Erbrecht für Unternehmer - Teil 27 - Dürftigkeitseinrede
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Wolfgang Theissen
Rechtsanwalt
7.3.2.4. Dürftigkeitseinrede
Wenn der Nachlass die Kosten für eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht deckt, kann der Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben. Mit dieser Einrede gegenüber den Nachlassgläubigern führt der Erbe eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbei. Die Vermögensmassen des Erben und des Erblassers sind hier eins geworden.
Neben dem Erbe kann die Einrede auch von einem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter erhoben werden.
7.3.2.5. Aufgebotsverfahren
Bei dem Aufgebotsverfahren kann der Erbe sich einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten verschaffen, damit er entscheiden kann, ob er eins der beiden oben genannten Verfahren (Nachlassverwaltung oder Insolvenzverfahren) einleiten möchte.
Innerhalb eines Jahres nach der Erbschaftsannahme wird auf Antrag des Erben, Testamentsvollstreckers, Nachlassverwalter oder Nachlasspflegers das Aufgebotsverfahren in Gang gesetzt. Ist das Jahr abgelaufen, kann der Antrag trotzdem gestellt werden. Der Antragsteller kann sich dann jedoch nicht auf die aufschiebende Einrede der Dürftigkeit berufen.
Die Gläubiger des Erblassers werden öffentlich aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, ergeht ein Ausschlussurteil mit der Vermutung, dass nur die angemeldeten Forderungen bestehen. Die Haftung wird dann auf die Forderungen beschränkt, die von den Gläubigern angemeldet wurden. Ergibt sich nach Begleichung aller angemeldeter Forderungen ein Rest vom Nachlass, werden davon die nicht angemeldeten Forderungen beglichen.
7.3.2.6. Verschweigungseinrede
Forderungen, die später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend gemacht werden und dem Erben vorher nicht bekannt waren, muss dieser nicht begleichen. Er kann gegenüber diesen Gläubigern die Verschweigungseinrede erheben.
7.3.2.7. Einrede des nicht geteilten Nachlasses
Bis zur Aufteilung des Nachlasses kann der Erbe die Haftung auf seinen Erbteil beschränken. Er kann gegenüber Nachlassgläubigern die Einrede des nicht geteilten Nachlasses zu erheben. Den Gläubigern steht jedoch die Möglichkeit zu, von sämtlichen Miterben aus dem ungeteilten Nachlass die Befriedigung zu verlangen. Nach der Nachlassteilung haften alle Miterben mit ihrem Privatvermögen.
7.3.2.8. Beschränkung der Haftung in Urteil
Wird der Erbe von einem Gläubiger verklagt und kann er eine Möglichkeit der Haftungsbeschränkung für sich in Anspruch nehmen, kann sich der Erbe die Beschränkung seiner Haftung in dem Urteil vorbehalten lassen. Besteht dieser Beschränkungsvorbehalt nicht, kann der Erbe in einem Zwangsvollstreckungsverfahren diese Einrede nicht geltend machen und damit den Zugriff auf das Eigenvermögen nicht verhindern.
7.4. Erbschaftssteuer
Steuerpflichtig ist jede Bereicherung des Erwerbers, sofern sie nicht steuerfrei ist, § 10 Abs.1 S.1 ErbStG. Es wird nicht der Nachlass als Ganzes besteuert, sondern beim einzelnen Empfänger der jeweilige Erwerb.
Steuerpflichtig ist neben dem Erwerb durch Erbanfall, auch der Erwerb durch Vermächtnis oder aufgrund eines Pflichtteilsanspruchs. Darüber hinaus sind Schenkungen unter Lebenden steuerpflichtig, damit der Erblasser nicht durch eine Schenkung die Steuerpflicht umgehen kann.1
Um die Bereicherung des Erwerbers festzustellen, sind die Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Das heißt Schulden, Pflichtteilsansprüche etc. sind von den Aktiva abzuziehen. Zudem gibt es in den §§ 5, 13 ErbStG einen umfangreichen Katalog, der bestimmte Gegenstände als steuerfrei anordnet. Diese sind dann von der Bereicherung abzuziehen. Es handelt sich hierbei z.B. um
- den Zugewinnausgleich des Ehegatten
- den Hausrat
- das Wohneigentum.
Von dem Betrag, der sich dann als Bereicherung ergibt, sind die Freibeträge abzuziehen. Nur der Betrag, der nach Abzug des Freibetrages übrigbleibt, muss versteuert werden. Die Höhe des Freibetrages richtet sich u.a. nach dem Verhältnis zu dem Erblasser: Ein Freibetrag besteht bei
- Ehegatten in Höhe von 500.000 €
- Kindern und Enkelkinder deren Eltern vorverstorben sind in Höhe von 400.000 €
- Enkelkindern in Höhe von 200.000 €
- Eltern und Großeltern in Höhe von 100.000 €
- Dritten ggf. in Höhe von 20.000 €.
Darüber hinaus kann ein besonderer Versorgungsfreibetrag hinzutreten. Bei Ehegatten beträgt dieser 265.000 €, bei Kindern ist dieser nach dem jeweiligen Alter gestaffelt, § 17 Abs. 2 ErbStG.
Die Höhe der zu zahlenden Steuer ordnet § 19 ErbStG in Steuersätzen, also Prozentsätzen an. Diese sind von dem Wert, das heißt dem Erlös, der bei einer Veräußerung der Bereicherung zu erzielen wäre, sowie von der Steuerklasse des Erwerbers abhängig.
Bei der Steuerklasse sind drei verschiedene Klassen zu unterscheiden, welche sich nach dem persönlichen Verhältnis zu dem Erblasser richten, § 15 ErbStG:
- Steuerklasse I: Ehegatten und Kinder
- Steuerklasse II: Eltern und Geschwister
- Steuerklasse III: Übrigen Erwerber
Je höher die Steuerklasse, desto höher der Steuersatz.2
§ 19 Abs. 1 ErbStG enthält folgende Tabelle:
Wert des steuer-pflichtigen Erwerbs bis €: |
Steuerklasse I Prozentsatz |
Steuerklasse II Prozentsatz |
Steuerklasse III Prozentsatz |
75.000 |
7 |
15 |
30 |
300.000 |
11 |
20 |
30 |
600.000 |
15 |
25 |
30 |
6.000.000 |
19 |
30 |
30 |
13.000.000 |
23 |
35 |
50 |
26.000.000 |
27 |
40 |
50 |
>26.000.000 |
30 |
43 |
50 |
Beispiel
Kind K hat nach Abzug von Freibeträgen etc. einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 275.000 €.
- Da Kinder zur Steuerklasse I gehören, sind die 275.000 € mit 11 % zu versteuern. Damit ergibt sich eine Steuerlast in Höhe von 30.250 €.
Zu beachten ist die am 01.07.2016 in Kraft getretene Erbschaftssteuerreform. Diese betrifft insbesondere Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen.
Das bisherige Verschonungskonzept bleibt erhalten, so dass große Unternehmensvermögen weiterhin von einer steuerlichen Belastung befreit bleiben, wenn sie das Unternehmen lange genug fortführen und dabei Arbeitsplätze erhalten. Wird ein Unternehmen mindestens 5 oder 7 Jahre fortgeführt, wobei eine vorgegebene Lohnsumme erhalten bleiben muss, bleibt das Betriebsvermögen bis zu 100 % von der Erbschaftssteuer verschont. Kleine Firmen müssen erst ab einer Mitarbeiteranzahl von über 5 die Lohnsumme nachweisen.
Neu geregelt wurde, dass der Erbe, dem ein Betriebsanteil von mehr als 26 Millionen Euro zusteht, nachweisen muss, dass ihn die Zahlung der Erbschaftssteuer überfordern würden. Der Erbe kann sich auf eine Bedürfnisprüfung einlassen, wobei sein Privatvermögen offenzulegen ist - sog. Erlassmodell mit Verschonungsbedarfsprüfung. Der Erbe muss darlegen, dass kein ausreichendes Vermögen zur Verfügung steht, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen. Dies geschieht, in dem der Erbe jeweils 50 % der folgenden Werte einsetzt:
- das zusammen mit dem Anteil an dem Unternehmen erlangte Privatvermögen,
- das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen
- das schon früher vorhandene Privat- und/oder Betriebsvermögen
Lehnt der Erbe dieses Modell ab, steigt die Steuerlast mit dem Vermögen der Firma - sog. Abschmelzmodell. Die volle Steuerpflicht tritt bei Erwerben über 90 Millionen Euro ein. Der Verschonungsabschlag verringert sich um jeweils 1 % je 750.000 €, um die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Millionen € übersteigt. Dies führt dazu, dass ab einer Wertgrenze von 90 Millionen € keine Verschonung mehr stattfindent.
Die Verschonungsbedarfsprüfung kann unter Umständen dazu führen, dass Erbschaften nicht mehr an vermögende Nachfolger erfolgen, weil diese in der Lage sind die Erbschaftssteuer zu bezahlen.
Ist der Erbe finanziell überfordert, so kann die fällige Steuer bis zu sieben Jahre gestundet werden, wobei ab dem zweiten Jahr eine sechsprozentige Verzinsung und eine jährliche Tilgung von je einem Sechstel zu erfolgen hat. Geht der Anteil bspw. durch Veräußerung an einen Dritten, endet die Stundungsmöglichkeit.
Neu ist auf Grund der Erbschaftssteuerreform, dass das Verwaltungsvermögen nicht mehr verschont wird. Auf das Verwaltungsvermögen ist grundsätzlich Erbschaftssteuer zu zahlen. Dies stellt eine deutliche Verschlechterung zur bisherigen Regelung dar. Das Verwaltungsvermögen muss aus dem begünstigungsfähigen Vermögen ausgegliedert und gesondert bewertet werden. In § 13b Abs.4 ErbStG ist definiert, was unter Verwaltungsvermögen fällt. Hier hat der Gesetzgeber die Definition erweitert. Bisher waren bspw. nur fremdvermieteter Grundbesitzt und Finanzmittel wie Wert-Papier-Depots. Nun fallen auch Luxus-Güter, wie Oldtimer und Edelmetalle darunter.
[1] Vgl. Brox, § 46 Rn. 807 f.; Crezelius, § 4 Rn. 178, 181.
[2] Brox, § 46 Rn. 808 ff.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbrecht für Unternehmer“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt, und Wolfgang Theissen, Rechtsanwalt, und Julia Külzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-94-6.
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Harald Brennecke
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Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Wolfgang Theissen
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Stand: Januar 2019
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt
Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.
Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:
- "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
- „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8
Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
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