Baugenehmigung – Teil 14 – Land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb
2.3.1.1 Land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb
Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, das einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.
Der für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zentrale Begriff der Landwirtschaft hat in § 201 BauGB seine Legaldefinition gefunden.
Gemäß § 201 BauGB ist Landwirtschaft i.S. Des BauGB insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei. Mit Ausnahme der beiden zuletzt genannten Tätigkeiten muss es sich immer um einen Fall unmittelbarer Bodenertragsnutzung in dem Sinne handeln, dass der Boden zum Zwecke der Nutzung seines Ertrages planmäßig und eigenverantwortlich bewirtschaftet wird.
Auch landwirtschaftsfremde Vorhaben, die wegen ihrer betrieblichen Zuordnung zu der landwirtschaftlichen Tätigkeit (also der Verarbeitung oder dem Absatz der in der Landwirtschaft erzeugten Güter dienen) „mitgezogen werden“, können an der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB teilnehmen. Vorausgesetzt wird dabei, dass es sich bei dem „mitgezogenen“ Betrieb nur um eine „bodenrechtliche Nebensache“ handelt.
Landwirtschaft ist daher grundsätzlich nur unmittelbare Bodenertragsnutzung, die planmäßig eigenverantwortlich - also i. S. d. „Wirtschaftens“ - betrieben werden muss.
Nicht zur Landwirtschaft gehören daher Betriebe, die nur einen mittelbaren Bezug zur Landwirtschaft haben. Das ist der Fall bei landwirtschaftlichen Lohnbetrieben sowie landwirtschaftlichen Lohnfuhrunternehmen.
Die im BauGB nicht definierte Forstwirtschaft ist die planmäßige Bewirtschaftung von Wald zum Zwecke der Holzgewinnung. Dabei wird der Anbau, die Pflege und der Abschlag des Hoch-, Mittel- und Niederwaldes mit eingeschlossen.
Ein Betrieb, der forstwirtschaftliche Arbeiten für Dritte ausführt, ist kein forstwirtschaftlicher Betrieb i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Land- und Forstwirtschaft sind privilegiert, wenn sie in der Form eines „Betriebes“ geführt werden. Dahinter verbirgt sich der bereits oben angesprochene Gedanke, dass der Außenbereich nur wegen einer ernsthaften, auf Dauer angelegten und damit nachhaltigen landwirtschaftlichen Betätigung den Anspruch genommen werden soll und nicht wegen einer Landwirtschaft, die zur Freizeitgestaltung und damit als Hobby betrieben wird. Ein Betrieb setzt eine bestimmte Organisation, Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit voraus. Es muss sich ferner um ein auf Dauer – und zwar für Generationen – gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln.Der Begriff „Generationen“ markiert dabei einen Zeithorizont und keine Familienbindung des Betriebs.
Die Rechtsprechung hat Kriterien entwickelt, deren Fehlen in der Regel darauf hindeutet, dass die Land- oder Forstwirtschaft nicht in der Form eines Betriebes geführt wird.
Diese Kriterien sind:
- die objektive Möglichkeit der Gewinnerzielung, wobei die tatsächliche Gewinnerzielung ebenso wenig gefordert ist wie die Berufsmäßigkeit;
- der mehr oder minder auf Dauer, „für Generationen“, gesicherte Zugriff auf die notwendigen Nutzflächen, was regelmäßig Eigentum erfordert und der Verwendung von Pachtland Grenzen zieht;
- der Umfang der Tätigkeit und eine gewisse organisatorische Verstetigung;
- die persönliche, insbesondere fachliche und wirtschaftliche Eignung des Land- und Forstwirts
Weiterhin muss das Vorhaben dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb „dienen“. Vorausgesetzt wird daher, dass das Vorhaben tatsächlich in einer funktionalen Beziehung zu dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb steht. Das Vorhaben muss nach der konkreten Wirtschaftsweise dem Betrieb hinreichend zweckdienlich sein. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn es dem Betrieb lediglich förderlich ist. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass es für den Betrieb unentbehrlich ist.
Darüber hinaus verlangt § 35 Abs. 1 Nr. BauGB, dass das Vorhaben nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Hierdurch wird gewährleistet, dass der wesentliche Teil der Betriebsgrundstücke unbebaut und damit als Freifläche erhalten bleibt, um den Charakter des Außenbereichs zu erhalten.
2.3.1.2 „Erwünschte“ Außenbereichsvorhaben
Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind solche Vorhaben prinzipiell dem Außenbereich zugeordnet, die wegen ihrer spezifischen Beziehungen zur Umgebung nicht sinnvoll innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile errichtet werden können. Diese Klausel verhilft jedem Vorhaben jedweden Gegenstands zur Zulässigkeit, sofern das Vorhaben aus einem der in Abs. 1 Nr. 4 aufgezählten drei Gründe in keinem anderen Baugebiet als dem Außenbereich Platz findet und deshalb notwendigerweise dort ausgeführt werden muss. Die hiermit angesprochene Erforderlichkeit geht über den Begriff des Dienens (vgl. oben) hinaus und verlangt, dass die Eigenart des konkreten Vorhaben seine Errichtung im Außenbereich quasi erzwingt. Die Beurteilung der Anforderungen erfolgt im Einzelfall.
Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterscheidet drei Fallvarianten:
- Vorhaben, die besondere Anforderungen an ihre Umgebung stellen;
- Vorhaben, die eine nachteilige Wirkung auf ihre Umgebung ausüben;
- Vorhaben, die einer besonderen Zweckbestimmung vorbehalten sind.
Ein Vorhaben kann zugelassen werden, weil es besondere Anforderungen an die Umgebung stellt. In diesem Fall vermag das Vorhaben seine Funktion nur im Zusammenhang mit bestimmten Eigenschaften der Umgebung zu erfüllen, die gerade in einem beplanten oder bebauten Bereich nicht anzutreffen sind. Hierzu gehören beispielsweise eine Wetterwarte, ein Aussichtsturm, ein Autokino größerer Art oder eine Jagdhütte.
Hat ein Vorhaben eine derart nachteilige Wirkung auf die Umgebung, dass es selbst in einem ausgewiesenen Industriegebiet keine Verwirklichungschance besitzt, kann es nur im Außenbereich verwirklicht werden. Hierzu gehören intensive Hühner- oder Schweinehaltungen, aber auch Schießplätze oder Tierkörperbeseitigungsanstalten und wegen ihres Gefahrenpotentials Sprengstofffabriken und Sprengstofflager.
Weiterhin kann eine besondere Zweckbestimmung für die Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich sprechen. Das ist der Fall, wenn die Nutzung nicht ausschließlich einem individuellen Interesse dient, sondern die Allgemeinheit miteinbezieht. Hierunter zählen beispielsweise Forsthäuser oder öffentliche Ski- und Berghütten.
Zu beachten ist, dass nicht jedes Vorhaben, welches sinnvoll nur im Außenbereich errichtet werden kann auch dort errichtet werden „soll“. Hinzukommen muss, dass eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das Vorhaben wegen der privilegierenden Eigenart „nur im Außenbereich“ ausgeführt werden soll. Es muss daher wertend abgewogen werden, ob das Vorhaben und der mit ihm verfolgte Zweck seine Privilegierung im Außenbereich rechtfertigen. Folglich muss die zu erwartende Belastung des Außenbereichs durch das, was dem Vorhaben oder seinem Zweck an Wert zukommt, ausgeglichen werden.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Das Recht der Baugenehmigung“ von Olaf Bühler, Rechtsanwalt, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-90-8.
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