Logo Brennecke & FASP Group

Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 04 – Vertreterhaftung

4. Haftung der Vertreter nach § 69 AO

Bei § 69 AO handelt es sich um eine besondere öffentlich-rechtliche Schadensersatzhaftung (Fußnote). Diese betrifft ganz allgemein die steuerliche Haftung von gesetzlichen Vertretern.

4.1 Zweck und Inhalt der Norm

Zweck dieser Haftungsnorm ist, den haftenden Personenkreis zur sorgfältigen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten anzuhalten. Der haftende Personenkreis des § 69 AO ergibt sich aus den §§ 34 und 35 AO. Nach § 34 Abs. 1 AO gehören die gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen zum haftenden Personenkreis. In § 35 Abs. 1 GmbHG wiederum ist geregelt, dass die GmbH durch den oder bei mehreren durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird.

Wenn gar kein Geschäftsführer bestellt ist, dann wird die GmbH bei einer Zustellung von Schriftstücken oder Willenserklärungen durch ihre Gesellschafter vertreten. Denn als juristische Person kann die GmbH nicht selbst handeln. Der GmbH-Geschäftsführer gilt somit als gesetzlicher Vertreter der GmbH und wird vom haftenden Personenkreis gegenüber den Steuerbehörden erfasst.

Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 AO bestimmt außerdem auch die Pflichten des GmbH-Geschäftsführers gegenüber dem Finanzamt. Danach hat er hat die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet.

Konkret besagt § 69 AO hinsichtlich der Haftung außerdem:

    • dass die Vertreter einer privaten oder juristischen Person haften,
    • soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO)
    • infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung
    • der den Vertretern auferlegten Pflichten
    • nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

oder

    • soweit Steuervergütungen oder Steuererstattungen
    • ohne rechtlichen Grund
    • gezahlt werden

Die Haftung umfasst neben der Steuer auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Nebenansprüche (§ 3 Abs. 4 AO) wie Säumniszuschläge und Zinsen. Daraus folgt für den Geschäftsführer der GmbH, dass er nur dann für Steuerschulden der GmbH haftet, wenn ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Die rechtliche Stellung als Geschäftsführer alleine begründet noch keine Haftung nach dieser Norm.

4.2 Die Stellung des Geschäftsführers als Haftungsschuldner

Der Geschäftsführer ist grundsätzlich gegenüber dem Finanzamt ein potentieller Haftungsschuldner. Dennoch gibt es Fälle, in denen die Stellung des Geschäftsführers sowohl innerhalb der GmbH als auch nach außen nicht ganz eindeutig und klar ist oder nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Dabei wird als Besonderheit zwischen dem nominell bestellten und dem faktischem Geschäftsführer unterschieden.

4.2.1.1 Der nominell bestellte GmbH Geschäftsführer

Unter einem nominell bestellten Geschäftsführer versteht man einen Geschäftsführer, der förmlich durch die Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung bestellt und anschließend im Handelsregister eingetragen wird. Nur dieser Geschäftsführer kann die GmbH rechtlich wirksam nach außen vertreten und nur dieser ist auch nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO als Haftungsschuldner anzusehen.

Der BFH hat dazu in einer Grundsatzentscheidung ausgeführt, dass die Haftung bereits mit der Bestellung zum Geschäftsführer begründet wird (Fußnote). Ob und wann der Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen wird, spielt für die Haftung keine Rolle. Zwar verletzt der Geschäftsführer durchaus gegenüber der GmbH seine Pflichten, wenn er die Eintragung ins Handelsregister verzögert oder unterlässt. Gegenüber dem Finanzamt spielt das jedoch keine Rolle, denn die Eintragung des Geschäftsführers ins Handelsregister hat keine konstruktive sondern nur eine deklaratorische Wirkung (Fußnoe).

Voraussetzung für eine Inanspruchnahme des nominell bestellten Geschäftsführers ist jedoch, dass dieser seine Bestellung zum Geschäftsführer auch wirksam angenommen hat.

Der Abschluss eines Dienstvertrags oder eines Anstellungsvertrags zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer hat ebenfalls keine Auswirkungen auf die Haftung (Fußnote). Für die Haftung ist es nicht einmal wichtig, ob ein solcher Anstellungsvertrag überhaupt existiert. Gerade in der Gründungsphase oder wenn die GmbH bereits auf Vorrat gegründet wurde, bevor sie überhaupt irgendwelche Geschäfte macht, wird manchmal bei der Bestellung eines Geschäftsführers auf einen Dienstvertrag oder Anstellungsvertrag verzichtet und dieser erst später nachgeholt.

Es ist zugunsten des Geschäftsführers auch nicht möglich, die Haftung gegenüber dem Finanzamt durch eine zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer im Innenverhältnis geschlossene Vereinbarung auszuschließen (Fußnote). Solche Vereinbarungen können allenfalls zur Folge haben, dass der in Anspruch genommene Geschäftsführer einen zivilrechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber seinen Vertragspartnern hat.

Beispiel

G ist bei der X-GmbH als Geschäftsführer angestellt. Nach dem mit der X-GmbH wirksam geschlossenen Dienstvertrag ist eine Haftung des G für steuerliche Verbindlichkeiten der GmbH ausgeschlossen. Aufgrund von Liquiditätsproblemen kann die X-GmbH die fällige Körperschaftssteuer nicht entrichten. Daraufhin wird G vom Finanzamt durch Haftungsbescheid für die Körperschaftssteuer in Haftung genommen.

    • Die Inanspruchnahme des G erfolgt zutreffend. Es ist nicht möglich, die steuerliche Haftung des G durch einen Dienstvertrag auszuschließen. Dieser entfaltet lediglich im Innenverhältnis zwischen der X-GmbH und G Wirkung. G muss einen Regress für seine Inanspruchnahme durch das Finanzamt wie jeder andere private Gläubiger bei der GmbH anmelden.

Besonderheiten ergeben sich für den Strohmann- bzw. Schein-Geschäftsführer. Ein Schein-Geschäftsführer ist ein offiziell bestellter und im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer, der für eine andere Person (den Hintermann) auftritt, die selbst nicht in dieser Funktion in Erscheinung treten kann oder will. Der Schein-Geschäftsführer haftet genauso wie der nominell bestellte Geschäftsführer, da er formal zum Geschäftsführer bestellt wurde (Fußnote).

Beispiel

Aufgrund eines verwaltungsbehördlichen Berufsverbots darf B seinen Waffenbetrieb nicht mehr betreiben. Er entschließt sich daher, eine GmbH zu gründen, um weiterhin Waffen verkaufen zu können. Nach § 6 Abs. 2 GmbHG darf er jedoch selbst aufgrund des behördlichen Verbots nicht Geschäftsführer sein. Er bittet daher seine Partnerin A sich als Geschäftsführerin einsetzen zu lassen. Diese stimmt zu und wird als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Tatsächlich werden die Geschäfte jedoch von B geführt. A hält lediglich ihren Namen hin und fungiert als Strohmann-Geschäftsführerin. Wegen zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens werden in der Folgezeit für die GmbH keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen mehr abgegeben. Das zuständige Finanzamt schätzt daher die Besteuerungsgrundlagen für die monatlichen Umsatzsteuerbeträge. Die GmbH wird zahlungsunfähig. Daraufhin nimmt das zuständige Finanzamt A als Geschäftsführerin durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen.

    • A ist als Strohmann-Geschäftsführerin ebenso wie ein ordentlich nominell bestellter und tatsächlicher Geschäftsführer als Haftungsschuldner im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen. Demnach ist die Inanspruchnahme durch das Finanzamt zutreffend erfolgt.

Die Haftung des nominell bestellten Geschäftsführers endet in der Regel mit seiner Abberufung oder mit der Niederlegung seines Amts. Denn damit endet regelmäßig auch die mit der Geschäftsführung der GmbH verbundene Pflicht, die steuerlichen Pflichten der GmbH wahrzunehmen. (Fußnote).

Bei einer Niederlegung der Geschäftsführung ist maßgeblicher Zeitpunkt hierfür der Zugang der Erklärung über die Niederlegung des Amtes bei der GmbH (Fußnote), d.h. der Moment in dem der Gesellschaft bzw. ihren Gesellschaftern die Erklärung des Geschäftsführers über die Amtsniederlegung zugeht. Jedoch haftet der Geschäftsführer auch bei einer Amtsniederlegung trotz Ausscheiden aus der GmbH für die Folgen während seiner Amtszeit begangener Pflichtverletzungen.

Beispiel

G hat gegenüber der X-GmbH am 14.03.2017 erklärt, dass er sein Amt als Geschäftsführer niederlegt. In der Zeit vor seiner Niederlegung hat er die fällige Umsatzsteuer für Januar und Februar 2017 nicht abgeführt. Nach seiner Niederlegung wurden keine Umsatzsteuererklärungen mehr abgegeben, obwohl hierzu eine Verpflichtung bestand. Das Finanzamt erlässt einen Haftungsbescheid, indem es G für die Umsatzsteuer der Monate Januar und Februar 2017 haftbar macht.

    • Eine Haftung des G für nicht bezahlte Umsatzsteuerbeträge, die nach dem 14.03.2017 zu erklären war, ist aufgrund G's Amtsniederlegung nicht mehr möglich. Die Nichtzahlung der Umsatzsteuer für die Monate Januar und Februar stellt hingegen eine Pflichtverletzung dar, die G während seiner Zeit als Geschäftsführer begangen hat, dar. Somit kann er hierfür auch nach seinem Ausscheiden aus der GmbH noch in Anspruch genommen werden.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de

Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Das Referat wird bei Brennecke Rechtsanwälte betreut von:


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosGesellschaftsrecht