Steuerliche Betriebsprüfung – Teil 16 – Prüfungsunterbrechung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
7.4 Prüfungsunterbrechung und Wiederaufnahme
Ist eine Betriebsprüfung für mehr als sechs Monate unterbrochen worden und ist dafür nur die Finanzverwaltung verantwortlich, so gilt die Wiederaufnahme der Betriebsprüfung nach diesem Zeitraum als Beginn einer neuen Betriebsprüfung mit einer erneuten Ablaufhemmung (Fußnote). Läuft die Festsetzungsfrist vor dem neuen Beginn einer Betriebsprüfung aus, so wäre die Verjährung eingetreten.
8. Rechtsschutz
In der Praxis ist die Prüfungsanordnung einer Betriebsprüfung eher selten Gegenstand einer finanzgerichtlichen Entscheidung, da die Voraussetzungen und Formvorschriften von Finanzämtern meist eingehalten werden.
8.1 Anfechtung der Prüfungsanordnung
Da die Prüfungsanordnung die rechtliche Grundlage für die Prüfungsmaßnahmen ist, muss der Steuerpflichtige, der mit einer Prüfungsanordnung nicht einverstanden ist, um die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung zu beseitigen, diese anfechten. Lässt der Steuerpflichtige sich zunächst widerspruchslos auf die Betriebsprüfung ein, dann verwirkt er damit sein Anfechtungsrecht nicht. Er kann die Prüfungsanordnung weiterhin anfechten. Das gleiche gilt selbst über den Abschluss der Betriebsprüfung hinaus, sodass er auch danach noch die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung beanstanden kann. (Fußnote). Wenn der Steuerpflichtige gegen das Ergebnis einer Betriebsprüfung vorgehen will, insbesondere um ein Verwertungsverbot der Ermittlungen zu erreichen, muss er die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung durch Anfechtung beseitigen. Denn da die Prüfungsanordnung die Grundlage für alle Prüfungsmaßnahmen ist, sind sämtliche Prüfungsmaßnahmen rechtswidrig und die Ergebnisse der Ermittlungen nicht verwertbar, sofern die Prüfungsanordnung entfällt. (Fußnote). Da die Prüfungsanordnung einen Verwaltungsakt darstellt, muss der Steuerpflichtige ein Anfechtungsverfahren durch Erhebung eines Einspruchs gegen die Anordnung und bei erfolglosem Einspruch gegebenenfalls durch eine Anfechtungsklage durchführen.
Daneben kann der Steuerpflichtige im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nur vorläufigen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem auswertenden Steuerbescheid erreichen.
Beispiel
Am 1.2.2017 erhielt A von der Finanzverwaltung eine Prüfungsanordnung für seinen gewerblichen Betrieb. A ist mit den zu prüfenden Jahren nicht einverstanden. Er beschwert sich bei seinem steuerlichen Berater.
- Da die Prüfungsanordnung ein Verwaltungsakt darstellt, muss A ein Anfechtungsverfahren in Form eines Einspruchs bei der Finanzverwaltung gegen die Prüfungsanordnung vornehmen.
8.2 Nichtigkeit der Prüfungsanordnung
Eine Prüfungsanordnung als Verwaltungsakt kann einerseits rechtswidrig, bzw. fehlerhaft sein oder aber nichtig. Liegt Nichtigkeit vor, dann ist die Prüfungsanordnung unwirksam und kann nicht angefochten werden. Da der nichtige Verwaltungsakt keinerlei rechtliche Wirkung hat, kann ihn der Steuerpflichtige gar nicht erst anfechten.
Ein Verwaltungsakt ist gem. § 125 I AO nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Dies ist der Fall, wenn der Fehler auch ohne juristische Kenntnisse sofort erkannt werden kann, dem Verwaltungsakt folglich "auf die Stirn geschrieben steht".
Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kann immer nur im konkreten Einzelfall entschieden werden und ist von der Finanzverwaltung von Amts wegen festzustellen oder muss auf Antrag des Steuerpflichtigen festgestellt werden, wenn dieser ein berechtigtes Interesse daran hat. Ein solches würde aber bei einer Prüfungsanordnung, die ein belastenden Verwaltungsakt darstellt im Normalfall immer vorliegen.
Eine typische Situation einer solchen Nichtigkeit läge vor, wenn die Prüfungsanordnung einen falschen Adressaten bezeichnen würde, unabhängig davon, ob die Anordnung an die richtige Person zugeht (Fußnote).
Ist dies nicht der Fall und der Verwaltungsakt, speziell die Prüfungsanordnung ist zwar fehlerhaft oder rechtswidrig, dann bleibt diese bis zu ihrer erfolgreichen Anfechtung wirksam und erlangt, wenn eine Anfechtung nicht erfolgt Bestandskraft. Wird die Prüfungsanordnung durch Anfechtung beseitigt, dann gelangt man damit zu einem Verwertungsverbot (Fußnote).
Das gilt nicht nur für die Prüfungsanordnung als Verwaltungsakt, sondern für jeden rechtswidrigen Verwaltungsakt, der im Rahmen der Betriebsprüfung erlassen worden ist.
Hat die Finanzverwaltung
- eine Prüfungsanordnung nicht erlassen oder
- ist eine erlassene Prüfungsanordnung der Finanzverwaltung von einem Finanzgericht aufgehoben worden oder
- für rechtswidrig erklärt worden,
dann kann die Finanzverwaltung, wenn die Betriebsprüfung bereits durchgeführt worden ist, die Prüfungsanordnung nicht mehr nachschieben. Eine Prüfungsanordnung kann nicht für eine bereits durchgeführte Betriebsprüfung als Rechtsgrundlage zurückwirken (Fußnote).
Wenn trotz einer nichtigen Prüfungsanordnung Ermittlungen stattgefunden haben und der Steuerpflichtige verhindern will, dass hieraus steuerliche Folgen gezogen werden, so hat er diese Einwendungen bezüglich der Nichtigkeit der Prüfungsanordnung im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Steuerbescheid gegenüber der Finanzverwaltung zu erklären, damit diese von Amts wegen die Nichtigkeit feststellen kann. Bezweifelt die Finanzverwaltung die Nichtigkeit, so müsste man mittels einer Klage diese durch ein Finanzgericht feststellen lassen.
Daher sollte man bevor die Ermittlungen ausgewertet worden sind und ein Steuerbescheid erlassen worden ist gegen die Prüfungsanordnung durch Erhebung einer Klage vorgehen (Fußnote).
Zusätzlich kann man vorläufigen Rechtsschutz durch die Beantragung der Aussetzung der Vollziehung der die Betriebsprüfung auswertenden Steuerbescheide erreichen.
Beispiel
Bei einer Betriebsprüfung behauptet der Steuerpflichtige, niemals eine Prüfungsanordnung erhalten zu haben. Die Finanzverwaltung argumentiert, dies sei bedeutungslos, denn man hätte ja die Ermittlungen auf eine noch zu erlassende Prüfungsanordnung stützen können, so dass der Einwand des Steuerpflichtigen ein erfolgloser Formalismus sei.
- Ermittlungen ohne rechtliche Grundlage in Gestalt einer noch zu erlassenden Prüfungsanordnung unterliegen einem Verwertungsverbot (Fußnote).
- Die Finanzverwaltung hat die gesamte Betriebsprüfung zu wiederholen, um Änderungsbescheide erlassen zu können, sofern die zu prüfenden Steuern noch nicht verjährt und damit erloschen sind.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Steuerliche Betriebsprüfung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin und Monika Dibbelt, Rechtsanwältin und Jens Bierstedt, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-014-4.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter