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Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 10 – Vorschriften bei Schwerbehinderten

4.5 Vertrauensmann der Schwerbehinderten, §§ 23 SchwbG, 179 SGB IX

In Betrieben, in welchen mindestens fünf Schwerbehinderte angestellt sind, muss neben einem Vertrauensmann/-frau auch ein(e) Stellvertreter(in) gewählt werden. Gemäß § 23 Abs. 1 SchwbG hat die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung Schwerbehinderter in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern, die Interessen der Schwerbehinderten in dem Betrieb oder der Dienststelle zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen.

Soweit erforderlich, muss der Arbeitgeber die Vertrauensperson von der Pflicht der beruflichen Tätigkeit, ohne Minderung des Arbeitsentgeltes befreien, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Erforderlichkeit bemisst sich nach § 179 Abs. 4 SGB IX. Wenn der Schwerbehindertenvertreter zum Beispiel im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements der Arbeit fernbleiben muss, geschieht dies unter Fortzahlung der Leistungsvergütung. Bei Betrieben mit mindestens 100 schwerbehinderten Mitarbeitern kann der Schwerbehindertenvertreter auch eine auf Dauer angelegte Freistellung der Arbeitspflicht beanspruchen.

4.6 Berufsschulpflicht, § 9 JArbSchG, § 15 S.1 BBiG

Im Rahmen der Berufsschulpflicht von Auszubildenden oder Dualstudenten, die in einem Praxisbetrieb arbeiten und Pflichtstunden/-semester an der Hochschule haben, muss die Freistellung gewährt werden. Nach § 9 I 1 JArbSchG und § 15 S.1 BBiG sind Jugendliche für die tatsächliche Teilnahme am Berufsschulunterricht einschließlich der notwendigen Wegezeiten freizustellen. Hieraus resultiert für den Jugendlichen ein Leistungsverweigerungsrecht. Ebenso sind die Auszubildenden auch an dem Arbeitstag freizustellen, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht (Fußnote). Für die Zeit der Freistellung ist dem Auszubildenden die Vergütung fortzuzahlen.

4.7 Ärztliche Untersuchung nach § 43 JArbSchG

§ 43JArbSchG ermöglicht dem Jugendlichen gegenüber dem Arbeitgeber für alle Untersuchungen, der entsprechenden Wegezeiten, unter Fortzahlung des Entgelts von der Leistungsverpflichtung im Unternehmen freigestellt zu werden. Hinsichtlich der ausgenommen ist nur die Erstuntersuchung, da die Beschäftigung vorher ohnehin unzulässig ist (Fußnote). Ausgenommen hiervon ist die sogenannte Erstuntersuchung, die grundsätzlich erforderlich ist, sobald man in ein Berufsausbildungsverhältnis eintritt, ohne vorher gearbeitet zu haben. Diese Untersuchung darf bei Eintritt nicht länger als 14 Monate her sein.

4.8 Ehrenamtliche Richtertätigkeit nach §§ 26 ArbGG, 20 SGG

Die Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes kann durch die daraus resultierenden Fehlzeiten am Arbeitsplatz zu Störungen des Betriebsablaufes führen. Ehrenamtliche Richter sind für die Ausübung der richterlichen Tätigkeit von ihrem Arbeitsplatz freizustellen. Wenn nicht im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen, hat er einen Anspruch nach § 616 S. 1 BGB. Der Anspruch auf bezahlte Freistellung dient unter anderem die zur Wahrnehmung des Ehrenamts erforderliche Zeit, aber auch einschließlich der Zeit, welche der notwendigen Unterrichtung oder Schulung in dieser Amtsausübung dient. Die einzelnen Entschädigungen ergeben sich aus dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz.

4.9 Ehrenamtliche Mitarbeiter beim THW

Bei Einsätzen des Technischen Hilfswerks im Katastrophenschutz sind freiwillige Mitglieder grundsätzlich vom Arbeitgeber freizustellen. Neben diesen Einsätzen ist auch bei Ausbildungsveranstaltungen die Vergütung weiter auszuzahlen. Der Arbeitgeber kann sich nach § 3 Abs. 2 THW-Gesetz den Lohn von der THGW-Geschäftsstelle erstatten lassen, sobald der Arbeitnehmer mehr als zwei Stunden am Tag oder mehr als sieben Stunden innerhalb von zwei Wochen der Arbeit im Rahmen der THW-Einsätze der Arbeit fernbleiben muss.

4.10 Stellensuche, § 629 BGB

Wird das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet, hat der Arbeitnehmer nach § 629 BGB einen Anspruch auf Freizeitgewährung für die neue Stellensuche. Dieser Anspruch ist verpflichtend und findet seine Grundlage auch im § 2 Abs 2 Nr 3 SGB III (Fußnote) und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

4.10.1 Voraussetzungen der Freistellung

Der Arbeitnehmer soll hierdurch die Möglichkeit erhalten, noch vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. während des sich in der Abwicklung befindlichen Arbeitsverhältnisses, eine neue Stelle zu suchen. Dies kann er allerdings erst dann wahrnehmen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

4.10.2 Dauerndes Arbeitsverhältnis

Zunächst muss ein dauerndes Arbeitsverhältnis vorliegen, wobei hier auch Ausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse, die sich noch in der Probezeit befinden, eingeschlossen sind. Maßgeblich ist die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag auf Dauer angelegt war (Fußnote). Arbeitnehmer in Teilzeitanstellungen sind ebenso betroffen, sofern die Stellensuche ausschließlich während der Arbeitszeit erfolgen kann.

4.10.3 Kündigung

Bei der Kündigung als nächste Voraussetzung ist es ohne Belangen, ob es sich um eine arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitige Kündigung handelt. Ebenso kommt es nicht auf die Art der Kündigung oder den Kündigungsgrund an. Liegt eine wirksame außerordentliche Kündigung vor, ist jedoch durch das Merkmal der Fristlosigkeit der Anspruch auf Freistellung irrelevant. Bei der sogenannten Änderungskündigung darf der Arbeitnehmer, um den Freistellungsanspruch wahrnehmen zu können, das Änderungsangebot nicht – auch nicht unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung – annehmen

(Fußnote). Auch die Aufhebungsverträge und befristeten Arbeitsverhältnisse, welche hier anwendbar sind, besteht der Freistellungsanspruch ab dem Zeitpunkt, der bei Kündigung zum Vertragsende als Beginn der Kündigungsfrist in Betracht kommen würde.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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