Internationales Steuerrecht – Teil 04 – Juristische Doppelbesteuerung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
3.2.1 Juristische Doppelbesteuerung
Eine juristische Doppelbesteuerung liegt vor, wenn derselbe Steuerpflichtige von mindestens zwei Staaten für denselben Steuertatbestand, d.h. für dieselben Einkünfte beziehungsweise dieselben Vermögenswerte, im selben Zeitraum gleiche oder vergleichbare Steuern zahlen muss.
Eine juristische Doppelbesteuerung ist daher gegeben, wenn in zwei oder mehr Staaten eine
- Identität des Steuersubjekts
- Identität des Steuerobjekts
- Identität des Besteuerungszeitraums und
- Identität bzw. Gleichartigkeit der Steuer
gegeben ist.
Beispiel
Der in Kiel lebende A besitzt ein Ferienhaus in Frankreich, welches er in seinem Privatvermögen hält. Aus der Vermietung des Ferienhauses erzielt A Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
- Aufgrund der sachlichen Bindung des Steuerobjektes, welches in Frankreich belegen ist, besteuert Frankreich diese Einkünfte als Quellenstaat. Damit ist A in Frankreich mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem in Frankreich belegenden Ferienhaus beschränkt einkommensteuerpflichtig. A (Identität des Steuersubjekts) unterliegt mit seinen Einkünften aus der Vermietung des Ferienhauses in Frankreich (Identität des Steuerobjekts) im gleichen Veranlagungszeitraum (Identität des Besteuerungszeitraums) aber auch der Einkommensteuer (Identität der Steuer) in Deutschland (zwei Staaten). Damit liegt eine juristische Doppelbesteuerung vor.
3.2.2 Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Bei einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung wird im gleichen Besteuerungszeitraum dasselbe Steuergut bei verschiedenen Steuerpflichtigen besteuert.
Beispiel
Die A-AG (Muttergesellschaft) im Land A hält 100 % der Anteile an der B-KG (Tochtergesellschaft) mit Sitz in Land B. Der Gewinn, den die B-KG erzielt, ist im Land B, dem Staat, indem die B-KG ihren Sitz hat körperschaftsteuerpflichtig. Bei einer Ausschüttung des Gewinns der B-KG an die A-AG, unterfällt dieser Gewinn den steuerpflichtigen Einnahmen der A-AG und ist von der A-AG in A zu versteuern.
- Derselbe Gewinn unterliegt somit zweimal der Besteuerung, jedoch bei verschiedenen Rechtssubjekten, einmal bei der A-AG und einmal bei der B-KG. Die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft stellen allerdings eigenständige Rechtssubjekte dar. Dadurch führt die Besteuerung der Gewinne und der ausgeschütteten Dividenden nicht zu einer Doppelbesteuerung im juristischen Sinn, da einerseits die A-AG als Muttergesellschaft und eigenständiges Steuersubjekt und andererseits die B-KG also Tochtergesellschaft und eigenständiges Steuersubjekt besteuert werden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht, stellen beide Unternehmen jedoch eine wirtschaftliche Einheit dar. Dies führt dazu, dass durch die Besteuerung des Gewinns bei der A-AG und der B-KG eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung erzeugt wird.
3.2.3 Virtuelle Doppelbesteuerung
Die virtuelle Doppelbesteuerung ist eine denkbare Doppelbesteuerung (BFH vom 14.12.1988, I R 148/87, BStBl. II 1989, S. 319). Das bedeutet, dass theoretisch zwar die Möglichkeit einer Doppelbesteuerung besteht, tatsächlich diese Doppelbesteuerung jedoch nicht erfolgt. Eine virtuelle Doppelbesteuerung liegt also immer vor, wenn zwei Staaten das Recht der Besteuerung für sich beanspruchen, einer der beiden Staaten aber aufgrund nationaler Vorschriften sein Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt.
Die zwischen den Vertragsstaaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zielen auf die Vermeidung einer virtuellen Doppelbesteuerung ab. Durch die strikte Aufteilung der Besteuerungsrechte kann eine lediglich virtuelle Doppelbesteuerung vermieden werden, so dass sogar eine gänzliche Steuerbefreiung erreicht werden kann. Der Ausschluss der virtuellen Doppelbesteuerung durch die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) führt dazu, dass nicht überprüft werden muss, ob tatsächlich im anderen Vertragsstaat besteuert wird.
Beispiel
Das Ansässigkeitsland A besteuert Gewinne aus Grundstücksverkäufen unabhängig von Lage (In- oder Ausland) und Besitzzeiten. Der Belegenheitsstaat B, besteuert diese Gewinne nur innerhalb einer Frist von 10 Jahren, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Die im Land A ansässige C veräußert ihr in B gelegenes Grundstück nach Ablauf der Frist.
- Auf Grund der Fristüberschreitung tritt keine Doppelbesteuerung, sondern nur eine Einmalbesteuerung in A ein. Eine tatsächliche Doppelbesteuerung wäre bei einem Verkauf des Grundstücks vor Ablauf der Frist von 10 Jahren entstanden.
3.3 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Doppelbesteuerungen reduzieren die Rentabilität einer Investition. Es besteht daher der Anreiz, Doppelbesteuerungen durch rein nationale Investitionen zu vermeiden. Um zwischen einer rein nationalen und einer grenzüberschreitenden Investition frei zu sein, müsste die ausländische Investition eine höhere Rentabilität vor Steuern aufweisen.
Aus fiskalischen Überlegungen ist es erstrebenswert, Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen, da kurzfristig höhere Steuereinnahmen auf lange Sicht durch das verhinderte Wirtschaftswachstum und daraus resultierende geringere steuerpflichtige Erträge ausgeglichen werden.
Nach dem Grad der Kooperation mit anderen Staaten ergeben sich verschiedene Möglichkeiten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung:
- unilaterale (einseitige) Maßnahmen: Das sind Regelungen der nationalen Steuergesetzgebung, die den (völligen oder teilweisen) Steuerverzicht eines Staates – unabhängig vom Vorgehen des anderen Staates – normieren, um Auslandsinvestitionen zu fördern.
- bilaterale (zweiseitige) Maßnahmen: Das sind gegenseitige Abkommen, in denen zwei Staaten vereinbaren, die Steueransprüche der beteiligten Staaten untereinander aufzuteilen. Beispiel dafür sind die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Durch DBA regeln die Vertragsstaaten, wie und in welchem Umfang bestehende Besteuerungsrechte beschränkt werden. Der Vertragscharakter der DBA bietet den Vorteil, dass kein Staat einseitig auf Besteuerungsrechte verzichtet, sondern als Gegenleistung für eigene steuerliche Beschränkungen Verzichtsnormen beim Vertragspartner aushandeln kann (BFH vom 19.5.1993, I R 80/92, BStBl. II 1993, S. 656). Außerdem lassen sich durch internationale Verträge Doppelbesteuerungen umfassender und wirksamer vermeiden, als dies bei unilateralen Maßnahmen der Fall ist.
- supranationale Maßnahmen: Das sind Maßnahmen, die von überstaatlichen Organisationen, denen von den einzelnen untergeordneten Mitgliedsstaaten hierfür gewisse Kompetenzen übertragen wurde, verbindlich für alle Mitgliedstaaten vorgeschrieben werden. Ein Beispiel ist die innerhalb der EU anzuwendende sogenannte Mutter-Tochter-Richtlinie (Die Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 30.11.2011).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Steuerrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-004-5.
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Carola Ritterbach
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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