Gemeinnützigkeitsrecht - Teil 01 - Einführung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
1 Einführung
Die steuerlichen Vergünstigungen der steuerbegünstigten Zwecke (sogenanntes steuerrechtliches Gemeinnützigkeitsrechts) sind in den §§ 51 bis 68 Abgabenordnung (AO) geregelt.
Danach können nur von unbeschränkt steuerpflichtigen
- Körperschaften,
- Personenvereinigungen und
- Vermögensmassen,
die das Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfasst, die steuerlichen Vergünstigungen in Anspruch genommen werden.
Eine steuerliche Vergünstigung für beschränkt Steuerpflichtige kann nicht in Anspruch genommen werden.
Allerdings besteht eine Ausnahme in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen, die die Steuervergünstigungen gegenseitig gewähren.
Unter Körperschaften im Sinne des § 51 AO, für die eine Steuervergünstigung in Betracht kommen kann, sind
- Körperschaften,
- Personenvereinigungen und
- Vermögensmassen
im Sinne des KStG zu verstehen.
Das sind z.B.:
- rechtsfähige und nicht rechtsfähige Vereine,
- Stiftungen,
- Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften (juristischen Personen) des öffentlichen Rechts, nicht aber die Körperschaften des öffentlichen Rechts selbst,
- eine gemeinnützige GmbH, weil sie ebenfalls steuerbegünstigte Zwecke verfolgen kann, wenn die in §§ 51 bis 68 AO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Verbände/Vereine in einer derartigen Rechtsform können aber nur gewerbliche Einkünfte erzielen, die entweder ertragsteuerfrei (= wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in der Form eines Zweckbetriebes) oder ertragsteuerpflichtig (= wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb mit partieller Steuerpflicht) sind und
- die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).
- Als steuerbegünstigte Zwecke im Einzelnen kommen nur die begünstigten Zwecke im Sinne der AO nach den §§ 52 bis 54 in Betracht. Das sind:
- gemeinnützige Zwecke (§ 52 AO)
- mildtätige Zwecke (§ 53 AO) und
- kirchliche Zwecke (§ 54 AO).
Der Gesetzgeber hat die Anerkennung der Steuervergünstigung nicht dem Ermessen der Finanzverwaltung überlassen, sondern hat die einzelnen begünstigten Zwecke in der AO eindeutig und klar abgegrenzt.
Die Steuervergünstigung einer Körperschaft ist aber zudem davon abhängig, ob die genannten Zwecke ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden und die tatsächliche Geschäftsführung mit dem Satzungsinhalt oder der sonstigen Verfassung übereinstimmt.
Beispiel
Ein Kunstsammler gründet eine Stiftung zur Förderung der bildenden Kunst, die er mit eigenen Werken ausstattet. Die Werke werden in seinem Haus aufbewahrt und stehen hin und wieder für Ausstellungen bereit.
- Da es für die Öffentlichkeit nur einen eingeschränkten Zugang zu den Werken gibt, wird kein gemeinnütziger Zweck gefördert (BFH vom 23.2.2017 - V R 51/15).
2 Rechtsgrundlagen
Durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz (BGBl. I 2013, S. 2794) wurde die gesetzliche Vorschrift des § 60a in die AO mit aufgenommen. Danach sind die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung wegen
- Gemeinnützigkeit,
- Mildtätigkeit und
- Kirchlichkeit
gesondert festzustellen.
Damit löst das gesonderte Feststellungsverfahren die bisherige Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung ab.
Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit ist für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Geld- oder Sachspenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend.
Bei der bisherigen vorläufigen Bescheinigung handelte es sich um eine Auskunft an die Körperschaft, dass diese zum Empfang von Zuwendungen/Spenden und Mitgliedsbeiträgen berechtigt waren.
Die nunmehr gesonderte Feststellung hat durch einen Feststellungsbescheid der Finanzverwaltung zu erfolgen.
Die Körperschaft kann durch ihre Organe gegen diesen Feststellungsbescheid einen Rechtsbehelf (Einspruch) einlegen.
Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt:
- auf Antrag der Körperschaft oder
- von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt ist.
Eine Feststellung im Sinne von § 60a AO ist für Körperschaften ausgeschlossen, die weder
- unbeschränkt
- noch beschränkt
steuerpflichtig sind.
Eine Feststellung kommt aus diesem Grund nur für
- steuerbegünstigte inländische Körperschaften sowie für
- beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus dem EU-/EWR-Raum
in Betracht.
Der Feststellungsbescheid über die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO hat eine dreijährige Gültigkeit.
Die Anerkennung des einzelnen begünstigten Zweckes als
- gemeinnütziger,
- mildtätiger oder
- kirchlicher
Zweck ist ein Vorgang, der grundsätzlich für jede Steuerart und für jeden Veranlagungszeitraum erneut zu überprüfen ist, d.h. die Entscheidung, ob ein begünstigter Zweck vorliegt, erfolgt im Rahmen des jeweiligen Veranlagungsverfahrens.
Demnach müssen von der Finanzverwaltung die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ermittelt werden, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer von Bedeutung sind (BFH vom 13.12.1978, BStBl. 1979, S. 481).
Überdies ergeben sich die Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen aus den jeweiligen einzelnen Steuergesetzen. Die AO gilt daher nur eingeschränkt, wenn in anderen Steuergesetzen Begriffe verwendet werden, die in den §§ 51 ff. AO umschrieben werden (mildtätig, gemeinnützig etc.).
Wenn bereits für andere Steuerarten, insbesondere für die Körperschaftsteuer, darüber entschieden ist, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen das Unternehmen oder die Vereinigung den steuerbegünstigten Zwecken dient, so ist einer solchen Entscheidung im Allgemeinen für Zwecke der Umsatzsteuer zu folgen.
Die von der Finanzverwaltung bisher erteilte Bescheinigung ist als Zusicherung für die Besteuerung aufzufassen, d.h. die Körperschaft ist wegen ausschließlicher und unmittelbarer Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke für den veranlagten Zeitraum von den Ertragssteuern befreit.
Es ist von der ständigen Rechtsprechung (Rspr.) der Finanzgerichte und des BFH anerkannt, dass die Finanzverwaltung an gegebene Zusagen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gebunden ist.
Daher kann die Finanzverwaltung eine solche Zusage nicht mehr mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur noch mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.
Beispiel
Eine Körperschaft wird zum 1.4.2017 neu gegründet.
- Die Finanzverwaltung kann über die Gemeinnützigkeit der Körperschaft für den Veranlagungszeitraum 2017 frühestens im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung in 2018 entscheiden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerrechtliches Gemeinnützigkeitsrechts“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-93-9.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2019