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Haftung für Steuerverbindlichkeiten – Teil 14 – Subsidiarität der Haftung

Beispiel

G ist Geschäftsführer der X-GmbH. Das Finanzamt schätzt die Umsatzsteuer für das Jahr 2016 mit 60.000 EUR. Später stellt sich heraus, dass die Umsätze der GmbH maximal zu einer Steuerlast von 40.000 EUR hätten führen können. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der GmbH für das erste Quartal 2017 wurden mit 5.000 EUR erklärt. Die tatsächlich zu zahlende Umsatzsteuer beläuft sich jedoch auf 7.000 EUR.

  • Das Finanzamt kann G entgegen der Umsatzsteuerfestsetzung für 2016 nach §§ 191 Abs. 1, 5 AO nur in Höhe von 40.000 EUR in Haftung nehmen. Bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldung kann das Finanzamt die Voranmeldung nach § 164 Abs. 2 AO auf 7.000 EUR erhöhen und anschließend G wegen des Mehrbetrags in Haftung nehmen.

Aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung folgt auch, dass Gründe, die die Steuer ermäßigen auch den Umfang der Haftung reduzieren.

5.7.3 Subsidiarität der Haftung

In der Beziehung GmbH-Geschäftsführer, Finanzamt und GmbH ist die GmbH der Steuerschuldner anzusehen. Nun sollen Steuern grundsätzlich von demjenigen beglichen werden, dem sie zuzurechnen sind, also vom Steuerschuldner. Der GmbH-Geschäftsführer darf deshalb erst dann als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, wenn eine Vollstreckung gegen die GmbH erfolglos geblieben ist Fußnote). Diese sog. Subsidiarität der Haftung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn die GmbH noch fähig ist, ihre Steuerschulden selbst zu begleichen und wenn keine Insolvenz vorliegt.

Beispiel
Das Finanzamt nimmt den GmbH-Geschäftsführer G für Steuerschulden der von ihm vertretenen X-GmbH in Anspruch. Vollstreckungsversuche gegenüber der X-GmbH hat das Finanzamt nicht unternommen. Die GmbH ist voll zahlungsfähig.

  • Sollte der GmbH-Geschäftsführer G einen Haftungsbescheid erhalten, kann er im Einspruchsverfahren geltend machen, dass aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes zunächst eine Vollstreckung in das Vermögen der GmbH unternommen werden müsse. Er ist wegen § 219 AO nicht verpflichtet, die Haftungsschuld in einem derartigen Fall zu begleichen.

Die Haftung des Geschäftsführers ist insoweit als eine "Ausfallshaftung" konzipiert. Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch nicht mehr nötig, wenn von einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH ausgegangen werden kann. Dies ist allgemein bei einer Insolvenz der Fall.
Der Subsidiaritätsgrundsatz findet keine Anwendung, wenn der GmbH-Geschäftsführer Täter einer Steuerhinterziehung ist (Fußnote).

Beispiel
Der Geschäftsführer G hinterzog die Umsatzsteuer 2016 der von ihm vertretenen X-GmbH.

  • Das Finanzamt kann gegen die X-GmbH als Steuerschuldnerin vorgehen. Zeitgleich ist eine Inanspruchnahme des G möglich. Dieser muss die offenen Steuerschulden der GmbH dann unabhängig von Vollstreckungsversuchen gegenüber der X-GmbH begleichen (§ 219 S. 2 AO).

5.7.4 Haftung nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung (Differenzhaftung)

Die Pflicht zur Zahlung von Steuern erstreckt sich grundsätzlich nur auf die vorhandenen Mittel der GmbH. Reichen diese nicht aus, um alle Steuerverbindlichkeiten zu tilgen, so ist der GmbH-Geschäftsführer nicht verpflichtet, das Finanzamt vorrangig zu befriedigen. Eine bevorzugte Befriedigung anderer Gläubiger ist in diesem Fall jedoch ebenfalls nicht gestattet (Fußnote).
Fehlen ausreichende Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten, sind die rückständigen Steuerbeträge annähernd in dem gleichen Verhältnis zu tilgen, wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern (sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung bzw. Differenzhaftung). Der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt für die Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, die pauschalierte Lohnsteuer und die steuerlichen Nebenleistungen (Fußnote). Hält sich der GmbH-Geschäftsführer nicht an den Grundsatz der anteiligen Tilgung, indem er beispielsweise andere Gläubiger voll und das Finanzamt überhaupt nicht befriedigt, liegt in Höhe des die durchschnittliche Tilgungsrate unterschreitenden Differenzbetrags eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer nach § 69 AO haftbar ist.

Beispiel

Die X-GmbH gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Deren Geschäftsführer G zahlt deshalb die fällig gewordene Umsatzsteueranmeldungen für Januar bis Februar 2017 nur zur Hälfte. Lieferantenrechnungen werden hingegen vollständig beglichen, um den laufenden Betrieb der GmbH zu ermöglichen. Auf Anfrage des Finanzamts macht G geltend, über keine weiteren Mittel zur Zahlung der verbliebenen Umsatzsteuer zu verfügen.

  • Hier werden die Lieferantenverbindlichkeiten bevorzugt gegenüber dem Finanzamt bedient. Somit hat G seine Steuerentrichtungspflicht aus § 18 Abs. 1 Satz. 3 UStG verletzt. G ist verpflichtet, die Umsatzsteuer im gleichen Umfang wie die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger zu tilgen.

Beispiel
Die X-GmbH befindet sich in Liquiditätsschwierigkeiten. Fällige Umsatzsteuervorauszahlungen wurden daher nicht entrichtet. Das Finanzamt hat Umsatzsteuererstattungen selbst mit offenen Zahlungen verrechnet. Die anderen Gläubiger der X-GmbH wurden zu diesem Zeitpunkt zu 60 % befriedigt. Nach den vom Geschäftsführer G für die X-GmbH abgegeben Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das Jahr 2017 ergeben sich folgende Umsatzsteuer-Vorauszahlungen bzw. -Erstattungen: (Tabelle)


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Haftung des Geschäftsführers für Steuerverbindlichkeiten“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-018-2.


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