Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 12 – Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung durch den Arbeitgeber
4 Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung durch den Arbeitgeber
4.1 Formelle Wirksamkeitsvoraussetzungen
4.1.1 Bezeichnung
Die Bezeichnung der Abmahnung als solche ist nicht notwendig (Regh in: Das arbeitsrechtliche Mandat, § 6, Rn.396.). Solange eine Erklärung inhaltlich allen Anforderungen einer Abmahnung entspricht, ist es unerheblich, ob sie auch als solche tituliert wurde (Korte in: Handbuch des Fachanwalts - Arbeitsrecht, Kapitel 1, Rn.713; BAG 18.01.1980 - 7 AZR 75/78 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.3; siehe auch oben, Unterpunkt 2.4.1.). Um eine Fehlinterpretation der Erklärung von vorneherein auszuschließen, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Abmahnung jedoch durchaus empfehlenswert.
4.1.2 Grundsatz der Formfreiheit
Eine Abmahnung kann grundsätzlich „formfrei“ erfolgen, d.h. sie muss nicht schriftlich ergehen, sondern kann auch mündlich ausgesprochen werden (Appel in: Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis, § 78, Rn.7; Korte in: Handbuch des Fachanwalts - Arbeitsrecht, Kapitel 1, Rn.713.). Es ist jedoch möglich, dass der Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsbestimmung festlegt, dass eine Abmahnung lediglich schriftlich ergehen kann (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1804 ff.).
Selbst wenn dies nicht der Fall ist, empfiehlt es sich dennoch dringend, Abmahnungen stets schriftlich zu erteilen. Anderenfalls können sich später Beweisschwierigkeiten auftun (Korte in: Handbuch des Fachanwalts - Arbeitsrecht, Kapitel 1, Rn.713.). Bewirkt eine Abmahnung nämlich keine Verhaltensänderung und soll nun deshalb verhaltensbedingt gekündigt werden, muss sowohl bewiesen werden, dass überhaupt bereits abgemahnt wurde, als auch, dass genau dieses Verhalten, welches nun zur Kündigung führt, auch schon Gegenstand dieser Abmahnung war und die erteilte Abmahnung inhaltlich korrekt war. Ist die Abmahnung schriftlich ergangen, sind diese Punkte leicht zu beweisen.
4.1.3 Abmahnungsberechtigung
Damit eine Abmahnung wirksam sein kann, muss sie von jemandem ausgesprochen (bei mündlicher Abmahnung) bzw. unterzeichnet (bei schriftlicher Abmahnung) werden, der abmahnungsbefugt ist (vgl. dazu BAG 18.01.1980 - 7 AZR 75/78 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.3.).
4.1.3.1 Kündigungsberechtigte
Abmahnungsbefugt ist unstrittig derjenige, der auch zur Kündigung berechtigt ist (BAG 18.1.1980 - 7 AZR 75/78 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.3.). Dies ist in der Regel durch ihre gesetzliche Vertretungsmacht
- Bei kaufmännischen/gewerblichen Betrieben unter der Leitung natürlicher Personen: der Inhaber;
- Bei einer GmbH: der Geschäftsführer gem. § 35 Abs.2 GmbHG;
- Bei einer AG: der Vorstand gem. § 78 Abs.2 AktG;
- Bei einer OHG oder KG: die Gesellschafter bzw. Komplementäre gem. §§ 125 Abs.1, 161 Abs.2 HGB (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.344.).
Es ist zudem auch möglich, dass der Arbeitgeber andere Personen bevollmächtigt, für ihn Kündigungen auszusprechen. In diesem Fall dürfen diese Bevollmächtigten automatisch auch Abmahnungen aussprechen (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.345.), da diese die "kleine Vorstufe" zur Kündigung darstellen. Zur Kündigung und damit zur Abmahnung bevollmächtigt sind beispielweise in der Regel
- Generalbevollmächtigte, sowie
- Prokuristen, §§ 50 ff. HGB (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.347.).
4.1.3.2 Sonstige Befugte
Nach Auffassung des BAG kann eine Abmahnung auch von all denjenigen erteilt werden, die gegenüber dem Arbeitnehmer ein "Weisungsrecht" hinsichtlich des Ortes, der Zeit oder der Art und Weise der geschuldeten Arbeitsleistung ausüben (BAG 18.01.1980 - 7 AZR 75/78 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.3.). Abmahnungsberechtigt sind danach auch sogenannte "Fachvorgesetzte", sofern der Arbeitgeber ihnen ein entsprechendes Weisungsrecht eingeräumt hat. Beispielsweise kann dies der Fall sein bei
- Meistern,
- Abteilungsleitern, sowie
- Chefärzten (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.351.).
4.1.3.3 Sonderfall Leiharbeitsverhältnis
Im Leiharbeitsverhältnis fallen Kündigungsrecht und Abmahnungsrecht auseinander. Der Verleiher überträgt das Weisungsrecht auf den Entleiher. Damit geht auch das Recht, den Arbeitgeber bei Verstößen abzumahnen, auf den Entleiher über. Das Kündigungsrecht steht jedoch weiterhin nur dem Verleiher zu, da der Arbeitnehmer mit diesem den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Allerdings kann der Verleiher auf Abmahnungen, die der Entleiher ausspricht, zurückgreifen und mit ihnen eine Kündigung begründen (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.353 ff.).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017