Einführung ins Erbrecht Teil 9: Der Pflichtteil – 10. Ehegattenpflichtteil
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Für die Höhe des Pflichtteils des überlebenden Ehegatten ist wie bei der gesetzlichen Erbfolge entscheidend, in welchem Güterstand die Eheleute lebten. Im Folgenden wird ausführlich auf den Güterstand der Zugewinngemeinschaft eingegangen. Lebt das Ehepaar in der Zugewinngemeinschaft, erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um den pauschalierten Zugewinnausgleich in Höhe von ¼. Kommt es nach dem Tode eines Ehegatten zur Geltendmachung des Pflichtteils, ist im Falle der Zugewinngemeinschaft zwischen dem sogenannten großen und dem kleinen Pflichtteil zu unterscheiden. Der große Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen, um den pauschalierten Zugewinn erhöhten Erbteils. Der kleine Pflichtteil hingegen beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ohne den pauschalierten Zugewinn, aber zuzüglich des tatsächlichen Zugewinns.
Beispiel:
Herr und Frau Schütze leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das Ehepaar Schütze hat zwei Kinder. Als Herr Schütze verstirbt, hinterlässt er seiner Frau und den beiden Kindern insgesamt ein Vermögen von 10.000 Euro.
Frau Schütze erhält als gesetzliche Erbin neben den beiden Kindern ¼ des Nachlasses, sowie ¼ als Zugewinnausgleich. Insgesamt erhält sie also ½ des Erbes, mithin 5.000 Euro.
Der große Pflichtteil wäre im Fall Schütze die Hälfte der gesetzlichen Erbquote von ½ (¼ des Nachlasses plus ¼ Zugewinnausgleich) – also ¼. In Zahlen erhielte Frau Schütze als großen Pflichtteil die Hälfte von 5000 Euro, mithin 2.500 Euro
Nach dem Tod des Erblassers muss der überlebende Ehegatte entscheiden, ob er den großen oder den kleinen Pflichtteil geltend machen möchte. Maßgebend für diese Entscheidung ist die Höhe des Zugewinns. Ist der Zugewinn hoch, kann es für den überlebenden Ehegatten günstiger sein, das Erbe auszuschlagen und den konkreten Zugewinn zuzüglich des kleinen Pflichtteils geltend zu machen.
Eine solche Entscheidung sollte erst nach genauer rechtlicher Betrachtung und der Erstellung entsprechender Vergleichsrechnungen durch einen erfahrenen Erbrechtler erfolgen.
Praxistipp:
Um im Einzelfall Genaueres sagen zu können, muss der überlebende Ehegatte genau feststellen, wie hoch das Vermögen des Erblassers zu Beginn der Ehe und im Zeitpunkt des Todes war. Außerdem ist zu klären, ob eventuelle Schenkungen oder Schulden zu berücksichtigen sind. Insbesondere in langjährigen Ehen ist der Zugewinn schwer zu ermitteln. Hier ist rechtliche Beratung dringend zu empfehlen, da die verschiedenen Möglichkeiten des erbenden Ehegatten unter anderem aus steuerlichen Gesichtspunkten große Unterschiede ausmachen können.
Vorsicht:
Sollte es zu einer Ausschlagung des Erbes kommen, so hat dies zwingend innerhalb von 6 Wochen nach Kenntniserlangung des Todes und der letztwilligen Verfügung zu erfolgen, § 1944 BGB.
Für die Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen ist daher Eile geboten. Eine Ausschlagung kann nicht zurückgenommen werden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.
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Harald Brennecke
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Stand: Juni 2014
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt
Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.
Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:
- "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
- „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8
Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
- Der überschuldete Nachlass: Nachlassinsolvenz, Dürftigkeitseinrede oder Ausschlagung ?
- Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten
- Erbschaftssteueroptimierte Vermögensübertragung
Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
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