sammelt (Schulte in Tschöpe, Arbeitsrecht, 10. Auflage 2017, Teil 3 C, Rz. 74).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
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Tilo Schindele
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Stand: Januar 2019
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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