Kreditsicherheiten – Teil 31 – Nichtigkeit der Sicherungsübereignung, Verwertung
Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
7.4. Nichtigkeit der Sicherungsübereignung
7.4.1. Einschränkung der wirtschaftlichen und persönlichen Freiheit
Nichtig sind Verträge insbesondere dann, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Sicherungsgeber und -nehmer die wirtschaftliche und persönliche Freiheit des Sicherungsgebers in unzumutbarem Maße eingeschränkt wird. Man spricht von einer wirtschaftlichen Knebelung des Sicherungsgebers.
Beispiel
Neben der Übereignung aller im Unternehmen befindlichen Maschinen, verlangt die N- Bank zusätzlich die Einräumung der Leitung des Unternehmens der G-GmbH. Letzteres schränkt die wirtschaftliche Freiheit unzumutbar ein. Diese Vereinbarung ist nichtig.
7.4.2. Gefährdung anderer Gläubiger
Nichtig, weil sittenwidrig, sind auch Sicherungsübereignungen, bei denen der Sicherungsnehmer sich eine oder mehrere Gegenstände bzw. Warenbestände zur Sicherheit übereignen lässt, obwohl er erkannt hat oder erkennen musste, dass dadurch andere Gläubiger geschädigt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber während oder zum Zweck einer Sanierung einen Kredit gewährt, und sich Sicherungsübereignungen geben lässt, obwohl der Kredit und die Sanierung gar nicht Erfolg versprechend sind. Dabei kommen dem Sicherungsnehmer umso mehr Prüfungspflichten zu, je wahrscheinlicher der wirtschaftliche Zusammenbruch des Sicherungsgebers ist.
Offensichtlich unwirksam ist die Sicherungsübereignung dann, wenn der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer einen weiteren Gläubiger des Sicherungsgebers arglistig täuschen. Hat der getäuschte Sicherungsnehmer davon Kenntnis, kann er sich nicht auf die Sittenwidrigkeit der Sicherungsübereignung berufen.
7.4.3. Übersicherung
Von einer Übersicherung wird gesprochen, wenn der Wert der zu sichernden Forderung den Wert der übertragenen Gegenstände beträchtlich übersteigt.
7.4.3.1. anfängliche Übersicherung
Eine anfängliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss offensichtlich ist, dass im Falle einer Verwertung eine Diskrepanz zwischen dem Wert der Forderung und dem Wert der Sicherheit bestehen wird. Als Maßstab dient eine Deckungsgrenze von etwa 110%. Folge der anfänglichen Übersicherung ist die Nichtigkeit der Sicherungsübereignung und der Sicherungsabrede.
Beispiel
Unternehmer Simon übereignet zur Absicherung einer Darlehensforderung in Höhe von 100.000 Euro an die Görlitzer Bank Landmaschinen im Wert von 150.000 Euro. Die Deckungsgrenze von 110% ist nicht überschritten und die Übereignung wirksam. Würde der Wert der Landmaschinen bei Vertragsschluss über 210.000 Euro (d.h. > 110%) liegen, ist von einer anfänglichen Übersicherung auszugehen. Im Ergebnis wäre dann eine solche Sicherungsübereignung sittenwidrig und damit nichtig.
7.4.3.2. nachträgliche Übersicherung
Im Zuge der Tilgung der besicherten Verbindlichkeiten kann es zu einer nachträglichen Übersicherung kommen, d.h. das Verhältnis von Sicherheit und gesicherter Forderung weicht nach Vertragsschluss voneinander ab. Dies ist insbesondere. dann der Fall, wenn ein Warenlager mit wechselndem Bestand als Sicherheit übereignet wurde, da im Laufe der Zeit der Wert der Sicherheiten den Wert der gesicherten Forderung übersteigen kann. Präventiv wird in solchen Fällen im Sicherungsvertrag eine schuldrechtliche Freigabeklausel vereinbart, welche dem Sicherungsgeber einen Anspruch auf Rückgewähr der „nicht mehr benötigten“ Sicherheiten garantiert. Eine solche Rückübertragungs-Abrede im Sicherungsvertrag wird selbst dann angenommen, wenn sie nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Sie wird dann mittels einer ergänzenden Vertragsauslegung in den Vertrag hineingelesen. Sofern der Sicherungsvertrag keine ausdrückliche Deckungsgrenze beinhaltet, beträgt diese nach Abzug der Kosten für Verwaltung und Verwertung der Sicherheit, 110 % der gesicherten Forderung. Da letzteres im Zweifelsfall durch ein Gutachten festgestellt werden müsste, bietet der BGH eine weitere Orientierungshilfe: Übersteigt der Wert der Sicherheiten den Wert der gesicherten Forderung um 150 %, so ist der Sicherungsnehmer zur Freigabe der Sicherheiten an den Sicherungsgeber verpflichtet.
Beispiel
Zur Absicherung einer Forderung in Höhe von 100.000 Euro übereignet Siegmund sein Warenlager an die N-Bank. Der Bestandswert des Lagers beträgt bei der Übereignung 110.000 Euro.
Siegmund bezahlt 80.000 Euro zurück. In diesem Fall liegt eine nachträgliche Übersicherung vor, da der Wert der Sicherheiten (110.000 Euro) den Wert der gesicherten Forderung (30.000 Euro) um mehr als 110 % übersteigt. Daraus ergibt sich ein Anspruch von Siegmund gegenüber der N-Bank auf Rückgewähr der Sicherheiten im Wert von 77.000 Euro. Der N-Bank stehen nur noch Sicherheiten in Höhe von 33.000 Euro zu.
7.5. Verwertung
Wenn die gesicherte Forderung fällig ist, darf der Sicherungsnehmer über das Sicherungsgut im Rahmen der Verwertung verfügen.
Beispiel
Herr Gustav ist außer Stande das von seiner Bank gewährte Darlehen zurückzubezahlen. Die Bank veräußert den Traktor, den Herr Gustav an sie zur Sicherheit übereignet hat, an Herrn Distel. Herr Distel wird zum neuen Eigentümer und kann von Herrn Gustav die Herausgabe des Traktors verlangen.
Üblicherweise werden in der Sicherungsabrede Regelungen über die Verwertung aufgenommen. So kann vereinbart werden, welcher der Parteien die Veräußerung vornehmen soll und ob diese durch freihändigen Verkauf oder im Wege der Versteigerung erfolgen soll. Der Verwertungserlös ist auf die Schuld des Sicherungsgebers anzurechnen. Reicht der Erlös nicht zur Befriedigung des Gläubigers aus, haftet der Schuldner dem Gläubiger bis zur vollständigen Tilgung. Das Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers besteht auch dann, wenn die gesicherte Forderung verjährt ist.
Beispiel
Gustav ist außer Stande das von seiner Bank gewährte Darlehen in Höhe von 10.000 Euro zurückzuzahlen. Den als Sicherheit übertragenen Traktor veräußert die Bank entsprechend dem aktuellen Marktwert für 8.500 Euro. Folglich schuldet Gustav der Bank noch 1.500 Euro bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens.
Vor Eintritt der Fälligkeit ist eine Veräußerung durch den Sicherungsnehmer nicht gestattet. Bei einer verfrühten Verwertung macht sich der Sicherungsnehmer schadensersatzpflichtig.
Beispiel
Dieses Mal zahlt Gustav die Darlehensraten fristgerecht an die Bank zurück. Trotzdem übereignet die Bank den Traktor an Herrn Distel. Herr Distel verlangt die Herausgabe des Traktors von Gustav. Gustav verweigert die Herausgabe. Da Gustav seiner Verpflichtung aus dem Vertrag, nämlich der fristgerechten Zahlung nachgekommen ist, steht ihm gegen die Bank ein Rückübertragungsanspruch zu. Herrn Distel steht gegen die Bank ein Schadensersatzanspruch zu.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.
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Carola Ritterbach
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Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Stand: Januar 2015
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Über die Autoren:
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.
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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:
- Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
- Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
- Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
- Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
- Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
- Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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