Gewerbesteuer - Teil 22 - Verwirkung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
7.2 Verwirkung
Ist die Verjährung gehemmt oder tritt sie in Ausnahmefällen überhaupt nicht ein, kommt das Rechtsinstitut der Verwirkung in Betracht. Dieses wird aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet und setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem gesamten Verhalten des Betriebsfinanzamts darauf verlassen hat und verlassen durfte, dass dieses sein Recht nicht mehr geltend machen werde, wobei es nicht genügt, dass einfach nur jahrelang untätig geblieben wurde (FG Brandenburg, EFG 2005, 87). Es muss neben diesem sogenannten Zeitmoment auch noch ein sogenanntes Umstandsmoment hinzukommen, etwa dadurch, dass die Behörde sonst in ihrem Verhalten zum Ausdruck bringt, dass sie die Steuer nicht mehr erheben möchte. Die Verwirkung gilt dabei auch umgekehrt, sodass sich auch das Betriebsfinanzamt u.U. auf Verwirkung berufen kann, etwa dann, wenn ein Erstattungsanspruch besteht, den der Steuerpflichtige erkennbar nicht mehr geltend machen möchte.
7.3 Festsetzungs- und Zahlungserlass
Der Erlass führt gem. § 47 AO ebenfalls zum Erlöschen des Anspruchs. Dabei wird unterschieden zwischen Festsetzungs- und Zahlungserlass.
Bei einem Festsetzungserlass wird die Steuer durch eine niedrigere Festsetzung ganz oder zum Teil erlassen (vgl. § 163 AO). Wird die Steuer hingegen in voller Höhe festgesetzt, aber die Steuerschuld trotzdem später erlassen, so spricht man vom Zahlungserlass (§ 227 AO).
Gemeinsame Voraussetzungen für beide Erlassformen ist, dass die Durchsetzung des Steueranspruchs im Einzelfall unbillig wäre. Abzugrenzen ist der Erlass dabei von der Stundung gem. § 222 AO, die nur die Fälligkeit hinausschiebt, den Anspruch jedoch bestehen lässt.
Bezogen auf die Unbilligkeit wird zwischen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit unterschieden. Persönliche Unbilligkeit setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Die Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, S. 86), er mithin durch die Steuer „vor dem Nichts“ stehen würde. Gleichwohl darf er nicht verschuldet in diese Lage gekommen sein oder seine Steuerpflichten in grober Weise missachtet haben, da es dann an der Erlasswürdigkeit fehlt. „Gerettet“ werden muss also nur der, der sich selbst redlich verhalten hat und dem man keinen persönlichen Vorwurf für seine Misere machen kann. Die sachliche Unbilligkeit ist komplizierter festzustellen. So setzt diese voraus, dass die Steuerfestsetzung zwar „äußerlich“ dem Gesetz entspricht, nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers aber anzunehmen ist, dass er die im Einzelfall zu entscheidende Frage des Erlasses iSd Billigkeitsmaßnahmen geregelt hätte, wenn er sie erkannt hätte oder wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall zu einem Grundrechtsverstoß führen würde. Obschon Grundrechtsverstöße durchaus noch feststellbar sind, wird es in vielen Fällen schwerfallen, den mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers zu deuten, sodass ein Erlass aufgrund sachlicher Unbilligkeit nur für eine Gesetzeskorrektur im „atypischen Einzelfall“ (Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, S. 86) in Betracht kommen kann. Praktisch relevanter und leichter nachzuweisen ist daher die persönliche Unbilligkeit.
Zu beachten ist noch, dass selbst im Fall eines Erlasses keine garantierte Rechtssicherheit besteht. So kann ein rechtswidriger Erlass gem. § 130 Abs. 2 AO mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden. Selbst ein rechtmäßiger Erlass darf mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden.
7.4 Haftung
Die Haftung für fremde Steuerschulden bestimmt sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des Handelsgesetzbuchs (HGB) sowie der Abgabenordnung (AO). Einzelfragen sind dabei in Abschnitt 37 GewStR geregelt. Die Haftung erfüllt einen Sicherungszweck für den Staat, indem dieser einen weiteren Steuerschuldner erhält. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er die zu zahlende Steuer auch tatsächlich erhält. erweiterte Zugriffsmöglichkeiten erhält. Von besonderer Bedeutung ist vor allem, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft – wie für jede Zahlungsverpflichtung, die das Gesellschaftsvermögen betrifft – für die Gewerbesteuerschuld als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO) persönlich haften (§§ 128, 161 i.V.m. § 171 HGB). Der Haftungsschuldner wird dabei nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO im Wege eines Haftungsbescheids in Anspruch genommen, der nicht voraussetzt, dass schon vorher ein Steuerbescheid gegenüber dem Steuerschuldner erlassen wurde. Um den Haftungsschuldner zu schützen, darf die Festsetzungsfrist für den Steuerbescheid noch nicht abgelaufen sein. Ist die Festsetzungsfrist abgelaufen, so kann die Finanzverwaltung nicht mehr „hilfsweise“ den Haftungsschuldner in Anspruch nehmen. Für den Haftungsbescheid selbst gelten die allgemeinen Regeln zur Zahlungsverjährung. Eine weitere Besonderheit des Steuerhaftungsrechts ist, dass die Haftung nur subsidiär gilt. Der Haftungsschuldner kann nur in Anspruch genommen werden, als die Vollstreckung beim Steuerschuldner erfolglos geblieben ist oder keinen Erfolg verspricht.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gewerbesteuer“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, und Patrick Christian Otto, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-90-8.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2019
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