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Aufhebungsvertrag - Teil 30 - Widerrufsrecht

11.2 Widerrufsrecht

Ein Widerruf des Aufhebungsvertrags setzt eine Widerrufserklärung und ein Widerrufsrecht voraus. Das Widerrufsrecht kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben.

11.2.1 Widerrufsrecht aus Aufhebungsvertrag

Wie beim Rücktrittsrecht ist es auch beim Widerruf denkbar, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Widerrufsrecht im Aufhebungsvertrag regeln. Die vereinbarten Voraussetzungen sind dann maßgeblich dafür, ob ein Widerruf erfolgreich ist oder nicht. In der Praxis vereinbaren die Aufhebungsvertragsparteien bei einem außergerichtlichen Vertragsschluss nur selten eine Rücktritts- oder Widerrufsklausel. Kommt der Aufhebungsvertrag dagegen durch einen Prozessvergleich zustande, findet sich häufig die Möglichkeit zum Widerruf (gegenüber dem Arbeitsgericht) bis zu einer bestimmten Frist im Aufhebungsvertrag.

11.2.2 Kollektivvertragliches Widerrufsrecht

Ein Widerrufsrecht kann auch kollektivrechtlich festgelegt sein. So enthalten beispielsweise Tarifverträge des Einzelhandels gelegentlich Klauseln, die dem Arbeitnehmer den Widerruf des Aufhebungsvertrags innerhalb einer bestimmten Frist nach dessen Abschluss ermöglichen. Teilweise enthalten diese jedoch auch eine Möglichkeit, auf das Widerrufsrecht zu verzichten. Ist ein wirksamer Verzicht auf ein tarifliches Widerrufsrecht erklärt worden, kann sich der Arbeitnehmer nicht mehr darauf berufen. Für den Beginn der Widerrufsfrist ist nicht ausschlaggebend, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf das Widerrufsrecht aufmerksam gemacht hat (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 184).

11.2.3 Gesetzliches Widerrufsrecht

Gesetzliche Widerrufsrechte für Verbraucher finden sich in den §§ 312 ff. BGB.

11.2.3.1 Arbeitnehmer als Verbraucher

Der Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird von der Rechtsprechung als Verbrauchervertrag qualifiziert (BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762). Demnach ist der Anwendungsbereich der §§ 312 ff. grundsätzlich eröffnet.

Für Verbraucher, die einen Verbrauchervertrag i.S.d. §§ 312 I, 310 III BGB geschlossen haben, kommt ein Widerrufsrecht gem. §§ 355, 312g BGB in Betracht. § 312g I Alt. 1 BGB sieht es für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträgen vor (vgl. § 312b BGB) - diese wurden in der alten Fassung des BGB als "Haustürgeschäfte" bezeichnet, für die ein "Überrumpelungseffekt" bezeichnend ist (Wendehorst in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 312b BGB Rn. 2 ff). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Norm beim Abschluss von Aufhebungsverträgen grundsätzlich nicht erfüllt, sodass sich kein Widerrufsrecht für den Arbeitnehmer aus den §§ 355, 312g, 312b I 1 BGB ergibt. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu aus:

Die Norm dient einem situationsbezogenen und vertragstypischen Verbraucherschutz. (...) Der Gesetzgeber hält jedoch nur in den Fällen einer atypischen situativen Vertragsanbahnung einen Schutz des Verbrauchers für erforderlich. Der Abschluss einer arbeitsrechtlichen Beendigungsvereinbarung im Betrieb erfolgt aber für den Arbeitnehmer nicht an einem „fremden”, für das abzuschließende Rechtsgeschäft atypischen Ort. Es fehlt an dem situationstypischen Überraschungsmoment. Der Arbeitnehmer weiß und rechnet damit, dass die das Arbeitsverhältnis betreffenden Fragen im Betrieb - vertraglich - geregelt werden. Dass sich der Arbeitnehmer unter Umständen dem Vertragsangebot des Arbeitgebers nur schwer entziehen kann, erfasst der Schutzzweck (...) nicht." (BAG, Urteil vom 27. 11. 2003 - 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597)

Der Arbeitnehmer kann sich daher nicht durch Widerruf gem. §§ 355, 312g BGB vom Aufhebungsvertrag lösen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

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