Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 08 – Schaden
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
5.4 Schaden
Voraussetzung für die Inanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers ist, dass durch die Pflichtverletzung dem Fiskus ein Schaden entstanden ist.
Ein solcher Schaden liegt vor, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
- nicht oder teilweise nicht festgesetzt werden,
- verspätet festgesetzt werden oder
- bei Fälligkeit nicht oder teilweise nicht erfüllt werden.
Ein Schaden ist auch dann gegeben, wenn Steuervergütungen oder Steuererstattungen durch das Finanzamt an die GmbH ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden.
5.4.1 Nichtfestsetzung und teilweise Nichtfestsetzung
Ein Schaden in Form von Nichtfestsetzung bzw. teilweiser Nichtfestsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist gegeben, wenn derartige Ansprüche nicht oder nicht in voller Höhe festgesetzt werden.
Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 AO
- der Steueranspruch,
- der Steuervergütungsanspruch,
- der Haftungsanspruch und
- der Erstattungsanspruch sowie
- steuerliche Nebenleistungen.
Zusammenfassend werden alle Steuern und damit verbundenen Verpflichtungen erfasst. Eine Ausnahme gilt für Säumniszuschläge. Diese werden nach § 218 Abs. 1 nicht von den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis erfasst.
Beispiel
G ist Geschäftsführer der X-GmbH. In seiner Funktion als Geschäftsführer hat er im März 2017 mehrere Geschäfte ohne Rechnung durchgeführt. Entsprechende Einnahmen wurden nicht in den Büchern der X-GmbH aufgezeichnet und auch nicht gegenüber dem Finanzamt erklärt. Anfang 2018 gibt G die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 ab, ohne dabei die fehlenden Einnahmen des Monats März zu berichtigen.
- Hier ist dem Fiskus zunächst dadurch ein Schaden entstanden, dass in der Umsatzsteueranmeldung für März 2017 bestimmte Einnahmen nicht erklärt und folglich auch nicht festgesetzt wurden.
- Durch die Nichtangabe der Umsätze in der Jahressteuererklärung für 2017 ist dem Fiskus kein weiterer Schaden entstanden, da dieser bereits durch die Nichtanmeldung abgegolten ist.
- Für den Fall, dass G die Einnahmen in der Folgezeit ebenfalls nicht in der Körperschaftssteuer- und Gewerbesteuererklärung für 2017 angibt, werden diese ebenfalls zu niedrig und damit teilweise nicht festgesetzt, so dass darin ein weiterer Schaden zu sehen wäre.
5.4.2 Verspätete Festsetzung
Für die Beurteilung, ob eine verspätete Festsetzung vorliegt, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Steueranmeldung bzw. Steuervoranmeldung oder eine Jahressteuererklärung handelt. Bei Steueranmeldungen und Voranmeldungen gilt die Besonderheit, dass durch die Anmeldung auch die Festsetzung erfolgt. Daraus folgt, dass eine verspätete Anmeldung automatisch auch zu einer verspäteten Festsetzung führt (vgl. § 168 AO).
Im Steuerrecht gibt es nun bei den Fristen grundsätzlich eine Schonfrist für die Erhebung von Säumniszuschlägen. Diese Schonfrist beträgt nach § 240 Abs. 3 AO drei Tage. Wenn eine Steueranmeldung, -Voranmeldung oder -Erklärung innerhalb von drei Tagen nach Fristende abgegeben wird, dann wird das Finanzamt keine Säumniszuschläge erheben.
Diese Schonfrist spielt jedoch für die Haftung keine Rolle. D.h., eine Pflichtverletzung ist auch dann gegeben, wenn die Steueranmeldung innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO abgegeben wird.
Beispiel
G ist Geschäftsführer der X-GmbH, die im April 2017 Umsätze in Höhe von 119.000 EUR erzielte. Um Liquiditätsvorteile zu haben, meldet und zahlt G die Umsatzsteuer regelmäßig erst innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO. Am 13. Mai 2017 hat G deshalb 3 Tage verspätet die offene Umsatzsteuer in Höhe von 19.000 EUR beim Finanzamt angemeldet. Als er die offene Umsatzsteuer überweisen wollte, musste er feststellen, dass sämtliche Konten der GmbH bis zum Anschlag überzogen waren. In der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 2017 haben unbekannte Cyber-Kriminelle die Konten der GmbH geplündert. Die GmbH war damit nicht mehr in der Lage, die fälligen Umsatzsteuern zu zahlen.
- Der Haftungstatbestand der nicht rechtzeitigen Festsetzung des Umsatzsteueranspruchs ist bereits am 10. Mai 2017 erfüllt gewesen. Die Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO ändert nichts an der Verpflichtung, die Umsatzsteuer rechtzeitig anzumelden und zu zahlen. Insbesondere war am 10. Mai 2017 die GmbH noch in der Lage, offene Umsatzsteuer zu zahlen. Das bewusste Ausnutzen der Schonfrist durch G stellt somit eine Pflichtverletzung von G dar.
Bei Jahreserklärungen hingegen ist für die Festsetzung der Steuer erst ein Steuerbescheid des Finanzamts notwendig. Allein durch die verspätete Abgabe der Körperschafts- oder Gewerbesteuererklärung der GmbH wird die Steuerfestsetzung noch nicht verzögert. Bei der Jahreserklärung hängt eine verspätete Festsetzung vielmehr davon ab, wie weit die Veranlagungsarbeiten im Finanzamt fortgeschritten sind.
Beispiel
G hat als Geschäftsführer der X-GmbH die Körperschaftssteuererklärung 2015 grundsätzlich bis zum 31. Mai 2016 einzureichen. Aufgrund eines Fristverlängerungsantrags hat er von dem zuständigen Mitarbeiter M des Finanzamts eine Fristverlängerung bis zum 31. September 2016 erhalten. Eine erneute Fristverlängerung wurde mit der Begründung, die Veranlagungsarbeiten im Sachgebiet des M seien bereits im Wesentlichen erledigt, abgelehnt.
- Hier ist dem Fiskus durch die verspätete Abgabe der Erklärung ein Schaden entstanden, da die zuständige Stelle im Finanzamt die Veranlagungsarbeiten bereits im Wesentlichen erledigt hatte und eine eingereichte Körperschaftssteuererklärung sofort hätte bearbeitet werden können.
5.4.3 Nichterfüllung und teilweise Nichterfüllung
Ein Schaden durch Nicht- oder teilweise Nichterfüllung ist gegeben, wenn die geschuldeten Leistungen nicht oder nur teilweise zum Fälligkeitszeitpunkt erbracht werden, d.h., wenn die Steuer gar nicht oder nur zum Teil und/oder nicht am Fälligkeitstag gezahlt wird.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.
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Carola Ritterbach
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